Linz, 14.09.2010
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn
I. Die Berufungen werden in den Schuldsprüchen als unbegründet abgewiesen;
im Strafausspruch werden diese jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafen jeweils auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 60 Stunden ermäßigt werden.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf je 10 Euro Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber wurde mit den oben bezeichneten Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Schärding, wegen Übertretungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 jeweils Geldstrafen von 300 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils fünf Tagen verhängt, weil er
1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses zu BauR96-338-2008 wie im Ergebnis auch in den weiteren Verfahren führt die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
2. In der dagegen fristgerecht als Widerspruch bezeichneten Berufung führt der Berufungswerber insgesamt folgendes aus:
2.1. Mit diesem Vorbringen vermag er jedoch vor dem Hintergrund der hier anzuwendenden Rechtslage weder formal noch inhaltlich den Schuldsprüchen mit Erfolg entgegen treten.
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf die unbestritten bleibende Faktenlage unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einschau in die erstbehördlichen Verfahrensakte. Daraus ergeben sich der für die Berufungsentscheidungen unstrittige Sachverhalte. Auf Grund der rechtlich und sachlich identen Berufungssachen werden diese aus ökonomischen Gründen in einer Bescheidausfertigung zusammengefasst.
4. Folgender Sachverhalt steht unbestritten fest:
Der Berufungswerber war damals offenbar Verantwortlicher für die X Transporte. An diese wurde mit den Aufforderungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 vom 4.8.2008, 28.7.2008 und 4.8.2008, die auf die im Spruch genannten Zeitpunkte bezogene Lenkerauskunftbegehren gestellt. Diese Anfragen wurden den Berufungswerber jeweils nachweislich zugestellt. Diese Anfragen enthielten auch einen Hinweis auf die Strafbarkeit im Falle deren Nichtbeantwortung.
In allen drei Fällen wurden den Auskunftsbegehren keine Folge geleistet.
In weiterer Folge finden sich noch ein WebSite-Ausdruck über das Transportunternehmen des Berufungswerbers vom 11.11.2008 im Akt. Schließlich wurde in allen drei Fällen am 24.11.2008 gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung nach § 103 Abs.2 KFG bereits mit diesem Strafbetrag erlassen.
Nach vorerst gescheitertem Zustellversuch und einer Anfrage an die Stadt Bopfingen am 18.12.2008, konnten die Strafvergügungen dem Berufungswerber schließlich im Jänner 2009 zugestellt werden.
Sie wurden von ihm jeweils mit Schriftsatz vom 29.1.2009 beeinsprucht. In der Folge findet sich dann, abgesehen von einer Anfrage aus dem Vormerkregister am 5.2.2009, bis zur Erlassung der nunmehr angefochtenen Straferkenntnisse kein weiterer Aktenvorgang.
Der Akt dürfte demnach bis zum Juli 2010 außer Evidenz gelangt bzw. unbearbeitet geblieben sein.
Dieses Faktum ist als strafmildernde Kompenete zu berücksichtigen!
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat erwogen:
Grundsätzlich kann den umfassenden rechtlichen Erwägungen der Behörde erster Instanz nur gefolgt werden. Deren Ausführungen ist grundsätzlich nichts mehr hinzu zu fügen. Die Behörde erster Instanz weist zutreffend darauf hin, dass die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe – oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gemäß der dem Gesetz beigefügten sogenannten Verfassungsbestimmung treten gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und (derzeit) nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.). Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).
Mit dem Hinweis des Berufungswerbers auf das deutsche Grundgesetz dem eine analoge Regelung fremd bzw. mit diesem Unvereinbar ist, lässt zumindest mit Blick auf die anzuwendende österreichische Rechtslage für ihn nichts gewinnen.
Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – VfGH v. 29.09.1988, Zl. G72/88, zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht, erblickt.
Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner ständigen Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.
In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen – hier ist keine Ausnahme gegeben – nur im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER – zum Tatbestand gehörende – ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt – anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) – nicht der Ort, an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern – als Tatort gilt – der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).
Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung des Firmenlastkraftwagen im Bundesgebiet der Republik Österreich. Wenn der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer auf das „nemo tenetur“ (Doppelverfolgung) hinweist, indem allenfalls von ihm als Zulassungsbesitzer die Ersatzmaut eingefordert wurde, ändert dies nichts an der Strafbarkeit auch des Lenkers, für diesen Zweck der Lenker der anfragenden Behörde zu benennen gewesen wäre.
Von einem Fahrzeugverantwortlichen leiten sich Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Dessen scheint sich auch der Berufungswerber mit seinen Berufungsausführungen durchaus bewusst zu sein.
Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, was wiederum einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist nicht zuletzt als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.
Der Berufungswerber vermag sich angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe bereits in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht iSd § 6 VStG entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen. Unbeachtlich ist, ob letztlich diese Geldstrafe von den deutschen Behörden im Rechtshilfeweg nicht vollstreckt wird, oder der Berufungswerber der Zahlungspflicht gegenüber der Republik Österreich auf anderem Wege nachkommt.
6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Gemäß §19 Abs.2 3. Satz VStG sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Nach § 34 Abs.2 StGB ist es auch ein Milderungsgrund, "wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat".
Aus Art.6 Abs.1 EMRK ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass das Gericht (aber auch eine Verwaltungsstrafbehörde) "innerhalb einer angemessenen Frist" zu entscheiden hat. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Komplexität des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, spielt die Bedeutung der Sache für den Rechtsmittelwerber als subjektives Element eine wichtige Rolle.
Ist die Beurteilung nach den einzelnen Kriterien aufwändig und ergibt sich aus der Gesamtverfahrensdauer, dass eine Verletzung vorliegt, verzichtet der EGMR auf eine eingehende Prüfung und nimmt er in einer pauschalen Beurteilung eine Verletzung an (vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2 [2005], §24 Rz 69f; Thienel, Die angemessene Verfahrensdauer [Art6 Abs1 MRK] in der Rechtsprechung der Straßburger Organe. Unter Bedachtnahme auf die österreichische Rechtslage, ÖJZ 1993, 473 [480] – vgl. VfGH v. 9.6.2006, B3585/05).
Auch die Behörde erster Instanz hätte hier die offenkundig von ihr zu vertretende überlange Verfahrensdauer als strafmildernd zu werten gehabt und bei der Strafbemessung in einer dem Art.6 Abs.1 EMRK entsprechenden Weise zu bemessen (VfSlg. 16.385/2001 mwN; VfGH 6.6.2006, B3593/05).
Die nunmehr verhängten Geldstrafen in Höhe von je 100 Euro scheinen mit Blick auf die mehr als zwei Jahre zurückliegenden und allenfalls auf einheitlichen Tatwillen hinauslaufenden Unterlassungen, mit Blick auf die in Deutschland diesbezüglich herrschende Rechtspraxis und die glaubhaft dargelegten zwischenzeitig ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, angemessen.
Im Schuldspruch hingegen musste den Berufungen der Erfolg versagt bleiben.
Abschließend ist zu bemerken, dass alleine vom Einlangen der Berufungen am 30.7.2010 bei der Behörde erster Instanz bis zu deren Vorlage bzw. Einlangen bei der Berufungsbehörde noch weitere sechs Wochen verstrichen sind.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
Beschlagwortung:
Überlange Verfahrensdauer