Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231130/2/SR/Sta

Linz, 16.09.2010

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der x geboren x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 2. August 2010, GZ. Sich96-92-2010, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 2. August 2010, GZ. Sich96-92-2010 wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 4. Juni 2010 gegen 15:20 – 15:30 Uhr in x, im Wohnhaus x, trotz vorheriger mehrmaliger Abmahnung, gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert, indem Sie am Ort der Kontrolle die Beamten fortlaufend lautstark angeschrien und sich zudem den Pullover, wie Unterhemd vom Leib gerissen haben und in aggressiver Art und Weise, barbusig im zu durchsuchenden Raum Platz nahmen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 idgF."

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Bw gemäß § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt. Zusätzlich wurden Verfahrenskosten in der Höhe von 8 Euro vorgeschrieben.

 

Nach Darstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, den die belangte Behörde dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion x vom 10. Juni 2010, GZ D1/4174/2010-An, entnommen hatte und Beschreibung der Verfahrensschritte maß die belangte Behörde, ohne die einschreitenden Beamten mit dem Vorbringen der Bw zu konfrontieren, den Angaben der Beamten in den einzelnen Schriftsätzen mehr Beweiswert zu.

 

Im Anschluss an die Wiedergabe der verletzten Norm setzte sich die belangte Behörde mit der einschlägigen Judikatur auseinander und führte aus, dass die "Abmahnung" soviel bedeute wie Ermahnung oder Zurechtweisung und in der Aufforderung bestehe, ein Verhalten im Hinblick auf seine Gesetz- und Ordnungswidrigkeit einzustellen. Bezogen auf den vorliegenden Fall sah die belangte Behörde das tatbestandsmäßige Verhalten der Bw darin, dass diese nach den jeweiligen Belehrungen ständig schreiend und ihre Unschuld beteuernd im Haus herumgelaufen sei und somit die Hausdurchsuchung erheblich behindert habe. Indem sie im Zusammenhang mit dem angewandten Zwang laut schreiend "Schweinerei" gerufen, somit ihre Entrüstung kundgetan und in diesem Zusammenhang sich auch den Pullover und das Unterhemd vom Leib gerissen habe, hätte sie sich aggressiv verhalten und die Hausdurchsuchung behindert. Trotz mehrfacher Aufforderungen sei sie mit dem aggressiven Verhalten fortgefahren. Sie habe tatsächlich wahrgenommen, dass durch ihr Verhalten eine Amtshandlung behindert werde und sie habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass sie ein Verhalten setze, welches einem gesetzlichen Tatbild entspreche.

 

Bei der Strafbemessung sei auf § 19 VStG Bedacht genommen worden. Mangels Bekanntgabe der persönlichen Verhältnisse sei eine Schätzung vorgenommen worden. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden. Im Hinblick auf die mögliche Höchststrafe von 216 Euro bewege sich die verhängte Geldstrafe im unteren Bereich.

 

2. Gegen das Straferkenntnis, welches dem Rechtsvertreter der Bw am 26. August 2010 zugestellt worden ist, richtet sich die rechtzeitig am 8. September 2010 bei der belangten Behörde eingelangte Berufung.

 

In der Berufung verweist der Rechtsvertreter auf die Einspruchsangaben. Auf die Amtshandlung bezogen führt er aus, dass bei einer derartigen Ausnahmesituation die geforderte Ruhe im Regelfall nicht erwartet werden dürfe. Eine wenn auch heftige Reaktion sei durchaus verständlich, wenn plötzlich vier Polizeibeamte dastehen und einem mitteilen, dass sie eine Hausdurchsuchung machen wollen. Sehr wohl sei relevant, dass die Hausdurchsuchung aufgrund einer rechtsirrigen Anordnung erfolgte und sich die Unschuld der Bw heraus gestellt habe. Dass die Bw mit dieser Situation nur schwer zurechtgekommen und offensichtlich der Verzweiflung nahegewesen sei, ergebe sich auch aus dem Polizeibericht, in dem dargestellt wurde, dass die Bw letztendlich weinerlich reagiert habe. Dieses Verhalten könne ihr nicht ernsthaft vorgeworfen werden und es sei zumindest von einem Entschuldigungsgrund auszugehen. Wenn im Straferkenntnis ausgeführt werde, dass sich die Bw entgegen der gebotenen Ruhe mit ungewöhnlicher Heftigkeit verhalten habe, so werde seitens der Behörde die Gesamtsituation in gravierender Weise falsch eingeschätzt.

 

Abschließend wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und ein Absehen von der Verhängung einer Strafe beantragt.

 

3. Mit Schreiben vom 6. September 2010 hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding den Verwaltungsstrafakt Sich96-92-2010 vorgelegt.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde und unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage geklärt erscheint und nur Rechtsfragen zu beantworten sind.

 

3.2. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

 

Am 25. Mai 2010 ordnete die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis aufgrund gerichtlicher Bewilligung die Durchsuchung des landwirtschaftlichen Anwesens x an. In der Anordnung wurde die einschlägige Bestimmung der StPO (§ 121 Abs. 1 und 2) wie folgt wörtlich wiedergegeben:

 

"Gemäß § 121 Abs. 1 StPO ist der Betroffene unter Angabe der hierfür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben.

Gemäß § 121 Abs. 2 StPO hat der Betroffene das Recht, bei einer Durchsuchung nach § 117 Z. 2 StPO anwesend zu sein und eine Person seines Vertrauens zuzuziehen; für diese gilt § 160 Abs. 2 StPO sinngemäß. Ist der Inhaber der Wohnung nicht zugegen, so kann ein erwachsener Mitbewohner seine Rechte ausüben. Ist auch dies nicht möglich, so sind der Durchsuchung zwei unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen. Davon darf nur bei Gefahr im Verzug abgesehen werden. "

 

Im Anschluss daran bewilligte das Landesgericht Ried im Innkreis mittels Beschluss vom 25. Mai 2010 die Anordnung der Staatsanwaltschaft und befristete die Durchführung bis 30. Juni 2010.

 

Am 4. Juni 2010 wurde ab 15.30 Uhr die Hausdurchsuchung im genannten landwirtschaftlichen Anwesen durchgeführt.

 

Der Ablauf der angeordneten Durchsuchung und das "aggressive Verhalten" wurden im Abschlussbericht der PI x vom 10. Juni 2010 wie folgt dargestellt.

 

Die einschreitenden Beamten trafen die Bw und ihren Lebensgefährten in x, Gemeinde x, am 4. Juni 2010 gegen 15.00 Uhr an. Nachdem die Bw mit dem gegen sie gerichteten Verdacht konfrontiert und ihr die Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht worden war, begann sie zu schreien und weigerte sich vorerst, zum landwirtschaftlichen Anwesen mitzukommen. Nach mehrmaligen Belehrungen und wiederholtem Erklären, dass die Durchsuchung jetzt durchgeführt werde und "zumindest ein Betroffener daran teilzunehmen bzw. diese zu ermöglichen habe", fuhr die Bw zum Anwesen mit. Beim Haus angelangt, begann die Bw wiederum zu schreien. Die Bw sperrte das Haus auf und forderte die Beamten auf, zu durchsuchen, was zu durchsuchen sei; sie werde in der Zwischenzeit ihrer Arbeit nachgehen. Anschließend begann die Bw völlig außer sich im Haus herumzulaufen und dabei zu schreien, dass ihr Unrecht geschehe und dass sie vom Geschädigten falsch beschuldigt worden ist.

Durch das Verhalten der Bw sahen sich die Beamten außerstande, die Durchsuchung zu beginnen. Da aus Sicht der Beamten mit dem Aufsperren der Haustür die Bw ihre Verpflichtung zur Duldung bzw. Mitwirkung an der Durchsuchung "bei weitem" nicht erfüllt hat wurde sie von den Beamten aufgefordert sich zu mäßigen und den notwendigen Anordnungen Folge zu leisten (z.B.: versperrte Kästen zu öffnen oder zugesperrte Zimmer aufzusperren). "Nach einer weiteren und in sehr deutlichen Worten vorgebrachten Erklärung, dass die Durchsuchung und die Teilnahme daran durch die Bw auch mit Zwang durchgesetzt werde, lief die Bw davon und wollte in das Obergeschoss des Hauses. Sie wurde, während sie über die Stiege nach oben wollte, von GrInsp x am Unterarm ergriffen und ihr wurde mitgeteilt, dass sie jetzt hier bleibe. Dies verstand sie dann. Ihre Zornesausbrüche ebbten ab und sie nahm – dem ausgeübten Zwang trotzig und weinerlich nachgebend – auf einem Hocker im Vorhaus Platz und erst ab da an, konnte an den Beginn der eigentlichen Amtshandlung gedacht werden."

Zu Beginn der Durchsuchung traf der Lebengefährte der Bw ein. Daraufhin beklagte sich die Bw schreiend über den angewendeten körperlichen Zwang und behauptete eine Verletzung an der Schulter. Zur Untermauerung zog sie den Pullover samt Unterhemd aus und saß somit barbusig im Wohnzimmer. Die behauptete Rötung an der Schulter bzw. am Oberarm war auf den ersten Blick nicht zu sehen. Wegen "der überaus aggressiven Art und Weise und insbesondere wegen der Aufgabe der Intimsphäre" verließen die Beamten das Zimmer. Nach neuerlichen Aufforderungen sich zu mäßigen kleidete sich die Bw wieder an und beruhigte sich einigermaßen und nach weiteren Aufforderungen zur Mäßigung konnte die Durchsuchung durchgeführt werden.

 

In der Anzeige der PI x vom 12. Juni 2010, GZ A1/0000004693/01/2010, hält der einschreitende Beamte fest, dass sich die Bw "laut schreiend vorerst geweigert habe an einer Hausdurchsuchung mitzuwirken bzw. diese zu dulden". Die Bw "lief laut schreiend und völlig außer sich im Haus umher und riss sich den Pullover samt Unterhemd vom Leib, sodass sie barbusig bei der Amthandlung anwesend war." Über Befragen habe die Bw angegeben, dass sie zu Unrecht beschuldigt worden sei und es eine Schweinerei sei, wie mit ihr umgegangen werde.

 

In der Strafverfügung der belangten Behörde vom 16. Juni 2010 wurde der Bw vorgeworfen, dass sie sich am 4. Juni 2010, in der Zeit zwischen 15.20 bis 15.30 Uhr schreiend geweigert habe, an einer Hausdurchsuchung mitzuwirken bzw. diese zu dulden. Weiters sei sie laut schreiend und völlig außer sich im Haus umher gelaufen und habe sich den Pullover samt Unterhemd vom Leib gerissen, sodass sie barbusig bei der Amtshandlung anwesend gewesen sei.

 

Innerhalb offener Frist hat dagegen die Bw, vertreten durch ihren Rechtsvertreter, Einspruch erhoben. Nach Darstellung der Vorgeschichte und des strafgerichtlichen Verfahrens begründet der Rechtsvertreter das Verhalten der Bw mit der vorliegenden Ausnahmesituation und weist abschließend darauf hin, dass die Bw die Amtshandlung zugelassen bzw. ermöglicht habe.

 

Ohne weiteres Ermittlungsverfahren wird die Bw mit Schreiben vom 13. Juli 2010 lediglich zur Bekanntgabe ihrer persönlichen Verhältnisse aufgefordert und nach ungenütztem Verstreichen der Frist das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3.3. Weder die einschreitenden Beamten noch der Lebensgefährte der Bw wurden als Zeugen befragt.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde lässt sich aus den vorliegenden Beweismitteln nicht ableiten, dass die Bw durch ihr Verhalten die Amtshandlung – Durchsuchung des Anwesens – behindert hat. Gerade das Gegenteil kann aus dem Abschlussbericht abgeleitet werden. Nach dem Aufsperren der Haustür hat die Bw die Beamten aufgefordert die Durchsuchung vorzunehmen. Unbestritten ist, dass die Bw anschließend außer sich war und durch das Haus laufend lautstark auf ihre Unschuld hingewiesen hat. Inwieweit sie durch dieses Verhalten die Durchsuchung behindert haben soll, ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Ebenso wenig lässt sich aus der angeblichen mangelnden "Duldungs- bzw. Mitwirkungsbereitschaft" eine Behinderung der Amtshandlung ableiten. Obwohl beispielsweise auf versperrte Kästen und zugesperrte Zimmer hingewiesen wird, scheint es im gesamten Haus solche nicht gegeben zu haben, da nach der Beruhigung der Bw ihre Mitwirkung nicht mehr erforderlich gewesen ist (die Bw befand sich während der Durchsuchung im Vorraum und zeitweilig mit nacktem Oberkörper und zeitweilig angezogen im Wohnzimmer). Das die Bw die Amtshandlung nicht zu stören beabsichtigte, zeigt sich auch darin, dass sie ins Obergeschoss wollte, daran jedoch von einem Beamten unter Anwendung von Körperkraft gehindert wurde. Nicht nachvollziehbar erscheint die Annahme, dass die Bw durch die Entkleidung des Oberkörpers "in aggressiver Art und Weise" die Durchsuchung behindern wollte. Schon aus dem Abschlussbericht ist zu ersehen, dass sie die Entkleidung nur deshalb vorgenommen hat, um ihrem Lebensgefährten allfällig vorhandene Rötungen zu zeigen, die ihr bei der Anwendung der Körperkraft (Zurückhalten durch den einschreitenden Beamten) zugefügt worden sein sollten. Auch aus der Anzeige vom 12. Juni 2010 kann nicht auf eine Behinderung der Amtshandlung geschlossen werden, da diese das Verhalten der Bw sehr verkürzt wiedergibt und bezogen auf den Abschlussbericht aus dem Zusammenhang gerissen ist.

 

Unbestritten ist, dass sich die Bw lautstark und abfällig über die Amtshandlung der einschreitenden Beamten geäußert hat.

 

Dass sie die Durchsuchung nicht geduldet habe, lässt sich nicht einmal ansatzweise erkennen.

 

In der Anzeige vom 12. Juni 2010 wird einleitend der Gesetzestext wiedergegeben und ausschließlich darin auf die Abmahnung Bezug genommen. Im Abschlussbericht ist mehrfach die Rede von Belehrungen und Hinweisen, wonach die Durchsuchung auch mit Zwang durchgesetzt werden könne und die Bw verpflichtet sei, den Anordnungen der einschreitenden Beamten Folge zu leisten. Eine wahrnehmbare Abmahnung im Hinblick auf ein strafbares Verhalten nach dem SPG ist darin nicht zu erblicken.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Wer nach § 82 SPG sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

 

4.2. Das zentrale Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG besteht in einem aggressiven Verhalten.

 

"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).

 

Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten".

 

So kann unter aggressivem Verhalten auch ein "sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten" angesehen werden. So gesehen reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits allein das "Schreien mit einem Aufsichtsorgan" auch noch nach erfolgter Abmahnung zur Erfüllung des Tatbestandes aus (VwGH vom 20.12.1990, 90/10/0056; siehe auch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Fn. 14 zu § 82  mit weiteren Verweisen).

 

Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen. Das Tatbild der zitierten Verwaltungsvorschrift verlangt, ein "aggressives Verhalten" während der "Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben" durch das Aufsichtsorgen oder die Militärwache; zusätzlich die "Behinderung einer Amtshandlung". (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz3, zu § 82 SPG). Ein solches aggressives Verhalten liegt jedenfalls auch dann vor, wenn das Verhalten noch nicht als Anwendung von Gewalt oder als gefährliche Drohung (§ 269 des Strafgesetzbuchs [StGB] - Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu qualifizieren ist.

 

Weiteres Tatbestandselement ist eine vorausgegangene Abmahnung. Abmahnung bedeutet so viel wie (Er-)Mahnung oder Zurechtweisung und besteht in der Aufforderung, ein Verhalten im Hinblick auf seine Gesetz- oder Ordnungswidrigkeit einzustellen, wobei die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit impliziert. Das Gesetz schreibt den Gebrauch bestimmter Worte für eine wirksame Abmahnung nicht vor, insbesondere muss sie nicht die Folgen weiteren Zuwiderhandelns zur Kenntnis bringen. Freilich muss dem Betroffenen die Abmahnung als solche erkennbar sein und bewusst werden.

Darüber hinaus muss das aggressive Verhalten eine Amtshandlung behindern und dieses Verhalten muss kausal für die Behinderung sein. Es reicht aus, wenn die Ausführung der Amtshandlung erschwert oder verzögert wird. Wenn ein aggressives Verhalten keine Amtshandlung behindert, ist zwar der Tatbestand des § 82 SPG nicht erfüllt, wohl aber kann eine Übertretung des § 81 SPG oder nach Umständen eine Anstandsverletzung im Sinne des Oö. PolStG vorliegen.

4.3. Wie aus den Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, hat die Bw während der Amtshandlung ein Verhalten an den Tag gelegt, dass sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrte. Entscheidend ist aber, dass die Bw die einschreitenden Beamten dadurch weder an der Durchsuchung der Räumlichkeiten ge- noch behindert hat. Es ist zwar nachvollziehbar, dass dieses Verhalten störend gewirkt haben mag, aber eine Behinderung der Durchsuchung ist daraus nicht ableitbar, zumal im Abschlussbericht ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Bw "im Haus" herumgelaufen ist und dabei ihre Unschuld beteuert hat. Daraus kann auch erkannt werden, dass sie sich nur sporadisch in den Räumen aufgehalten hat, in denen die Durchsuchung vorgenommen werden sollte. § 121 StPO verpflichtet die Bw, die Durchsuchung "zuzulassen" oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Die Bw soll der Intention des Gesetzes folgend als Inhaberin der Räumlichkeiten der Durchsuchung beiwohnen. Sie ist daher aufzufordern, dieses "Recht" wahrzunehmen, verpflichtet dazu ist sie nicht. Die Weigerung an der Durchsuchung teilzunehmen verhindert diese nicht. Unbestritten hat die Bw das zu durchsuchende Objekt geöffnet und die Beamten aufgefordert "zu durchsuchen, was zu durchsuchen sei". Schon damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die Durchsuchung zulässt und die Vorgangsweise duldet. Wie der StPO weiter zu entnehmen ist, sind bei der Durchsuchung Aufsehen, Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken und die Persönlichkeitsrechte Betroffener soweit wie möglich zu wahren. Da die Bw erkennbar an der Durchsuchung nicht teilnehmen wollte, kann ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie die Amtshandlung gestört hat, weil sie sich gegen die zwangsbewehrte Teilnahmeverpflichtung lautstark gewehrt hat. Dass im durchsuchten Objekt Zimmer oder Kästen versperrt waren, lässt sich aus den behördlichen Feststellungen nicht erschließen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte eine Öffnung durch die Bw nicht zwangsweise durchgesetzt werden können. Den einschreitenden Beamten ist nämlich eine gewaltsame Öffnung gestattet, wenn die Aufforderung zum Öffnen erfolglos war oder sonst der Zweck der Maßnahme vereitelt wäre.

Weiters lässt sich auch aus dem Entblößen des Oberkörpers keine Behinderung der Amtshandlung ableiten, da die Bw damit nicht die Durchsuchung in diesem Raum behindern sondern nur ihrem Lebensgefährten eine allfällige Rötung zeigen wollte.

In Ermangelung einer Behinderung der vorliegenden Amtshandlung brauchte auf das weitere Verhalten der Bw nicht mehr eingegangen werden. Anzumerken ist jedoch, dass auch eine gesetzeskonforme Abmahnung nicht ergangen zu sein scheint. Wie die Schilderung des Ablaufes der angeordneten Durchsuchung aufzeigt, wollten die einschreitenden Organe die Anwesenheit der Bw bei der Durchsuchung erreichen und haben sie diesbezüglich mehrfach "belehrt" und ihr auch zur Kenntnis gebracht, dass die "Teilnahme daran auch mit Zwang durchgesetzt werde". Dass der Bw mit diesen "Belehrungen" auch in einer ihr verständlicher Weise ein verwaltungsstrafrechtlich zu ahndendes Verhalten aufgezeigt werden sollte, lässt sich weder dem Abschlussbericht noch der Anzeige entnehmen. 

 

Da die Bw die ihr angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 2 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Bw keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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