Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401084/4/BP/Gr

Linz, 30.08.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA von X, derzeit aufhältig im X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 16. Juli 2010 durch den Polizeidirektor von Wels, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit 16. Juli 2010 für rechtswidrig erklärt. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm § 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 16. Juli 2010, Zl.: 1-1030172/FP, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Bf Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG sei, weil er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Nach Darstellung des § 76 Abs. 1 und 3 FPG führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass der Bf am 16. Juli 2010 um 8:30 Uhr in X nach seiner Entlassung aus der Strafhaft betreten worden sei.

 

Die BPD Wien habe gegen den Bf zu AZ: 1157093 ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen. Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des bzw. der fremdenpolizeilichen Verfahren sei notwendig, da zu befürchten sei, dass sich der Bf dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werde, zumal er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Die verhängte Maßnahme sei zur Erreichung des Ziels angemessen und verhältnismäßig. Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG komme nicht in Betracht, da die Behörde keinen Grund zur Annahme habe, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden könnte. Das Asylverfahren des Bf sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22. März 2010, rechtskräftig mit 29. März 2010, negativ entschieden worden und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach X sei mit 29. März 2010 in Rechtskraft erwachsen. Eine Belassung in Freiheit würde die weiteren fremdenpolizeilichen Schritte, nämlich die Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der zuständigen Vertretungsbehörde und die anschließende Abschiebung erheblich erschweren bzw. unmöglich machen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf per Telefax datiert vom 19. August 2010, beim Oö. Verwaltungssenat am 30. August 2010, Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Darin führt er u.a. aus, dass seine Anhaltung rechtswidrig erfolge. Die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall weder den Sicherungsbedarf, somit die Erforderlichkeit der In-Schubhaftnahme, die Verhältnismäßigkeit, noch die Anwendung gelinderer Mittel im konkreten Einzelfall geprüft. Der Verpflichtung zur Ausreise habe der Bf nicht nachkommen können, da er sich bis zur Verhängung der Maßnahme in Strafhaft befunden habe.

 

Abschließend wird beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat möge

1)    die Verhängung der Schubhaft und

2)    die Anhaltung in Schubhaft seit dem 16. Juli 2010

für rechtswidrig erklären.

 

 

2.1. Die belangte Behörde übermittelte vorab dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Schubhaftbescheid am 30. August 2010.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Pkt. 1.1. sowie 1.2. dieses Erkenntnis dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich wurde dem Oö. Verwaltungssenat in einem Telefonat am 30. August 2010 mitgeteilt, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikat für den Bf am 20. Juli 2010 beantragt worden sei.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf am 16. Juli 2010 in X nach Entlassung aus der Strafhaft festgenommen wurde und bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zugrunde liegenden Bescheides vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

3.4. Nachdem der Bf vor In-Schubhaftnahme eine Haftstrafe in der JA X verbüßte, wäre dem Schubhaftbescheid grundsätzlich ein umfassendes Ermittlungsverfahren zugrunde zu legen gewesen. Wenn auch aus der Aktenlage nicht klar ersichtlich ist, zu welchem Zeitpunkt die belangte Behörde von der beabsichtigten Entlassung des Bf aus der Strafhaft informiert wurde, so ist jedoch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass iSd § 76 Abs. 3 FPG ein Ermittlungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Dass ein solches unterlassen wurde, ist per se geeignet, die in Rede stehende Maßnahme mit Rechtswidrigkeit zu belegen.

 

3.5. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf, ein X Staatsangehöriger, illegal in Österreich aufhältig und dass gegen ihn die Abschiebung geplant ist.

 

Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall stütze die belangte Behörde die Annahme des Sicherungsbedarfs vor allem darauf, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen sei, obwohl gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Der Beschwerde folgend ist festzuhalten, dass sich der Bf offensichtlich bei Erlassung des Aufenthaltsverbots in Strafhaft befand, weshalb ihm die Ausreiseunwilligkeit hier nicht negativ angelastet werden kann. In eher allgemeiner Weise bejahte die belangte Behörde das Vorliegen des Sicherungsbedarfes, wobei sie konkrete Hinweise darauf, dass sich der Bf den fremdenpolizeilichen Verfahren bzw. Maßnahmen entziehen werde, schuldig blieb. Es kann also aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates keinesfalls zwingend davon ausgegangen werden, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen - den behördlichen Maßnahmen durch Untertauchen in die Illegalität entziehen werde.

 

Gleichgehend schloss die belangte Behörde gelinderer Mittel pauschal aus, was ebenfalls schwer nachvollziehbar scheint.

 

3.6. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft müsste zudem auch verhältnismäßig sein. Dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit ist das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber zu stellen.

 

Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, wurde die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Bf erst am 20. Juli 2010, somit erst 4 Tage nach In-Schubhaftnahme, beantragt.

 

Aus Rechtschutzinteressen kann es keinesfalls als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Erlangung eines Heimreisezertifikates für einen zuvor in Strafhaft angehaltenen Fremden erst nach In-Schubhaftnahme beantragt wird (vgl. VwSen-401017). Auch aus diesem Grund ist die Verhängung der Schubhaft und die darauf folgende Anhaltung als rechtswidrig – weil nicht verhältnismäßig – anzusehen.

 

3.8. Es war also aufgrund oa. Darlegungen die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit 16. Juli 2010 - aber auch hinsichtlich der Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung - für rechtswidrig zu erklären und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Mangels entsprechenden Antrags von Seiten des Bf hatte eine Entscheidung über die Kosten zu entfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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