Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222435/2/Kl/Hu

Linz, 16.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6. Juli 2010, BZ-Pol-10029-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6. Juli 2010, BZ-Pol-10029-2010, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 300 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 iVm §§ 1, 5, 94 Z26 und 339 Gewerbeordnung 1994 verhängt, weil er zumindest am 19.01.2010, um 15.00 Uhr, am Standort x, durch die Bereitstellung von ca. 20 Sitzplätzen (1. Gastraum mit Theke) und das Anbieten von verschiedenen Getränken (z.B. "x"-Bier, "x"-Bier und "x"-Bier, sowie mehrere Flaschen Spirituosen im Thekenbereich) das reglementierte Gewerbe "Gastgewerbe" gewerbsmäßig (selbstständig, regelmäßig und in der Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen) ausgeübt hat, ohne im Besitz einer gewerberechtlichen Bewilligung zu sein.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die ersatzlose Aufhebung der Strafverfügung (gemeint wohl Straferkenntnis) beantragt, weil kein Gastgewerbe vorliege, sondern ein Handelsgewerbe. Es sei ein Handelsgewerbeschein vorhanden. Vom erhebenden Organ sei nicht festgestellt worden, dass Getränke offen verkauft worden seien. Es gebe auch keine Preisliste für offene Getränke. Die Kunden können die Getränke nur in geschlossenen Gefäßen vom Getränkeautomaten kaufen. Im Besitz des Bw befinden sich nur Automaten, aus welchen Getränke in verschlossenen Gefäßen gekauft werden können. Die Vielzahl von festgestellten Gläsern reiche oft nicht für das eigene Personal. Für die kostenlose Konsumation von Getränken durch die Mitarbeiter sei keine Gastgewerbekonzession erforderlich. Die Sitzplätze seien speziell für das Wettbüro.

 

3. Die Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Es wurde eine Stellungnahme abgegeben und die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragt.

 

Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

 

Gemäß § 1 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbstständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes enthält der Straftatbestand des § 366 Abs.1 Z1 GewO ua. das Tatbestandsmerkmal, dass jemand "ein Gewerbe ausübt". Zur Verwirklichung des genannten Tatbestandes genügt es jedoch nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten ist, sondern es müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit im Sinn des § 1 Abs.2 GewO 1994 vorliegen. Darüber hinaus ist im Spruch des Straferkenntnisses jenes Gewerbe, dessen Ausübung angelastet wird, durch wörtliche Anführungen zu bezeichnen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass beim Tatvorwurf der unbefugten Ausübung des Gastgewerbes dem im § 44a Z1 VStG normierten Konkretisierungsgebot durch Anführung der Betriebsart ausreichend entsprochen wird.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

Es fehlt dem Spruch die Anführung der Betriebsart, sodass schon aus dieser Sicht eine nicht ausreichende Konkretisierung im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass das "Bereitstellen von ca. 20 Sitzplätzen" und das "Anbieten von verschiedenen Getränken" nicht eine typische Tätigkeit des Gastgewerbes darstellt, sondern im Sinn des Wortlautes des § 111 GewO 1994 das Verabreichen von Speisen und der Ausschank von Getränken. Das bloße Anbieten von Getränken bzw. überhaupt Bereithalten von Sitzplätzen stellt keine Tätigkeit im Sinne des Gastgewerbes dar. Hinsichtlich des Anbietens von Getränken führt daher der Berufungswerber zu Recht aus, dass dies der Gewerbeberechtigung des Handelsgewerbes unterliegt, wofür aber eine aufrechte Gewerbeberechtigung vorliegt. Darüber hinaus ist aber auch anzuführen, dass die Tätigkeit allein noch nicht die Ausübung des Gastgewerbes ausmacht, sondern diese Tätigkeit gewerbsmäßig im Sinn von selbstständig, regelmäßig und in Gewinnerzielungsabsicht, erfolgen muss. Allein die Anführung der verba legalia reicht nicht aus, sondern es ist im Sinn der erforderlichen Tatkonkretisierung nach § 44a Z1 VStG auch eine Umschreibung der konkreten Tatumstände, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Selbstständigkeit, Regelmäßigkeit und Ertragsabsicht darstellen, näher auszuführen.

 

Weil aber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist weder in der Strafverfügung vom 1.2.2010 als erster Verfolgungshandlung noch im nunmehrigen Straferkenntnis eine entsprechende Tatkonkretisierung bzw. ein entsprechend konkretisierter Tatvorwurf dem Berufungswerber gemacht wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung:

Tatkonkretisierung

 

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