Linz, 23.09.2010
E R K E N N T N I S
I. Die Berufung wird im Schuldspruch, wie auch hinsichtlich der ausgesprochenen Geldstrafen in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. Zu Punkt 3.) wird jedoch die Ersatzfreiheitsstrafe auf 40 Stunden ermäßigt.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren in den Punkten 1.) und 2.) insgesamt € 32,-- auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe). Im Punkt 3.) entfällt für das Berufungsverfahren der Verfahrenkostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: § 64 Abs.1 u. 2 u. § 65 (zu Pkt. 3.) VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses hat die Behörde erster Instanz erwogen:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz 500 Euro nicht übersteigender Geldstrafen in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Der Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht teil, die Behörde erster Instanz entschuldigte sich für die Nichtteilnahme mit Schreiben vom 14.9.2010.
Wie im Zuge der Überprüfung der Zustellung über fernmündliche Kontaktaufnahme mit dem Berufungswerber in Erfahrung gebracht werden konnte, hatte er sich angeblich den Verhandlungstermin irrtümlich für 23.9.2010 vorgemerkt gehabt.
Anlässlich der Berufungsverhandlung wurden als Zeuginnen X und X einvernommen.
4. Erwiesener Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte zur oben angeführten Zeit und Örtlichkeit seinen Pkw der Marke Porsche/987-Boxster. Dabei lief er mit hoher Geschwindigkeitsdifferenz auf die am linken Fahrstreifen mit etwa 130 km/h fahrende Zeugin X auf. Dabei verkürzte er in der Folge für eine Zeitdauer von etwa einer Minute den Abstand so weit, dass die Zeugin keine Scheinwerfer sondern nur mehr die Frontscheibe seines Fahrzeuges sehen konnte.
Daraus kann ein Sicherheitsabstand im Bereich von maximal zehn bis fünfzehn Meter schlussgefolgert werden, was einer zeitlichen Dimension von maximal 0,3 Sekunden entspricht.
In dieser Phase herrschte laut Zeugen auch am rechten Fahrstreifen starker Verkehr, welcher zum Teil aus deutlich langsamer fahrenden Lkw´s bestand.
Der Berufungswerber gab dabei mehrfach optische Lichtsignale ab um dadurch offenbar die Zeugin zum Umspuren zu bringen. Schließlich überholte er deren Pkw unter Ausnützung einer Verkehrslücke rechts und zwängte sich knapp vor ihr wieder in den linken Fahrstreifen. Durch das knappe „Hineinschneiden“ in ihre Fahrspur wurde die Zeugin X zum Abbremsen ihres Pkw´s veranlasst.
Während der Vorbeifahrt zeigte er, wie die als Beifahrerin im Fahrzeug mitfahrende Zeugin X dies in Bestätigung der vorherigen Darstellung von Frau X darlegte, den gestreckten Mittelfinger.
In weiterer Folge fuhr er auch dem Vorderfahrzeug wieder sehr knapp auf und überholte auch dieses wiederum rechts. Diese Überholvorgänge wurden vom Berufungswerber noch mehrmals fortgesetzt.
Dies war schließlich Anlass, dass über Ersuchen der Lenkerin X die Beifahrerin X via Mobiltelefon die Polizei über dieses als rücksichtslos und gefährlich empfundene Fahrverhalten verständigte. Ein ebenfalls von diesem Fahrverhalten betroffener Lenker, der wie die Anzeigerin in Regau von der Autobahn abfuhr, übergab der Anzeigerin, die ihm durch Anblinken ein Anhalten signalisierte, seine Daten, sodass auch dieser im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens am 8.6.2010 zeugenschaftlich einvernommen werden konnte.
Auch von diesem Zeugen wird das sehr knappe Auffahren und Rechtsüberholen, wie auch von der Zeugin X und X im Rahmen der Berufungsverhandlung, inhaltsgleich bestätigt.
Die im Rahmen der Berufungsverhandlung gehörten Zeugen machten einen glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck. Sie schilderten den Vorfall inhaltsgleich, sodass kein Zweifel am gravierend regelwidrigen und wohl als rücksichtslos zu bezeichnenden Fahrverhalten des Berufungswerbers erblickt werden kann.
Dazu ist grundsätzlich zu bemerken, dass sich immerhin völlig spontan auch ein anderer Lenker sich mit Anzeigerin und deren Begleiterin über das grobe Fehlverhalten des ihnen völlig unbekannten Fahrzeuglenkers einig waren. Die Zeugen hätten sich wohl kaum zur Anzeige entschlossen und die Mühen des Verfahrens auf sich genommen, hätte es sich nicht um einen krassen Fall eines gemeinhin als aggressiv zu bezeichnendes Fahrverhalten gehandelt.
4.1. Im Gegensatz zu den glaubwürdigen Zeugenaussagen vermag demnach der Berufungswerber mit seiner nur schriftlich vorgetragenen Verantwortung nicht zu überzeugen. Wenn der Berufungswerber gleichsam den Spieß umzudrehen versucht und von einem plötzliches Umspuren der Anzeigerin spricht, bleibt ihm dies als Beschuldigter wohl unbenommen, wertet sich aber selbst. Warum hätte die Zeugin mit 130 km/h nach links umspuren sollen, wenn rechts der Verkehr deutlich langsamer unterwegs war. Schließlich setzte der Berufungswerber das „Kolonnenspringen“ am linken Fahrstreifen abermals am Fahrzeug des X und weiteren Fahrzeugen fort. Das ihm auch dieser vor der Anzeigerin fahrende Lenker plötzlich in seine (linke) Fahrspur gewechselt hätte, behauptet der Berufungswerber nicht einmal selbst. Den unter Wahrheitspflicht stehenden Zeuginnen war daher in deren glaubwürdigen und schlüssig nachvollziehbaren Darstellungen des Vorfalls Glaube zu schenken.
Der Verantwortung des Berufungswerbers war dem gegenüber nicht zu folgen. Zuletzt nahm der Berufungswerber an der Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht teil, sodass er seine Verantwortung nicht einer unmittelbaren Würdigung zugänglich machte.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
Zu 1.:
Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 130 km/h ein Abstand von maximal fünfzehn Meter nur einer Wegzeit von ca. 0,3 Sekunden entspricht.
Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Situation wohl zwingend zu einem Auffahrunfall, weil selbst bei der geringsten Reaktionszeit von einer halben Sekunde auf ein solches Manöver nicht mehr rechtzeitig und wirkungsvoll reagiert werden könnte (vgl. VwGH 30.9.1999, 98/02/0443). In Deutschland haben beispielsweise solche Verhaltensmuster durchaus auch strafrechtliche Relevanz[1].
Zu 2.:
Nach § 15 Abs.1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges – von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen - nur links überholen. Hier ist gesichert vom mehrfachen Kolonnenspringen vom rechten in den linken Fahrstreifen, dessen Verkehr sich etwa mit einer auf Autobahnen erlaubten Höchstgeschwindigkeit mit etwa 130 km/h bewegte, auszugehen.
Die Behörde erster Instanz ist hier offenbar – zu Gunsten des Berufungswerbers – von nur einem, auf einen einheitlichen Tatwillen basierenden, sogenannten fortgesetzten Delikt, ausgegangen.
Warum sie jedoch hierfür, wie auch betreffend das als zumindest abstrakt sehr gefährlich zu bezeichnende sehr knappe Auffahren, lediglich eine Strafe von 80 Euro verhängte, darf an dieser Stelle durchaus gegenüber der üblichen Strafpraxis – welche etwa Geschwindigkeitsdelikte ohne jegliche konkrete Gefährdungskomponente mit deutlich höheren Strafen ahndet – zumindest als bemerkenswert hervorgehoben werden.
Zu 3.:
Der Lenker eines Fahrzeuges darf laut § 11 Abs.1 StVO die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.
Umso mehr gilt dies, wenn durch das knappe Umspuren eine Bremsung des überholten Fahrzeuges erzwungen wird, gleichgültig ob sich der Berufungswerber davon nicht überzeugte, oder diese Behinderung und Bremsung durch sein Fahrverhalten entweder bewusst oder billigend in Kauf nehmend vorsätzlich herbeigeführt haben mag.
6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Betreffend die insbesondere das Fehlverhalten § 18 Abs.1 StVO betreffende Strafzumessung muss wohl gesagt werden, dass angesichts des besonders hohen abstrakten Gefährdungspotenzials und der hinter diesem Verhalten zu erblickenden fehlenden Neigung zu einem verkehrsangepassten Fahrverhalten, die Festsetzung einer deutlich höheren Geldstrafe durchaus geboten gewesen wäre. Beim Berufungswerber hätte ferner von einem gut durchschnittlichen Einkommen ausgegangen werden müssen, sodass angesichts des Tatunwertes und der Tatschuld die Geldstrafe als unverhältnismäßig gering bemessen festzustellen ist. Als der Tatschuld angemessen ist die Geldstrafe hier nur im Punkt 3.) anzusehen, wobei jedoch unerfindlich ist, dass just dort die Ersatzfreiheitsstrafe mit 48 Stunden zu 36 Stunden für € 80,-- überproportional hoch festgesetzt wurde. Dies war mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot in eine entsprechende Relation zu setzen. Die Kosten für das Berufungsverfahren hatten daher in diesem Punkt zu entfallen.
Abschließend darf beispielhaft auf ein betreffend das Drängeln in Deutschland herrschende Rechtsprechung verwiesen werden (Bundesverfassungsgericht 29. März 2007 – 2 BvR 932/06).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
[1] ….Ein Fahrzeugführer auf der linken Spur der Autobahn dem vorausfahrenden Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 100-120 km/h bis auf 4 Meter genähert. Zudem betätigte er sein Abblendlicht, sog. Lichthupe. Dem vorderen Fahrzeugführer war jedoch ein sofortiger Wechsel auf die rechte Spur nicht möglich, sodass sich das dichte Auffahren über eine Strecke von 2 km hinzog. Daraufhin wurde der auffahrende Fahrzeugführer wegen versuchter Nötigung vom AG Hagen verurteilt. Gemäß § 240 StGB begeht derjenige eine Nötigung wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Darunter fällt auch die Nötigung im Straßenverkehr (OLG Hamm, 3 Ss 50/07)