Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165418/2/Bi/Kr

Linz, 30.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom
2. September 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 23. August 2010, VerkR96-3590-2010,  wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 50 Euro (21 Stunden EFS) verhängt, weil er am 4. März 2010 um 16.08 Uhr im Gemeindegebiet von Meggenhofen, Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, auf der Innkreisautobahn A8 im Bereich der Messstrecke der Section Control zwischen den Strkm 21.292 und Strkm 28.223  in Fahrtrichtung Passau als Lenker des Kraftfahrzeuges Audi, Kz. X, die in diesem Baustellenbereich verfügte und durch Vorschriftszeichen kundge­machte Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) von 80 km/h wesentlich (durchschnittlich um 20 km/h nach Abzug der Verkehrsfehler­grenze) überschritten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 5 Euro auferlegt.


 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvor­entschei­dung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er bleibe bei seiner Meinung, dass das Nichtzulassen von Rechtsmitteln – über das von ihm gegen die Anonym­ver­fügung eingebrachte sei bislang noch nicht entschieden worden – gegen europäisches Recht verstoße. Es müsse gegen jede Verwaltungsentscheidung  die Möglichkeit eines Rechtsmittels und einer unabhängigen richterlichen Über­prüfung geben. Die Erstinstanz vertrete eine andere Rechtsauffassung. Ein unabhängiges Gericht müsse nachprüfen können, ob die Geschwindigkeits­messung in Ordnung sei. Seiner Ansicht nach sei auch diese mit Fehlern behaftet und müsse ihm der Gerätehersteller und die Durchführungsbestimmungen mitgeteilt werden. Da sich das Straferkenntnis gegen ihm als Fahrzeugführer richte, ersuche er um einen Nachweis, dass er persönlich am Steuer gesessen sei. Ansonsten sei der Vorwurf nicht aufrechtzuerhalten und werde auch die Bundesrepublik Deutschland keine "Beitreibung" führen. Vorsorglich lege er gegen alle zukünftigen diese Angelegenheit betreffenden Verwaltungsakte Berufung ein, die Begründung werde dann jeweils folgen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Der auf den Bw zugelassene Pkw wurde in den genannten Fällen im Bereich einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h von einer geeichten Geschwindig­keits­mess­anlage, die die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer bestimmten – der im Spruch genannten – Wegstrecke ermittelt, um durchschnittlich 20 km/h zu schnell gemessen. Eine Anhaltung laut Anzeige erfolgte nicht.

Der Bw hat das Auskunftsersuchen gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 der Erstinstanz vom 2. August 2010 nicht angenommen – laut Vermerk der deutschen Post wurde die Annahme verweigert.

Bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung hat der Bw einen Nachweis der von der Erstinstanz angenommenen Lenkereigenschaft verlangt.


 

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtene Straferkenntnisses im Wege der Beweiswürdigung "in freier Beweis­würdigung" unter Hinweis auf  Judikatur des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes angenommen, der Bw habe das Fahrzeug zur Übertretungszeit selbst gelenkt, weil er die Annahme der Lenkeranfrage, die ihm samt den Lichtbildern und Datenauswertung der Geschwindigkeits­feststellung übermittelt worden sei, verweigert habe. Daraus sei der Schluss abzuleiten, der Bw sei selbst der Lenker des auf ihn zugelassenen Pkw gewesen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist Tatsache, dass ein Lenker objektiv nicht feststeht und der Bw zwar nach österreichischen Rechtsvorschriften gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 zu einer Auskunftserteilung (mit allen Konse­quen­zen) verpflichtet ist, nicht aber nach deutscher Rechts­ordnung, weshalb derartige Strafen in Deutschland nicht vollstreckt werden. Da sich aus dem Akt ersehen lässt, dass das Schreiben der Erstinstanz vom
2. August 2010 vom Bw nicht geöffnet sondern sofort die Annahme verweigert wurde, war ihm dessen Inhalt naturgemäß nicht bekannt. Die Verweigerung der Annahme einer von einer österreichischen Behörde eingeschrieben abgesandten Briefsendung ist aber sehr wohl als Nichtmitwirkung anzusehen.

 

Allerdings vertritt der UVS die Rechtsauffassung, dass der von der Erstinstanz allein daraus gezogene Schluss, nur der Bw selbst könne den auf ihn zuge­lassenen Pkw gelenkt haben, etwas weit hergeholt ist und im Beweisverfahren keine Deckung findet. Die beiden Fotos zeigen lediglich jeweils das Heck des Pkw X mit ver­schiedenen Zeitangaben, nämlich beim Einfahren und beim Verlassen der Section Control-Strecke, von schräg oben, lassen aber einen Schluss auf den Lenker nicht zu.

In einem ähnlich gelagerten Fall (Krumpholz gegen Österreich) hat der EGMR mit Urteil vom 18. März 2010, Appl.13201/05, eine Verletzung der Unschulds­vermutung im Sinne des Art 6 Abs.1 und 2 EMRK erblickt, weil die Beweislast hinsichtlich der Identität des Lenkers von der Anklage auf die Verteidigung verlagert worden sei. Das österreichische Recht enthalte keinerlei Vermutung, dass der eingetragene Halter eines Kraftfahrzeuges mangels Beweises des Gegenteils als Lenker anzusehen sei.

 

Seitens des UVS ist festzuhalten, dass die anklagende Behörde dem Täter die Erfüllung des objektiven Tat­be­standes zu beweisen hat, nicht aber der Täter, dass er die Tat nicht begangen hat. Eine Beweisführung diesbezüglich ist jedoch bei der ggst Konstellation, nämlich ohne konkrete Lenkerfeststellung durch ein entsprechend aussagekräftiges Foto oder eine Anhaltung an Ort und Stelle, nicht möglich, weil der Bw als Täter in objektiver Hinsicht nicht zu verifizieren ist – was sich auch bei einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nicht ändern würde, sodass eine solche entfallen konnte.   

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrens­kosten­beiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Wie VwSen-165335, 165336, 165337, 165332, uva.

 

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