Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165120/13/Bi/Kr

Linz, 29.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 18. Mai 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Linz-Land vom
5. Mai 2010, VerkR96-19426-2009, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 28. September 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entschei­dung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (72 Stunden EFS) verhängt, weil er am
2. Februar 2009, 7.30 Uhr, im Ortsgebiet von Schärding, Linzer Straße 55, Verlade­rampenzufahrt Eurospar, mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursäch­lichem Zusammenhang gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro auferlegt.


 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am
28. September 2010 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, des Zeugen X (H) und des kfztechnischen Amtssachverständigen X (SV) durchgeführt. Die Ver­tre­terin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe von einem Unfall nichts bemerkt. Er sei zwar knapp an das Fahrzeug herangefahren, habe aber bei einer Kontrolle am stark verschmutzten Fahrzeug keinen Schaden feststellen können.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, insbesondere die der Anzeige beigelegte Fotobeilage, in der beide Fahrzeuge von hinten zu sehen sind. Beim vom Bw gelenkten Lkw wurden auch die Abstände der Rollen der Stützen der Ladebord­wand und deren Höhe ausgemessen und vermerkt. Auf dem Heck des Mercedes Sprinter ist eine händisch geschriebene Telefonnummer im Schmutz zu lesen.

Am 28. September 2010 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, der Zeuge H unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen und auf dieser Grundlage ein kfztechnisches SV-Gutachten zum Zustandekommen des Verkehrsunfalls mit Sachschaden und zur Wahrnehmbarkeit des Schadens erstellt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 2. Februar 2009 gegen 7.30 Uhr den Lkw der Fa X, mit dem Kennzeichen X in Schärding zur Fa x, um dort Ware auszuladen. Die Verladerampe ist dort durch einen damals noch unbeleuchteten Tunnel zu erreichen, der gerade so breit ist, dass der Lkw und, wenn dieser etwas seitlich steht, daneben ein Pkw hineinpasst. Die Tunnel­einfahrt verläuft zur Laderampe hin etwas abschüssig und hat den Sinn, dass witterungsunabhängig der Verladevorgang durchgeführt werden kann.

Zur gleichen Zeit hatte der Zeuge H den von ihm gelenkten Lkw der Fa. X, einen Mercedes Sprinter mit dem Kennzeichen X, vor der dortigen Laderampe abgestellt und kontrollierte die Tore.

Als der Bw zur Verladerampe zufuhr, sah er den Mercedes Sprinter dort stehen und beabsichtigte, dessen Lenker zu ersuchen, wegzufahren um ausladen zu können. Dazu musste er durch den Tunnel und, um sich den 25 bis 30 m langen Fußweg zu sparen, fuhr er im Rückwärtsgang durch den Tunnel auf den Mercedes zu. Der von ihm gelenkte Lkw besitzt weder Rückfahrsensoren noch eine Kamera, um das Geschehen hinter dem Lkw beobachten zu können, dh der Bw war auf sein Gefühl und seine Einschätzung des Abstandes angewiesen. Auf dem Lkw war außerdem ein Kühlaggregat angebracht, das ständig lief und ein Dauer-Umgebungsgeräusch verursachte. Der Zeuge H war im Gebäude und auch sonst niemand anwesend. Der Bw lenkte nach Gefühl den Lkw im Rückwärtsgang auf den Mercedes zu und, als er den Eindruck hatte, jetzt würde es knapp, fuhr er ein kurzes Stück nach vorne, blieb stehen, stieg aus und kontrollierte die Heckwand des Mercedes auf einen eventuellen Schaden, konnte aber nach eigenen Aussagen keinen solchen entdecken.

Der Bw räumte in der Verhandlung ein, der Tunnel sei damals noch nicht beleuch­tet gewesen und auch der Mercedes sei unbeleuchtet gewesen. Die Sicht­verhältnisse seien als schlecht anzusehen und der Mercedes außerdem stark verschmutzt gewesen. Er habe einen Schaden nicht gesehen und deshalb habe er, als er den Fahrer dann gefunden habe, nichts von dem Vorfall erwähnt. Dieser habe sich auch gleich bereiterklärt, wegzufahren. Der Zeuge H führte in der Verhandlung aus, er sei mit seiner Arbeit bereits fertig gewesen und habe die Werkzeugtasche vorne hineingestellt. Dann fuhren beide, der Bw im Vorwärts­gang und der Zeuge H im Rückwärtsgang, aus den Tunnel hinaus. Der Zeuge H fuhr gleich weiter zum nächsten Kunden nach Linz. Als er dort hinten die Leiter herausholen wollte, fiel ihm der Schaden auf und, da dieser vorher noch nicht da war und auf der Fahrt von Schärding nach Linz nicht entstanden sein konnte, vermutete er den Bw als Verursacher und veranlasste die Polizei in Schärding telefonisch zur Ausforschung.

 

Der SV hat auf der Grundlage der Aussagen in der Verhandlung und der Fotos beider Fahrzeuge gutachterlich ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Schäden an der Rückseite des Mercedes Sprinter durch die Stützen der Ladebordwand an der Rückseite des vom Bw gelenkten Lkw verursacht wurden.

Die Wahrnehmbarkeit des Anstoßes akustisch oder als spürbaren Anstoßruck hat der SV wegen der Masseverhältnisse der beiden Fahrzeuge und des Umgebungs­geräusches des Kühlaggregats ausgeschlossen. Zur optischen Wahrnehmbarkeit hat die Verhandlung ergeben, dass der Bw keinen Rückfahrsensor und keine Rückfahrkamera zur Verfügung hatte, wobei aufgrund der Beschädigungen des Mercedes Sprinter auch zu sagen ist, dass der Anstoß fast mittig erfolgte und der Bw dort nicht hinzusehen in der Lage ist. Der Bw hätte demnach nur die Möglichkeit gehabt, sich eines Einweisers zu bedienen – zu dieser Zeit war dort niemand in der Nähe – oder auszusteigen und den Abstand durch direktes Nachsehen zu prüfen oder "nach Gefühl" zurückzufahren, was der Bw nach eigenen Angaben gemacht hat. Die Berührung erfolgte nach dem Schadensbild nur ganz leicht, allerdings drückten die am Lkw angebrachten Rollen an den Stützen der Ladebordwand genau in die "Weichteile" des Mercedes und führten dort beidseitig zu annähernd symmetrischen Eindellungen ohne jegliche Lack­absplitterungen oder Farbabrieben.

Nach den schlüssigen Ausführungen des SV musste dieser Umstand dem Bw bei den im Tunnel gegebenen Lichtverhältnissen nicht unbedingt auf den ersten Blick auf­fallen, zumal der Lkw nachweislich stark verschmutzt war – auf den Fotos ist ersicht­lich, dass eine händisch in den Schmutz geschriebene Telefonnummer einwand­frei lesbar ist. Damit ist durchaus nachvollziehbar, dass der Bw auf den ersten Blick die fast symmetrischen Verformungen unter diesen Umständen durchaus als "zum Fahrzeug gehörig" einstufte und deshalb nichts davon dem Zeugen H gegenüber erwähnte. Der Zeuge setzte nach dem Ausfahren aus dem Tunnel die Fahrt zum nächsten Kunden fort.

In rechtlicher Hinsicht war daher davon auszugehen, dass der Bw, der aufgrund seines Eindrucks beim Rückwärtsfahren, es könnte "knapp" gewesen sein, den Mercedes hinten auf einen eventuellen Schaden kontrollierte, den objektiv vorhandenen Schaden aber in subjektiver Hinsicht nicht unbedingt als einen solchen erkennen musste. Damit ist ihm auch Fahrlässigkeit nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachzuweisen, wes­halb im Zweifel zu seinen Gunsten spruchgemäß zu entscheiden war. Verfahrenskostenbeiträge fallen dabei naturgemäß nicht an.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Verformungen der LKW-Heckwand symmetrisch ohne Lackabsplitterung, konnten als "zum LKW gehörig" angesehen werden – Fahrlässigkeit nicht eindeutig erweisbar -> Einstellung

 

 

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