Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252503/2/SR/Mu/Sta

Linz, 29.09.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 28. Mai 2010, GZ SV-3/10, wegen zwei Übertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009, i.V.m. §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 28. Mai 2010, GZ SV-3/10, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

„Sie haben es als verantwortlicher Beschäftiger und somit Dienstgeber zu vertreten, dass

     1.  Sie Hrn. x, geb. am x, zumindest in der Zeit vom 31.3.2009 bis zum 3.4.2009, in x, auf der Baustelle „x“ als Dienstnehmer mit Fassadenarbeiten beschäftigten, ohne dass dieser Dienstnehmer vor Arbeitsantritt von Ihnen als verantwortlichem Dienst­geber beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Hrn. x lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Hr. x arbeitete gemäß Ihren Anweisungen und auf Ihre Rechnung. Er war somit Ihr Dienstnehmer. Da die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar.

     2.  Sie Hrn. x, geb. am x, zumindest in der Zeit vom 31.3.2009 bis zum 3.4.2009, in x, auf der Baustelle „x“ als Dienstnehmer mit Fassadenarbeiten beschäftigten, ohne dass dieser Dienst­nehmer vor Arbeitsantritt von Ihnen als verantwortlichem Dienstgeber beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Hrn. x lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Hr. x arbeitete gemäß Ihren Anweisungen und auf Ihre Rechnung. Er war somit Ihr Dienstnehmer. Da die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten vor Arbeits­antritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes (ASVG) dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1. und ad 2.

§ 33 (1) i.V.m. §§ 111 (1) und (2) ASVG, BGBl. 189/1955 i.d.g.F.

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bw zwei Geldstrafen in Höhe von je 750 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 96 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 150 Euro (10% der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

In der Begründung führte die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die dem Bw im Spruch angelastete Tat durch die Anzeige des Finanzamtes Steyr sowie mit Aufforderung zur Rechtfertigung des Magistrates Linz als Verwaltungs­strafverfahren eingeleitet worden sei. In der Folge sei der gegenständliche Akt an den Magistrat der Stadt Steyr abgetreten worden.

 

Da der Bw auf die Aufforderung zur Rechtfertigung nicht reagiert habe, sei das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt worden.


Beim gegenständlichen Tatbestand sei die erkennende Behörde davon ausgegangen, dass der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund den Erhebungen der Bundespolizeidirektion Steyr und der Anzeige des Finanzamtes Steyr erwiesen sei.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass der Bw als Dienstgeber die angelastete Verwaltungsüber­tretung zu verantworten habe und der gegenständliche Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamkeitsdelikt gehandelt habe.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

2. Gegen dieses dem Bw am 7. Juni 2010 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. Juni 2010 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte Berufung.

 

Darin bringt der Bw vor, dass er die beiden namentlich genannten Arbeiter nicht beschäftigen habe können, weil er zum einen aufgrund der kalten Wetter­bedingungen nicht mit dem Vollwärmeschutz beginnen habe können und zum anderen wegen einer noch offenen Vorstrafe den Gewerbeschein nicht bekommen habe. Die polizeiliche Kontrolle auf der Baustelle habe nur deshalb stattgefunden, weil glaublich sein Bruder ihm angezeigt habe, da dieser vermutet habe, dass er dessen Schneidemaschine gestohlen habe. Er sehe daher die erhaltene Strafe nicht ein.

 

Es wird daher – erschließbar –  die Aufhebung des angefochtenen Straferkennt­nisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Magistrat der Stadt Steyr hat mit Vorlageschreiben vom 16. Juni 2010 die Berufung des Bw dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Ober­österreich unter Anschluss des von ihr geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den Akt des Magistrates der Stadt Steyr, GZ SV-3/10; da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (in der Folge: VStG) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-,
Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert, wenn nicht bestimmte
Ausnahmen von dieser Vollversicherungspflicht bestehen.

 

Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Unterlassung dieser Meldung ist gemäß § 111 ASVG strafbar.

 

Nach § 33 Abs. 2 gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 111 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) entgegen den Vorschriften des ASVG u.a. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Eine derartige Ordnungswidrigkeit ist von der Bezirksverwaltungs­behörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro (bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen), sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 VStG kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln die Geldstrafe bis zu 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

 

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügungen u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Gemäß § 111 Abs. 3 ASVG beträgt die Verjährungsfrist bei Verwaltungsüber­tretungen nach Abs. 2 ein Jahr.

 

4.2. Nach ständiger Judikatur stellt die Übermittlung einer Aufforderung zur Rechtfertigung, in der alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthalten sind,  eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar. Eine derartige Verfolgungshandlung muss jedoch gemäß § 44a VStG eine bestimmte Verwal­tungsübertretung zum Gegenstand haben und sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen.

 

4.2.1. Im gegenständlichen Fall enthielt die mit 30. Oktober 2009 datierte Aufforderung zur Rechtfertigung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, GZ 0048704/209, welche dem Bw am 4. November 2009 durch Hinterlegung zugestellt wurde, als konkreten Tatvorwurf, dass der Bw als Dienstgeber in der Zeit von 31. März 2009 bis 3. April 2009 zwei Dienstnehmer als Fassadenarbeiter auf einer Baustelle in Steyr in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt habe, ohne diese nach dem ASVG in der Kranken­versicherung pflichtversicherten (vollversicherten) Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet zu haben.

 

In der Folge hat der Magistrat der Landeshauptstadt Linz mit Schreiben vom 7. Jänner 2010, GZ 0048704/2009, den Verfahrensakt nach § 27 VStG unter Hinweis auf § 111 Abs. 5 ASVG an den Magistrat der Stadt Steyr abgetreten, da sich der Betriebssitz des Bw in Steyr befindet. In diesem Schriftsatz wurde weiters darauf hingewiesen, dass aufgrund der Judikatur des Oö. Verwal­tungssenates die Tatbestandsmerkmale – inwieweit eine Dienstgebereigenschaft besteht, ob bzw. inwieweit tatsächlich eine Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlag und, ob die Höhe des Entgelts über der sogenannten Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG vorlag – aus dem Spruch hervorgehen müssen. Daher wurde auch angeregt, sollten diese Tat­bestandsmerkmale in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch nicht konkre­tisiert worden sein, im Straferkenntnis innerhalb der offenen Verfolgungs­verjährungsfrist von einem Jahr zu ergänzen.

 

4.2.2. Aus dem Zusammenhalt zwischen § 111 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 ASVG ergibt sich, dass die Entgeltlichkeit ein essentielles Tatbestandsmerkmal der Übertretung des § 111 Abs. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG darstellt (vgl. schon VwSen-252281 vom 11. November 2009 sowie VwSen-252190 vom 9. März 2010). Dieses wurde aber in der Aufforderung zur Rechtfertigung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. Oktober 2009, GZ 0048704/2009, – der einzigen innerhalb der Verjährungsfrist des § 111 Abs. 3 ASVG gesetzten Verfolgungshandlung – nicht konkretisiert. Unabhängig davon, dass eine außerhalb der Verjährungsfrist vorgenommene rechtskonforme Anlastung am Ergebnis nichts mehr geändert hätte, wurde dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ohne näherer Konkretisierung lediglich angelastet, dass der Monatslohn der Beschäftigten über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 ASVG lag.

 

Dem Bw wurde somit im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

 

4.2.3. Schon allein aus diesem Grund war der Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 ASVG Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren mangels einer tauglichen Tatanlastung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigen Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

 

Rechtssatz:

VwSen-252503/2/Sr/Mu/Sta vom 27. September 2010:

wie VwSen-252281 vom 11. November 2009 und VwSen-252190 vom 9. März 2009 sowie VwSen-252574/2/Gf/Mu vom 14. September 2010

 

 

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