Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165317/4/Bi/Th

Linz, 09.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 9. August 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Gmunden vom 30. Juli 2010, VerkR96-2106-2010, wegen Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 102 Abs.8a iVm 134 Abs.1 KFG 1967 und 2) §§ 102 Abs.5 lit.c iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 200 Euro (90 Stunden EFS) und 2) 40 Euro (18 Stunden EFS) verhängt, weil er

1) sich als Lenker des Pkw X, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt habe, das das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen habe, da am 12. Februar 2010 um 9.30 Uhr in der Gemeinde Neufelden, B127, Kreuzung Zufahrt HTL Neufelden bei km 34.250, festgestellt worden sei, dass trotz winterlicher Fahrbahnverhältnisse am Fahrzeug der Klasse M1 nicht auf allen Rädern Winter­reifen angebracht gewesen seien, obwohl der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse M1 oder N1 während des Zeitraumes von 1. November bis 15. April bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen wie insbesondere Schneefahrbahn, Schnee­matsch oder Eis ein solches Fahrzeug nur in Betrieb nehmen dürfe, wenn an allen Rädern Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) oder, wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schnee- oder Eisschicht bedeckt ist, Schneeketten auf mindes­tens 2 Antriebsrädern angebracht seien. Am Fahrzeug seien an allen Rädern als Sommerreifen zu qualifizierende Reifen montiert gewesen.

2) Er habe am 12. Februar 2010 um 9.30 Uhr in der Gemeinde Neufelden, B127, Kreuzung Zufahrt HTL Neufelden bei km 34.250, als Lenker keine Bescheinigung über Ziel und Zweck der Probefahrt mitgeführt bzw es unterlassen, trotz Ver­langens der Straßenaufsicht dieses Dokument zur Überprüfung auszuhändigen  

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 24 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, wie auch dem (vorgelegten) Polizei­bericht zu entnehmen sei, sei das geführte Fahrtenbuch nicht kontrolliert worden. Die Beamten hätten vor Ort nicht abklären können, ob Sommer- oder Allwetterreifen montiert gewesen seien. Die Weiterfahrt sei bis zur Montage gestattet worden, wo er den Anruf des Beamten erhalten habe, das seien Sommerreifen. Winterliche Verhältnisse seien es nicht gewesen. Ebenfalls vorgelegt wurde eine Kopie des Fahrtenbuchs.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung eines kfztechnischen Gutachtens durch den Amtssachverständigen X, Abteilung Verkehr des Amtes der Oö. Landesregierung.

 

Aus dem Verfahrensakt geht hervor, dass der Pkw mit dem Probefahrtkenn­zeichen X (Bewilligungsinhaber ist Herr X) am 12. Februar 2010 um 9.30 Uhr bei km 34.250 der B127 vom Meldungsleger GI X, PI X, angehalten und kontrolliert wurde. Laut Anzeige stellte dieser fest, dass trotz winterlicher Fahrbedingungen am Pkw vier Sommerreifen montiert gewesen seien. Der Lenker habe sich damit verantwortet, er habe aus dem Internet die Information, das seien Allwetterreifen. Er habe auch keine Probefahrtbescheinigung vorweisen können und sei der Meinung gewesen, er brauche als Chef keine solche. Laut Bericht des Ml vom 27. April 2010 sei dem Bw die Weiterfahrt grundsätzlich untersagt worden, da sich aber ca 400m vom Anhalteort entfernt ein Reifenhändler befunden habe und der Lenker ortskundig gewesen sei, sei die Fahrt dorthin gestattet und die Montage von Winterreifen kontrolliert worden. Im genannten Straßenabschnitt – Kreuzung B127 mit der Zufahrt zur HTL Neufelden – sei die Fahrbahn teilweise mit Schneematsch bedeckt und ansonsten salznass gewesen; teilweise habe Schneefall geherrscht. Bei der Kontrolle sei der Lenker nach dem Fahrtenbuch gefragt worden, habe aber darauf verwiesen, er brauche keines, weil er selbst der Chef sei; er habe auch keines ausgehändigt. Da größerer Augenmerk auf die Bereifung gelegt worden sei, sei dann nicht mehr weiter auf das Fahrtenbuch eingegangen worden. 

 

Der Bw hat mit seinem Einspruch gegen die Strafverfügung der BH Rohrbach eine Rechnung der X GmbH, Reifenhandel in X, vom 12. Februar 2010 vorgelegt über 4 Reifen "225/55 R16 XL Vred.". Am 21. April 2010 hat der Bw bei der Erstinstanz – das Verfahren wurde gemäß § 29a VStG abgetreten – ausgeführt, er sei als Chef des Gebrauchtwagenplatzes "X" in X nicht verpflichtet, eine andere Bestätigung als das ohnehin mitgeführte aber nicht kontrollierte Fahrtenbuch mitzuführen. Hätten tatsächlich winterliche Verhält­nisse geherrscht, hätten die Beamten das Fahrzeug abstellen müssen.

Daraufhin erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

In seinem Gutachten vom 7. September 2010, Verk-210002/302-2010-Hag, führt der kfztechnische Amtssachverständige aus, bei den Reifen handle es sich um solche des Fabrikats Vredestein Quatrac 3 mit der Dimension 225/55 R16. Das seien Ganzjahresreifen, die mit 2 Profilen, nämlich einem Sommerprofil außen liegend und einem Winterprofil innen liegend, ausgestattet seien. Laut Auskunft des Generalimporteurs sei der Reifen als Winterreifen zugelassen und an der Seiten­wand mit "M&S" gekennzeichnet. Der Reifen gelte gemäß den gesetzlichen Bestimmungen als "echter" Winterreifen, wenn er eine Mindest­profiltiefe von 4 mm aufweise. Darunter sei er als Sommerreifen einzustufen. Die Aufschrift "M&S" sei gemäß der EU-Reifenrichtlinie EWG 92/23 – Anhang II zur Bezeich­nung von Winterreifen zugelassen. Die gemäß § 4 Abs.4 Z4 KDV bei Radialreifen, der heute gängigen Reifenbauart, erforderliche Mindestprofiltiefen von 4 mm gelten für ca 75%  der Laufflächenbreite.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 102 Abs.8a 2. Absatz KFG 1967 darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse M1 oder N1 während des Zeitraumes von jeweils 1. November bis 15. April bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen wie insbesondere Schneefahr­bahn, Schneematsch oder Eis, dieses Fahrzeug nur in Betrieb nehmen, wenn an allen Rädern Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) oder, wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schnee- oder Eisschicht bedeckt ist, Schneeketten auf mindestens zwei Antriebsrädern angebracht sind.

 

Festzustellen ist, dass sich aus der Anzeige keine Hersteller- oder Fabrikats­bezeichnung der beanstandeten Reifen ersehen lässt, sodass davon ausgegangen wird, dass die Reifen laut der vom Bw vorgelegten Rechnung, nämlich solche des Herstellers Vredestein mit der Dimension 225/55 R16, montiert waren. Aus der Anzeige lässt sich auch keine Profiltiefe ersehen. Diese Reifen werden vom Hersteller ausdrücklich als "Allwetterreifen" bezeichnet und sind laut Auskunft des Generalimporteurs auf der Außenseite mit der Aufschrift "M&S" gekenn­zeichnet – auch dazu gibt die Anzeige nichts her. Gemäß dem SV-Gutachten gelten diese Reifen bei einer Mindestprofiltiefe von jedenfalls 4 mm auf ca 75% der Laufflächenbreite als "echte" Winterreifen.

Damit bildet die dem Bw zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung und war gemäß § 45 Abs.1 Z1 2.Alt. VStG spruchgemäß vorzugehen.       

 

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 102 Abs.5 lit.c KFG 1967 hat der Lenker bei Probefahrten den Probe­fahrt­schein (§ 45 Abs.4) und auf Freilandstraßen (§ 2 Abs.1 Z16 StVO 1960) und an Sonn- und Feiertagen die Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt (§ 45 Abs.6) auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffent­lichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Über­prü­fung auszuhändigen; bei Betrieben, die außerhalb des Ortsgebietes (§ 2 Abs.1 Z 15 StVO 1960) liegen, muss diese Bescheinigung nur an Sonn- und Feier­tagen mitgeführt werden ... .

 

In der Anzeige und im erstinstanzlichen Verfahren wurde dem Bw vorgeworfen, er habe keine Bestätigung über Ziel und Zweck der Probefahrt mitgeführt bzw ausgehändigt. Der Ml spricht in seinem Bericht aber vom Fahrtenbuch, nach dem bei der Kontrolle – dann aber wegen der Reifen doch nicht weiter – gefragt worden sei.  

 

Gemäß § 45 Abs.4 KFG ist dem Antragsteller über die Erteilung der Bewilligung gemäß Abs.1 eine Bescheinigung, der Probefahrtschein, auszustellen.

Gemäß § 45 Abs.6 1.Satz KFG 1967 hat der Besitzer einer Bewilligung zur Durch­führung von Probefahrten über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zuge­wiesenen Probefahrtkennzeichen einen Nachweis zu führen und darin vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie die Marke, die Type und die Fahrgestellnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen einzutragen. Der Nachweis ist drei Jahre gerechnet vom Tag der letzten Eintragung aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen.

Unter diesem "Nachweis" ist im Zusammenhalt mit den Ausführungen im Abs.6a das Probefahrtenbuch zu verstehen.

 

Gemäß § 45 Abs.6 3.Satz KFG hat der Besitzer der Bewilligung für Probefahrten auf Frei­land­straßen (§ 2 Abs.1 Z16 StVO 1960) und für Probefahrten an Sonn- und Feier­tagen für den Lenker eine Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt auszustellen (§ 102 Abs.5 lit.c); diese Bescheinigung unterliegt keiner Stempelgebühr. Bei Betrieben, die außerhalb des Ortsgebietes (§ 2 Abs.1 Z15 StVO 1960) liegen, muss diese Bescheinigung nur für Probefahrten an Sonn- und Feiertagen ausgestellt werden.

 

Laut Bericht des Ml hat er den Bw nach dem "Fahrtenbuch" gefragt. Der Bw ist nicht Inhaber der Bewilligung; allerdings ist nicht auszuschließen, dass der Ml danach gefragt hat, weil der Bw angegeben hat, er sei der Chef. Der Ml ist aber nicht Behörde im Sinne des § 45 Abs.6.1.Satz KFG, sondern ein Organ der Straßenaufsicht im Sinne des § 102 Abs.5 lit.c KFG.

Zu bemerken ist außerdem, dass die Anhaltung am Freitag, dem 12. Februar 2010, auf einer Freilandstraße erfolgte.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates steht nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, was genau der Ml vom  Bw verlangt hat, nämlich wie in der Anzeige ausgeführt, die vom Bewilligungs­inhaber ausgestellte Probefahrt-Bescheinigung oder ein Probefahrtenbuch. Wenn er nach dem Fahrtenbuch im Sinne des § 45 Abs.6 1. Satz gefragt hat, wie letztlich beide behaupten, war der Bw nicht im Sinne des § 102 Abs.5 lit.c KFG zur Vorlage verpflichtet, weil er ein solches als Lenker nicht mitzuführen verpflichtet ist.

Damit war auch im Punkt 2) des Straferkenntnisses im Zweifel zugunsten des Bw vorzugehen, wobei auch hier naturgemäß Verfahrenskosten nicht anfallen.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Allwetterreifen mit einer Mindestprofiltiefe von 4 mm und darüber auf 75 % der Laufflächenbreite gelten als Winterreifen iSd § 102 Abs. 8 a KFG. Auf einer Probefahrt hat der Lenker kein Probefahrtenbuch mitzuführen bzw. einem Straßenaufsichtsorgan vorzuweisen -> Einstellung

 

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