Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522609/16/Bi/Kr

Linz, 15.10.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA X, vom 22. Juni 2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 7. Juni 2010, VerkR22-36-2010, wegen Abweisung des Antrages auf Errichtung der Fahrschule "X" am Standort X, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zu weiteren Erhebungen und Erlassung eines neuerlichen Bescheides an den Bezirkshauptmann von Linz-Land zurück­verwiesen wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.2 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde von der Erstinstanz der Antrag des Berufungswerbers (Bw) "um Errichtung" der genannten Fahrschule gemäß §§ 108 Abs.3 iVm 109 Abs.1 lit.b und g KFG 1967 abgewiesen. Begründet wurde dies zum einen mit Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Bw wegen des in Schwebe befindlichen Gerichts­­verfahrens wegen des Verdachts der Fälschung von Beweismitteln auf der Grundlage der Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion X vom 5. Mai 2008, B6/19371/2008/1337, beim Bezirksgericht Grieskirchen; dort sei im Verfahren 2 U 10/10 f am 7. April 2010 eine Haupt­verhandlung durchgeführt, aber noch nicht abgeschlossen worden. Zum anderen sei der Bw wegen schwerer Verstöße gegen straßenpolizeiliche Vorschriften rechts­kräftig bestraft worden, nämlich wegen überzogener Tageslenkzeiten als Lenker eines Schwerfahrzeuges (Strafverfügung der BH Grieskirchen vom 20.6.2008, VerkR96-6208-2008, wegen Übertretungen gemäß § 134 Abs.1 KFG iVm Art. 15 Abs.7 lit.a Abschnitt i EG-VO 3821/85, Art.8 Abs.1 und 2, Art. 6 Abs.1 und Art.7 EG-VO 561/2006).   

Dagegen ist der Bw in der Berufung aufgetreten mit der Behauptung der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Er habe eine angebotene diversionelle Erledigung nicht angenommen, weise keine Verurteilung auf und daher sei die Vertrauenswürdigkeit gar nicht betroffen. Es sei keine Prognose über sein künftiges Verhalten erstellt worden, obwohl sein Wohlverhalten über mehr als 2 Jahre gegeben sei; die Verfehlungen resultierten aus seiner beruflichen Tätigkeit als Lkw-Fahrer und könnten nicht mit der persönlichen Eignung als Fahrschulleiter in Zusammenhang gebracht werden. Der Strafver­fügung sei eine einheitlichen Fahrt als Berufskraftfahrer zugrunde gelegen; es lägen somit keine schwerwiegenden Übertretungen vor. Es "seien weder die  notwendigen richtigen und umfassenden Feststellungen getroffen, noch eine eingehende Beurteilung zur fundierten Erstellung einer Zukunftsprognose und Interessenabwägung durchgeführt" worden.

 

2. Die fristgerecht eingebrachte Berufung wurde seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Auf die zunächst in der Berufung ausdrücklich beantragte Durchführung einer öffentlichen mündli­chen Berufungsverhandlung wurde seitens des Bw mit Schriftsatz vom
12. Oktober 2010 ausdrücklich verzichtet.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat mit Bescheid vom 29. Juli 2010, VwSen-522609/9/Bi/Kr, das Berufungsverfahren VwSen-522609 bis zu einem rechtskräftigen Urteil im Gerichtsverfahren 2 U 10/10 f vor dem Bezirksgericht Grieskirchen ausgesetzt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 1. Oktober 2010,
2 U 10/10f–13, wurde das Strafverfahren gegen den Bw wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach dem § 293 Abs.2 StGB gemäß §§ 199 iVm  200 Abs.5 StPO eingestellt. Laut Begründung wurde dem  Bw im Strafantrag zur Last gelegt, er habe am 18. April 2008 auf einem Parkplatz der A8 in Pram als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges bei einer Kontrolle den erhebenden Polizei­beamten ein verfälschtes Tachographenschaublatt, bei dem ein falscher Abfahrts­ort und ein falscher Kilometerstand eingetragen gewesen sei, vorgelegt und hier­durch ein verfälschtes Beweismittel in einem behördlichen Verfahren gebraucht. Nach Antrag des Verteidigers und mit Zustimmung der öffentlichen Anklägerin wurde dem Bw ein Diversionsangebot dahingehend unterbreitet, dass gegen Zahlung eines Geldbetrages von 530 Euro (70 Tagessätze à 5 Euro und 180 Euro PK) binnen drei Wochen das Verfahren eingestellt werde. Der Betrag sei nun­mehr bezahlt worden, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.   

 

4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 109 Abs.1 KFG 1967 darf eine Fahrschulbewilligung nur natürlichen Personen erteilt werden, die ua gemäß lit.b vertrauenswürdig sind und lit.g nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften bestraft worden  sind.

Die Erstinstanz vertritt die Auffassung, das die Vertrauenswürdigkeit des Bw insofern anzuzweifeln ist, als er zum einen rechtskräftige Vormerkungen aufweist – er wurde mit Strafverfügung der BH Grieskirchen vom 20. Juni 2008 wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 134 Abs.1 KFG iVm Art.15 Abs.7 lit.a Abschnitt i EG-VO 3821/85, § 134 Abs.1 KFG iVm Art.8 Abs.1 und 2 EG-VO 561/2006, § 134 Abs.1 KFG iVm Art.6 Abs.1 EG-VO 561/2006 in 2 Fällen, § 134 Abs.1 KFG iVm Art.7 EG-VO 561/2006 in 4 Fällen und § 52 lit.a Z4c StVO 1960 rechtskräftig bestraft, weil er erlaubte Tageslenkzeiten massiv überzogen und gleichzeitig vorgeschriebene Unterbrechungen der Lenkzeiten gravierend unter­schritten hatte – und zum anderen gegen ihn ein Gerichtsverfahren anhängig sei, in dem ihm die Fälschung von Beweismitteln vorgeworfen wurde.

 

Der Bw hat in der Berufung damit argumentiert, er sei seit 1970 Berufskraft­fahrer gewesen und habe die gesetzlichen Bestimmungen immer eingehalten, was sich auch dadurch zeige, dass er lediglich diese Vormerkungen aufweise, obwohl er zahlreiche Kontrollen gehabt habe. Die damals festgestellten Lenkzeit­überschreitungen hätten sich nur durch ungünstige Beladungszeiten und ein zusätzlich aufgetretenes technisches Problem ergeben. Er habe nie jemanden damit gefährdet und auch die Strafen akzeptiert und bezahlt. Als schweren Verstoß gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften sehe er diese Strafen nicht und er sei auch danach nicht mehr bestraft worden.

 

Aus der Sicht des UVS sind die Argumente des Bw insofern nachvollziehbar, als er im Jahr 2008 Berufskraftfahrer war und als solcher ein Sattelzugfahrzeug mit Sattelanhänger auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zwischen Norddeutschland und Südtirol gelenkt hat. Die Übertretungen, aus deren Erhebungen auch die Straf­anzeige resultiert, hat er als Berufskraftfahrer begangen, wobei offen­sichtlich die Frage der Errichtung einer Fahrschule noch nicht im Raum stand.

Die Über­tretungen sind zwar noch nicht getilgt, aber seit April 2008 ist doch bereits längere Zeit vergangen, nämlich bereits 2,5 Jahre.

Der VwGH hat im Fall einer Entziehung der Fahr(schul)lehrerberechtigung
(E 4.7.2002, 2000/11/0288) ausgesprochen, dass im Verhalten des Beschwerde­führers – dieser hatte 2 Fahrschüler im Zuge der praktischen Ausbildung zur Gruppe C auf einem Parkplatz im Fahrschul-LKW mit der Anweisung, sich mit dem Fahrzeug vertraut zu machen, alleine gelassen und war zum Abendessen gegangen – zwar eine Pflichtverletzung zu sehen sei, allerdings könne dahin­gestellt bleiben, ob der Vorfall tatsächlich den Wegfall der Vertrauens­würdig­keit bewirkt habe, weil in zwischen 21 Monate vergangen seien und es wäre unan­gemessen, nach dieser Zeit deswegen die Vertrauenswürdigkeit zu verneinen, weil dadurch angesichts der Art und Schwere und insbesondere der inzwischen vergangenen Zeit kein solches Charakterbild vom Beschwerdeführer vermittelt werde, dass auch noch zur Zeit der Erlassung des Bescheides von ihm nicht erwartet werden könne,
den theoretischen und praktischen Fahrunterricht unter Einhaltung der dabei zu beachtenden kraftfahrrechtlichen und straßenpolizei­lichen Vorschriften zu erteilen. Der seit dem Vorfall verstrichenen Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit kommt nach der Judikatur des VwGH im gegebenen Zusammenhang große Bedeutung zu (vgl E 28.9.1993, 93/11/0101; E 9.11.1999, 98/11/0301). Der Beschwerdeführer habe seinen Beruf weiter ausüben können und nach der Aktenlage sei in dieser Zeit nichts gegen ihn Sprechendes vorgefallen. Allerdings habe die belangte Behörde, in Verkennung der Rechtslage, dazu keine Feststellungen getroffen und auch nicht begründet, warum sie trotz der annähernd 21 Monate danach noch den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit angenommen habe.

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 24.3.1999, 98/11/0091, ausgeführt, dass die Ahndung von Verstößen gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften durch Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 mit der Frage, ob der Inhaber der Fahrschule (noch) vertrauenswürdig ist, insofern nichts zu tun, als die Begehung einzelner Verstöße die Vertrauenswürdigkeit nicht beeinträchtigen muss. Die Behörde die Vertrauens­würdigkeit auf Grund der von ihr festgestellten Tatsachen zu überprüfen.

 

Aus der Sicht des UVS besteht im Zusammenhang mit der ggst Strafverfügung kein Anlass, die Vertrauenswürdigkeit des Bw (noch) in Frage zu stellen, zumal sich dieser nach der Aktenlage seit dem Vorfall vom April 2008, das sind 2,5 Jahre, wohlverhalten hat.

 

Bereits im Erkenntnis vom 13. April 1988, 87/03/0255, hat der Verwaltungs­gerichtshof (im Fall eines Taxilenkers) ausgeführt, dass dem Wort "Vertrauen" inhaltlich die gleiche Bedeutung zukommt wie dem Ausdruck "sich verlassen". Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit gewährleistet werden. Die Frage der Vertrauenswürdigkeit ist aufgrund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens der Person zu beurteilen. Dabei ist entschei­dend, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde – im Fall des Bw gemäß § 109 KFG 1967 – obliegt. Es ist daher unbeachtlich, ob eine allfällige strafgericht­liche Verurteilung in ursächlichem Zusammenhang – im Fall des Bw als Berufskraftfahrer ohne Zusammen­hang mit einer Fahrschule – erfolgte. Das einer strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegende Fehlver­halten kann derart schwer wiegen, dass es allein die Annahme fehlender Vertrauens­­würdigkeit rechtfertigt, es sei denn, dass es sich um eine gerichtliche Verurteilung handelt, der nach den Feststellungen des Gerichts geringer Unrechtsgehalt und geringes Verschulden zugrunde liegt. Die Behörde ist bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit an die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils gebunden.

 

Im ggst Fall wurden durch die Einstellung des gegen den Bw anhängig gewesenen Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht Grieskirchen mit Beschluss vom  1. Oktober 2010, 2 U 10/10f, solche Fest­stellungen nicht getroffen, sodass darauf jedenfalls die Annahme, der Bw habe ein Verhalten gesetzt, das seine Vertrauenswürdigkeit in Frage stelle, nicht gestützt werden kann. Der Antrag auf Diversion ist aber nicht als Schuldein­geständnis zu sehen, sondern als Ersparnis des Zeitaufwandes, der durch ein Gerichtsverfahren (wie zB durch die Einholung erforderlicher Gutachten) verursacht werden würde. Der Bw hat, wie aus dem Verfahrensakt zu ersehen ist, zwar bereits früher einmal einem Angebot der Staatsanwaltschaft auf Diversion zugestimmt, allerdings laut Auskunft des BG Grieskirchen dann die verlangte Summe nicht bezahlt, was aber offenbar auf eine Verwechslung mit den mit der BH Grieskirchen vereinbarten Straf-Teilbe­trägen zurückzuführen war. Dem neuerlichen Angebot auf Diversion wurde entsprochen.      

Damit steht nach Auffassung des UVS der positiven Beurteilung der Vertrauens­würdigkeit des Bw gemäß § 109 KFG 1967 nichts mehr im Weg.

 

Gemäß § 66 Abs.2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurück­verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung bzw Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

§ 109 KFG sieht außer der Voraussetzung der Vertrauenswürdigkeit weitere Anforderungen an die Erteilung einer Fahrschulbewilligung vor, deren Erfüllung sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt nicht ersehen lassen. Dieser enthält Feststellungen über die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der Fahr­schule, über die Räumlichkeiten, Lehrmittel und eine Personalaufstellung sowie die Nutzungsbewilligung des X-Parkplatzes als Übungsplatz, die Ausbildung und den bisherigen Werdegang des Bw sowie seine bisherigen Berechtigungen.

 

Nicht eindeutig geklärt ist aber, inwieweit noch eine Fahr(schul)­lehrer­tätigkeit des Bw bei der Fahrschule X in X besteht, und sein Wohnsitz, der auch in der Berufung mit dem Standort der Fahrschule in X angegeben wurde. Der Bw ist laut ZMR gemeldet in X, sodass eine Klärung im Sinne des § 109 Abs.1 lit.d bzw § 108 KFG erforderlich ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

 

Antrag auf Errichtung einer Fahrschule abgewiesen wegen Vormerkungen und schwebenden Gerichtsverfahren wegen § 293 Abs.2 StGB, Vormerkungen von Vorfall vor 2,5 Jahren als Berufskraftfahrer (EG-VO), tangieren die Vertrauenswürdigkeit nicht mehr, weil seither wohlverhalten. Strafverfahren wegen Diverson eingestellt -> § 66 Abs.2 AVG wegen weiteren erforderlichen Erhebungen. 

 

 

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