Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150785/11/Re/Hue

Linz, 14.10.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des x x, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7. Mai 2010, Zl. BauR96-310-2009, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro, d.s. 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden verhängt, weil er am 5. August 2009 um 7.42 Uhr als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen x die mautpflichtige A8 Innkreisautobahn, ABKM 37.400, Gemeinde Weibern, in Fahrtrichtung Voralpenkreuz benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Am Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass sich aus dem bereits geschilderten Sachverhalt ergebe, dass am Kfz eine gültige Mautvignette angebracht gewesen sei. Das Gegenteil sei nicht erwiesen.

 

Beantragt wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und der "Freispruch" des "Angeklagten".

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der x vom 12. November 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer schriftlich die Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 26. November 2009 äußerte sich der Bw dahingehend, dass auf dem Kfz eine Mautvignette angebracht gewesen sei. Dies könne die namentlich genannte Gattin des Bw als Zeugin bestätigen.

 

Einer zusätzlichen x-Stellungnahme vom 18. Februar 2010 ist neben rechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, dass auf dem Kfz die Vignette samt Trägerfolie an der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei, weshalb auch das aufgedruckte Kreuz der Trägerfolie ersichtlich sei. Vermutlich sei ein zusätzliches Hilfsmittel verwendet worden. Es habe sich dabei um eine Monatsvignette mit der Lochung "01.12" gehandelt.

Als Beilage sind drei Beweisfotos angeschlossen.

 

Dazu brachte der Bw vor, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, wie die von der x der Behörde zugeleitete Beweisaufnahme stattgefunden habe. Die Ordnungsgemäßheit werde deshalb ausdrücklich bestritten. Wann und mit welchem Hilfsmittel sei die Fotoaufnahme der Vignette mit einer Trägerfolie angefertigt worden, welche eine Lochung "01.12" aufweist? Dies sei kein Ausschlussbeweis dafür, dass der Bw eine gültige Vignette an der Windschutzscheibe gehabt habe. Auf den Beweisbildern sei überhaupt nicht zu erkennen, Schlussfolgerungen könnten daraus nicht für eine Schuld des Bw gezogen werden. Es möge die Gattin und der Sohn des Bw als Zeugen einvernommen werden.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Auf Anforderung übermittelte die x am 12. Juli 2010 dem Oö. Verwaltungssenat die Beweisfotos in (digitaler) Originalqualität.

 

Zu diesen Beweisfotos erstattete der verkehrstechnische Amtssachverständige am 5. August 2010, Zl. Verk-210002/277-2010-Hag, ein technisches Gutachten, aus dem hervorgeht, dass anhand der vorliegenden Kontrollfotos, welche von einem x-Mautportal stammten, festgestellt werden habe können, dass bei dem gegenständlichen Kfz der Marke Mercedes beide Sonnenblenden heruntergeklappt gewesen seien. Im oberen Bereich der Windschutzscheibe sei ein "Blendstreifen" vorhanden, welcher über die ganze Breite der Windschutzscheibe und etwas breiter als die heruntergeklappten Sonnenblenden verlaufe. In Fahrtrichtung des PKW gesehen würden sich im oberen rechten Eck der Windschutzscheibe innerhalb des "Blendstreifens" nebeneinander zwei rechteckige Aufkleber befinden. Beim aus Sicht der Überwachungskamera am linken Scheibenrand abgebildeten Aufkleber handle es sich um eine österreichische Autobahnvignette. Der Aufkleber daneben sei keiner österreichischen Mautvignette zuzuordnen. Form und Erkennungsmerkmale der österreichischen Vignette seien seit Einführung nicht verändert worden. Es seien lediglich die Trägerfolie und die Farbe der Vignette modifiziert worden. Dies sei erkennbar an der rechteckigen Ausführung des Vignettenträgers, auf dem sich vor dem Hintergrund die farblich abgehobene Darstellung eines Trapezes darstelle. In dieser Darstellung sei der Großbuchstabe "M" für eine Monatsvignette gut erkennbar. Weiters sei erkennbar, dass das Rechteck größer als die trapezförmige Fläche sei, welche vom Rechteck umfasst werde. Diese Ausführung sei für Tages- und Monatsvignetten typisch, wobei sich Jahresvignetten anders darstellten. In der trapezförmigen Fläche sei eine kreisrunde helle Fläche erkennbar, auf der sich ein "X" befinde. Die einzelnen Längen dieser Querstriche seien unterschiedlich angeordnet. Der Querstrich von rechts unten nach links oben ende in der Kreisfläche, der andere Querstrich führe an jedem Ende über die Kreisfläche hinaus. Am unteren Rand befinde sich die Monatslochung, an den drei anderen Rändern die Tageslochung. Die Lochung der gegenständlichen Vignette weise "01.12" auf.

Aufgrund der Merkmale (geometrische rechteckige Form des Vignettenträgers und der trapezförmigen Form der Vignette, des Großbuchstabens "M" und des "X" mit unterschiedlichem Verlauf der Querstriche) sei der Aufkleber eindeutig als österreichische Vignette einzuordnen. Autobahnvignetten der Nachbarländer Österreich hätten andere eindeutige Merkmale und optische Erscheinungsformen.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass im gegenständlichen Fall eine österreichische Monatsvignette im "Blendstreifen" der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei. Die Vignette sei "nicht entwertet" worden, da das "X" erkennbar sei, welches sich auf der Trägerfolie befinde und nach dem korrekten Ablösen der Vignette von dieser Trägerfolie nicht mehr vorhanden wäre.

Das Gutachten ist mit Illustrationen untermauert.

 

Dieses Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde dem (Vertreter des) Bw mittels Schreiben vom 6. August 2010 zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt und ihm mitgeteilt, dass dem Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund der Aktenlage die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entbehrlich erscheint. Falls der Bw dennoch auf einer Berufungsverhandlung bestehen sollte, möge er dies innerhalb Frist mitteilen.

 

Dazu brachte der (Vertreter des) Bw am 20. September 2010 im Wesentlichen vor, dass er unter Verwertung der inhaltlichen Erkenntnisse des technischen Gutachtens feststelle, dass der Bw in jedem Fall eine österreichische Vignette an der richtigen Stelle erkennbar angebracht habe. Möglicherweise sei diese "nicht entwertet" worden. Dies spiele jedoch keine Rolle, da es sich vermutlich um keine 10-Tages-Vignette gehandelt habe, sodass in jedem Fall entsprechend  Geld für den Kauf der Vignette ausgegeben worden sei. Die Vignette sei zudem nur im Rahmen der aufgedruckten Gültigkeitsdauer verwendet worden. Deshalb habe der Bw entgeltlich das Recht erworben, auf österreichischen Mautstrecken zu fahren.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben ist, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen) ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die x ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs.4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6).

 

5.2. Unbestritten ist die Lenkereigenschaft des Bw.

 

§ 11 Abs.1 BStMG normiert, dass vor der Benützung von Mautstrecken die Maut durch Anbringen einer Mautvignette zu entrichten ist.

 

Der Bw behauptet, auf dem Kfz wäre zur Tatzeit eine gültige Vignette angebracht gewesen. Dazu wurde vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 5. August 2010 näher dargelegt, dass die österreichische Zweimonatsvignette nicht von der Trägerfolie abgezogen wurde, weshalb auch das auf der Trägerfolie aufgedruckte "X" auf dem Beweisfoto ersichtlich ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt an der Richtigkeit, Schlüssigkeit und Vollständigkeit dieses Gutachtens – dem der Bw auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist – keinerlei Zweifel.

Es steht somit fest und ist erwiesen, dass die gegenständliche Vignette entgegen Punkt 7.1 der Mautordnung angebracht wurde. Der Bw hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Unbeschadet der vorherigen Ausführungen ist zusätzlich noch darauf hinzuweisen, dass die Vignette entgegen die Anbringungsvorschriften in einem Tönungsstreifen mit einem zusätzlichen Hilfsmittel auf die Windschutzscheibe aufgeklebt wurde und diese Zweimonatsvignette schon aufgrund ihrer Lochung ("01.12") zur Tatzeit keine Gültigkeit aufgewiesen hat. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem technischen Gutachten des Amtssachverständigen und ist auch auf den Beweisfotos ersichtlich.

 

Wenn der Bw vorbringt, durch den Kauf einer Vignette sei das Recht zum Befahren österreichischer Mautstrecken erworben worden, ist entgegen zu halten, dass es nicht auf den Kauf sondern auf das ordnungsgemäße Aufkleben ankommt. Nochmals sei darauf verwiesen, dass die gegenständliche Vignette am Tattag aufgrund ihrer Lochung keine Gültigkeit  aufgewiesen hat.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver – und da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend würde eine Rechtsunkenntnis bzw. eine Unkenntnis der Anbringungsvorschriften für Vignetten wirken. Auch ein ausländischer Lenker ist verpflichtet, sich mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise vertraut zu machen. Trotz Zweifel sei von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass der Bw verabsäumt hat, sich über die Notwendigkeit des Abziehens der Vignette von der Trägerfolie in Kenntnis zu setzen und ihm zumindest entgangen war, dass die Zweimonatsvignette zur Tatzeit keine Gültigkeit mehr aufgewiesen hat.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit. Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens), dafür nicht gegeben sind. Der Verschuldensgrad der Fahrlässigkeit ist deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs. Insbesondere ist der Schuldgehalt als nicht geringfügig anzusehen, da sich der Bw über die Anbringungsvorschriften von Vignetten im ausreichendem Umfang informieren hätte müssen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Bei diesem Ergebnis waren zusätzlich gem. § 64ff VStG die Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Vignette mit Trägerfolie; Vignette und Tönungsstreifen

 

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