Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300934/49/Fi/Fu/Ga

Linz, 11.10.2010

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck vom 8. Februar 2010, Gz.: Sich96-635-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs 1 Z 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: §§ 65 und 66 Abs 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck vom
8. Februar 2010, Gz.: Sich96-635-2008, wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Sie haben den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen, indem Sie am 19.08.2008 um ca. 18:00 Uhr X im Eingangsbereich des Mehrparteienwohnhauses X – öffentlich wahrnehmbar – ua. mit den Worten: 'Scheiß Ausländer' und 'Kameltreiber' beschimpft haben."

 

Der Bw habe dadurch § 1 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 lit a Oö. Polizeistrafgesetz (Oö. PolStG) verletzt. Gemäß § 10 Abs 1 lit a Oö. Polizeistrafgesetz wurde über ihn eine Geld­strafe in der Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt und Verfahrenskosten iHv 5 Euro vorgeschrieben.

1.2. Gegen das Straferkenntnis, das am 11. Februar 2010 dem Vertreter des Bw, Rechtsanwalt x, zugestellt wurde, erhob der Bw durch seinen Rechtsanwalt das Rechtsmittel der Berufung, das am 23. Februar 2010 – somit rechtzeitig – zur Post gegeben wurde. Das Rechtsmittel wurde bei der belangten Behörde eingebracht.

In der Berufung bekämpft der Bw das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach.

Der Bw bestreitet den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt – er habe die Beschimpfungen gegenüber Herrn X nicht getätigt. Vielmehr seien die Angaben des Herrn X konstruiert, um dem Bw "eins auszuwischen", da der Bw Herrn X selber schon öfters angezeigt habe. Es sei sonderbar, dass Herr X bereits am 19.08.2008 bei der Polizei gewesen sei, damit ihn der Bw in Ruhe lasse, worauf zwei Polizeibeamte gekommen seien; Anzeige bei der Polizei hätte Herr X aber erst am nächsten Tag erstattet. Auch würde der Bw Herrn X niemals beschimpfen, da er Angst vor Herrn X habe.

Die Auffassung der Behörde, dem Bw weniger Glauben zu schenken als Frau X, sei nicht nachvollziehbar, da die Aussagen von Frau X einen "Rachefeldzug" gegen den Bw darstellen würden, da der Bw seit Jahren mit Frau X Probleme habe, da Frau X Müll und andere Utensilien am Gang des Mehrparteienhauses stelle. Außerdem könne Frau X von ihrem Fenster gar nicht zur Haustüre sehen, daher seien ihre Aussagen zum Vorfall völlig unglaubwürdig. Auch sei nicht ausreichend ermittelt worden, wo sich Frau X während des Vorfalls befand und ob sie die Aussagen überhaupt hören hätte können. Der Bw beantragt daher einen Lokalaugenschein.

Auch bemängelt der Bw den Verfahrensablauf und die durchgeführten Ermittlungen. Bezeichnend für das Verfahren sei, dass die Polizei Herrn X als X Staatsbürger bezeichnete, wo doch Herr X die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Ferner liege ein schwerer Verfahrensfehler vor, da die belangte Behörde die Aussagen von X, X sowie X ihrer Beurteilung zugrunde gelegt habe, ohne diese Personen selbst einvernommen zu haben.

Darüber hinaus sei das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit nicht gegeben. Allein der Verweis, dass die Äußerungen in einem Mehrparteienhaus gefallen sind, reiche nicht, es komme auf die Lautstärke der Äußerungen, wo diese gefallen sind und ob überhaupt die Möglichkeit bestanden hat, dass diese von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden, an. Eine diesbezügliche Prüfung habe die Behörde unterlassen.

Schließlich stellt der Bw die Anträge, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom
25. Februar 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2. dargestellt – rechtzeitig.

2.3. Der der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und in die Berufung sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2010, fortgesetzt am 05. Oktober 2010.

2.4.  Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

Sowohl der Bw als auch die Familie X bewohnen das Mehrparteienhaus in der X. Das Verhältnis zwischen den Nachbarn ist sehr angespannt.

2.5. Aus den übereinstimmenden Zeugenaussagen mehrerer Nachbarn des Bw ergibt sich zweifelsfrei, dass der Bw seinem Nachbarn Herrn X gegenüber in der Vergangenheit wiederholt die Worte "Scheiß Ausländer" und "Kameltreiber" gebraucht hat. Der Bw räumt dies betreffend den Ausdruck "Kameltreiber" im Hinblick auf einen Vorfall vor rund 13 Jahren selbst ein.

Strittig ist jedoch, ob bei einem Streit vor der Hauseingangstüre am 19. August 2008 um ca. 18:00 Uhr diese Worte ebenfalls gefallen sind. Der Zeuge X, an den diese Schimpfwörter gerichtet gewesen sein sollen, konnte sich erst nach mehrmaligem Nachfragen an die genauen Schimpfwörter, die am 19. August 2008 gefallen sein sollen, erinnern. Dies schadet nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates der Glaubwürdigkeit des Zeugen (angesichts des lange zurückliegenden Tatzeitpunkts) jedoch nicht.

Angesichts der Tatsache, dass jedoch – abgesehen vom vermeintlichen Opfer – keiner der Zeugen genau gehört hat, welche Worte anlässlich dieses Streites gefallen sind und dies auch vom Bw bestritten wird, kann ein solches Verhalten für den 19. August 2008 nicht zweifelsfrei bewiesen werden. Auch jene Zeugin, die vor der Polizei ausgesagt hat, dass am 19. August 2008 diese Worte gefallen seien, kann sich zwar an ein lautes Streitgespräch erinnern, gibt in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat jedoch zu Protokoll: "was genau gesagt wurde, kann ich jetzt nicht mehr sagen – das habe ich nicht gehört". Auch die übrigen Zeugen konnten zu dem, dem Bw vorgeworfenen Verhalten am 19. August 2008 keine genaueren Aussagen machen.

Zwar scheint das vorgeworfene Verhalten dem Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund des im Verfahren gewonnen Eindrucks und aufgrund der festgestellten Tatsache, dass der Bw die ihm vorgeworfenen Schimpfwörter bereits des Öfteren gebraucht hat, keineswegs ausgeschlossen, doch lässt sich dies nicht mit der für ein faires Verfahren erforderlichen Sicherheit für den 19. Februar 2008 beweisen. Gemäß § 51i VStG ist dann, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Entsprechend diesem Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens sind die Aussagen der Zeugin X in der mündlichen Verhandlung, wonach sie nicht genau gehört hat, was zwischen dem Bw und Herrn X gesprochen wurde, dahingehend zu würdigen, dass Frau X das dem Bw vorgeworfene Verhalten nicht bezeugen kann. Es ist daher unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" davon auszugehen, dass am 19. August 2008 diese Wörter nicht Verwendung gefunden haben.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Polizeistrafgesetzes (Oö. PolStG), die im Tatzeitpunkt in Geltung standen – eine begünstigende Änderung der Rechtslage im Sinne des § 1 Abs 2 VStG ist nicht eingetreten –, lauten wie folgt:

 

"§ 1

Wahrung des öffentlichen Anstandes

 

(1) Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

(2) Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet."

 

 

"§ 10

Strafbestimmungen

 

(1) Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1, 2 Abs. 3, 2a Abs. 5 und 3 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach           

a)   §§ 1 und 3 mit Geldstrafe bis 360 Euro,

b)   § 2a Abs. 5 mit Geldstrafe bis 7.200 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen und nach

c)   § 2 Abs. 3 mit Geldstrafe bis 14.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 (2) - (4) [...]."

 

3.3. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde dem Bw die Verwendung der Begriffe "Scheiß Ausländer" und "Kameltreiber" ausschließlich für den Tatzeitpunkt 19. August 2008 vorgeworfen und daher ist auch nur dieses Verhalten am 19. August 2008 Gegenstand des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Für diesen konkreten Tatzeitpunkt konnte im Ermittlungsverfahren unter Anwendung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit des Verfahrens die Verwendung der inkriminierten Worte jedoch nicht eindeutig bewiesen werden, weshalb dem Bw der Tatvorwurf der Anstandsverletzung am 19. August 2008 nicht gemacht werden kann, und im Zweifel davon ausgegangen werden muss, dass die in Frage stehenden Wortwendungen zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt nicht verwendet wurden. Der Bw hat demnach den objektiven Tatbestand der Anstandsverletzung iSd Oö. PolStG am 19. August 2008 um ca. 18:00 Uhr nicht erfüllt, wenngleich zu betonen ist, dass im Falle der Wiederholung dieser Aussagen und ihrer Beweisbarkeit der Bw mit einer Bestrafung zu rechnen hat.

3.4. Da dem Bw die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht bewiesen werden kann, ist im Ergebnis der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Bw gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

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