Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252582/2/Lg/Hue/Ba

Linz, 14.10.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des X X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 24. August 2010, Zl. SV96-17-7-2010-Bd/Pe,  betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verspätung der Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 29. April 2010, Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. §§ 66 Abs. 4, 71 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) vom 29. Juli 2010 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Möglichkeit zur Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 29. April 2010, Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs, abgewiesen.

 

Begründend wird auf § 71 AVG hingewiesen, wonach gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Der Bw habe angegeben, aufgrund zeitnaher Geschehnisse sowie beinah identer Aktenzeichen zweier verschiedener Strafbescheide (SV96-18-2010 und SV96-17-2010) einem Irrtum unterlegen gewesen zu sein. Dieser Irrtum sei vom Bw nach dem Erhalt einer Zahlungsaufforderung entdeckt worden.

Laut den vorliegenden Rückscheinen sei das Straferkenntnis (ASVG), Zl. SV96-18-2010, am 28. April 2010 übernommen und das (gegenständliche) Straferkenntnis, Zl. SV96-17-2010, am 5. Mai 2010 in das Hausbrieffach (sic!) eingelegt worden. Dass dem Bw weder die Unterschiede im Aufbau der Straferkenntnisse, auch nicht der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen noch die unterschiedlichen Strafhöhen aufgefallen seien, zeuge von Fahrlässigkeit. Der allgemeinen Lebenserfahrung würde es widersprechen, Straferkenntnisse bzw. Behördenbescheide nicht näher durchzulesen, wenn Geldstrafen von mehreren tausend Euro vorgeschrieben werden. Die Tatsache, dass der Bw das Straferkenntnis nur oberflächlich durchgelesen habe, stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar und treffe den Bw daher auch kein minderer Grad des Versehens.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass im Abweisungsbescheid erstmals angeführt werde, dass das Straferkenntnis, Zl. SV96-17-2010, nicht persönlich übernommen sondern am 5. Mai 2010 in das Hausbrieffach eingelegt worden sei. Die belangte Behörde schließe aus diesem Vorgang, dass eine Zustellung iSd Zustellgesetzes stattgefunden hätte und die Berufungsfrist am 19. Mai 2010 abgelaufen sei. Das "Einlegen" des zuzustellenden Schriftstückes in das Hausbrieffach sei jedoch keine wirksame Zustellung iSd Zustellgesetzes. Somit wäre die Berufungsfrist auch nicht am 19. Mai 2010 abgelaufen.

Der (Vertreter des) Bw habe aufgrund dieser Ausführungen im bekämpften Bescheid Akteineinsicht genommen und festgestellt, dass auf dem diesbezüglichen Rückschein die Vermerke "Zustellversuch am 4. Mai 2010, Verständigung über die Hinterlegung im Hausbrieffach eingelegt" aufscheinen.

Bei dieser Akteneinsicht habe sich somit herausgestellt, dass bisher vom Bw offenbar irrtümlich davon ausgegangen worden sei, dass ihm das Straferkenntnis, Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs, auch tatsächlich zugekommen sei. Aus der Aktenlage ergebe sich aber vielmehr, dass angeblich eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei.

Entgegen der Rechtsansicht der Erstbehörde handle es sich bei dem Umstand, dass der Bw dieses Straferkenntnis oder die Verständigung über die Hinterlegung als im Zusammenhang mit dem am 28. April 2010 übernommenen (anderen) Straferkenntnis, Zl. SV96-18-3-Bd/Fs, gesehen habe, um ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis und lediglich um einen Grad minderen Versehens. Der Bw habe davon ausgehen müssen, dass es sich bei der Verständigung von der Hinterlegung zur Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs um den selben Vorgang wie am 28. April 2010, als ihm das Straferkenntnis, Zl. SV96-18-3-Bd/Fs ausgehändigt worden sei, gehandelt habe. Insbesondere auch deshalb, da es sich um denselben Lebenssachverhalt gehandelt habe. Vorausgesetzt, er habe die Verständigung zur Hinterlegung überhaupt erhalten und diese sei nicht im Prospektmaterial untergegangen.

Der Bw habe aufgrund der scheinbar gleichen Aktenzahl auf der Verständigung über die Hinterlegung (der Unterschied liege lediglich in der Zahl 18 bzw. 17) davon ausgehen können, dass es sich um das selbe Verfahren handle und er diesbezüglich bereits sämtliche Unterlagen seinem Rechtsvertreter übermittelt habe. Aus dem Rückschein sei nicht ersichtlich, dass es sich in diesem Fall um das Verfahren betreffend das Ausländerbeschäftigungsgesetz gehandelt habe und nicht um das ihm bereits zugestellte Verfahren betreffend des ASVG. Auf der Verständigung über die Hinterlegung sei lediglich das Aktenzeichen zu finden, welches jedoch zum Verwechseln ähnlich sei. Der Bw habe nicht im Klaren darüber sein können, dass es sich um ein anderes Verfahren und um ein anderes Schriftstück gehandelt hat. Der Umstand, dass dem Bw diese beiden zum Verwechseln ähnlichen Schriftstücke, die denselben Lebenssachverhalt betreffen würden, innerhalb kurzer Zeit (möglicherweise nicht ordnungsgemäß) zugestellt worden seien, stelle für den Bw einen unvorhergesehenen und auch unabwendbaren Umstand dar.

Der Berufung angeschlossen ist eine wortidente Abschrift, datiert mit 9. Sep­tember 2010, des Wiedereinsetzungsantrages vom 29. Juli 2010.

 

Beantragt wurde die Stattgebung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowie der damit verbunden Berufung gegen das Straferkenntnis, Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Der Bw wurde mittels Straferkenntnis vom 29. April 2010, Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) bestraft. Dieser Bescheid wurde lt. im Akt einliegendem Rückschein am 5. Mai 2010 beim zuständigen Postamt hinterlegt, wobei am Tag davor (vergeblich) ein Zustellversuch erfolgt ist.

 

Der Akt setzt fort mit einem Vermerk der Erstbehörde, dass der Vertreter des Bw am 23. Juli 2010 Akteneinsicht genommen habe.

 

Daraufhin erfolgte mit Schreiben vom 29. Juli 2010, gefaxt am 2. August 2010, gegenständlicher Wiedereinsetzungsantrag. In diesem heißt es im Wesentlichen, dass die Erstbehörde offenbar vier von einander getrennte Verfahren zu ein und demselben Lebenssachverhalt eingeleitet; mit den Aktenzeichen SV96-17-2010 sowie SV96-18-2010 gegen den Bw und mit den Aktenzeichen SV96-15-2010 und SV96-16-2010 gegen Herrn X X. Am 26. April 2010 sei an den Bw ein Straferkenntnis mit der Zl. SV96-18-3-2010-Bd/Fs ergangen, in dem ein Verstoß der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten angelastet worden sei.

Am 29. April 2010 sei an den Bw ein Straferkenntnis mit der Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs ergangen, in dem der Bw einer Übertretung des AuslBG beschuldigt worden sei.

Der Bw sei aufgrund der "für ihn gleichen Formulierung" der Sprüche und der scheinbar gleichen Aktenzahlen der Bescheide (der Unterschiede liege lediglich in der Zahl 18 bzw. 17) davon ausgegangen, dass es sich um ein und dasselbe Verfahren gehandelt habe.

Das Straferkenntnis vom 26. April 2010 mit der Zl. SV96-18-3-2010-Bd/Fs habe der Bw seinem Rechtsvertreter übermittelt, worauf dieser dagegen ein Rechtsmittel eingebracht habe. Der Bw sei davon ausgegangen, dass damit sämtliche mit diesem Lebenssachverhalt in Zusammenhang stehenden Fristen gewahrt worden wären.

Am 29. April 2010 sei das gegenständliche Straferkenntnis mit der Zl. SV96-17-3-2010-Bd/Fs ergangen. Der Bw sei weiterhin davon ausgegangen, dass es sich dabei um dasselbe Verfahren und dasselbe Schriftstück handeln würde, welches er seinem Rechtsvertreter bereits zwei Tage zuvor übermittelt habe. Aus diesem Grund sei dagegen keine Berufung erhoben worden, da der Bw angenommen habe, dass an den Anwalt bereits sämtliche relevanten Dinge übermittelt worden seien und von diesem die Angelegenheit erledigt werde. Aufgrund der zeitnahen Geschehnisse und den beinahe identen Aktenzeichen sei der Bw einem Irrtum unterlegen. Es habe sich dabei um einen "inneren Vorgang" gehandelt, der zu einer Wiedereinsetzung iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG führen könne.

Der Irrtum des Bw sei erst dadurch entdeckt worden, als dieser eine Zahlungsaufforderung vom 20. Juli 2010 zwei Tage später an seinen Rechtsvertreter übermittelt habe. Daraufhin sei nach Akteneinsicht gegenständlicher Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Bescheid und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gem. § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. Die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

4.2. Der Bw geht in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 29. Juli 2010 selbst von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist aus und begründet die Versäumung mit der Verwechslung zweier verschiedener Straferkenntnisse. Damit ist gemeint, dass der Bw davon ausging, dass die Hinterlegungsanzeige das kurz zuvor zugestellte Straferkenntnis (nach ASVG) betraf. Daraus geht zunächst hervor, dass der Bw einräumt, von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis genommen zu haben.

 

Zu bewerten ist das darauf folgende Verhalten des Bw, das sich wie folgt darstellt: Der Bw ging davon aus, nach Erhalt eines Straferkenntnisses (nach ASVG) von der Behörde ein weiteres Schriftstück zu selben Sache erhalten zu haben, was ihn dazu berechtige, sich nicht weiter um den Inhalt des Schriftstückes zu kümmern. Ferner biete diese Situation keinen Anlass, die Hinterlegungsanzeige genauer in Augenschein zu nehmen, was die Bezeichnung des hinterlegten Schriftstückes (hinsichtlich der Aktenzahl) betrifft. Dies vor dem Hintergrund, dass dem Bw aus den vorgängigen Verfahren (etwa: den Aufforderungen zur Rechtfertigung) bewusst sein musste, das zwei Verfahren gegen ihn anhängig waren.

 

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob ein minderer Grad des Versehens vorliegt. Die Frage ist zu verneinen, da von einem durchschnittlichen Normunterworfenen (als Maßstabsfigur) jedenfalls zu verlangen ist, dass er ein zumutbares Maß an Aufmerksamkeit und Mühe aufwendet, wenn ihm behördliche Schriftstücke (insbesondere Bescheide) zugestellt werden. Unter den gegebenen Umständen ist von einem auffallend sorglosen Umgang des Bw mit behördlichen Schriftstücken auszugehen, was als verschuldet iSd § 71 Abs. 1 AVG anzusehen ist.

 

Die Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, der Bw sei durch Spruchvergleich in Irrtum geführt worden, ist vor dem Hintergrund der Argumentation, wonach sich der Bw mit der Kenntnisnahme der Hinterlegungsanzeige begnügt habe (also nicht in den Bescheid Einsicht genommen habe), nicht nachzuvollziehen. Selbst wenn man dennoch dieser Tatsachenbehauptung Glauben schenke wollte, wäre in der Flüchtigkeit der Lektüre, die eine solche Verwechslung impliziert, an sich ein grober Sorgfaltsverstoß zu erblicken.

 

Wenn der Bw – im Widerspruch zum obenstehenden Vorbringen – (erst) in der Berufung alternative Sachverhaltsannahmen ins Spiel bringt, so ist dem zunächst das Neuerungsverbot entgegen zu halten, wonach eine Partei an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden und eine Auswechslung dieses Grundes im Berufungsverfahren rechtlich unzulässig ist (vgl. neben vielen VwGH 28.2.2000, Zl. 99/17/0317, und 18.3.1998, Zl. 98/09/0008). Inhaltlich ist das diesbezügliche Vorbringen, der Bw habe die Hinterlegungsanzeige irrtümlich mit Werbematerial weggeworfen, nicht geeignet, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu begründen: Ein Briefkasten ist regelmäßig zu entleeren und die darin befindlichen Sendungen sind mit der erforderlichen Sorgfalt durchzusehen. Das Vorbringen eines Rechtsanwaltes, die Hinterlegungsanzeige betreffend eines Rückscheinbriefs sei offensichtlich im Briefkasten unter Zeitungen und Prospekte geraten, die er, ohne zu lesen oder durchzublättern, sofort weggeworfen habe, vermag nicht zu entschuldigen (VwGH 9.9.1981, Zl. 81/03/0144). Festgehalten sei, dass es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung um nicht nachvollziehbare, an einen Formulierungsfehler im hier angefochtenen Bescheid ("Das Straferkenntnis SV96-17-2010 wurde jedoch nicht persönlich übernommen, sondern am 5.5.2010 in das Hausbrieffach eingelegt.") geknüpfte Spekulationen handelt, da nicht das Straferkenntnis sondern die Hinterlegungsanzeige deponiert wurde. 

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ewald Langeder

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 27.01.2011, Zl.: 2010/09/0233-3

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