Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522675/8/Bi/Kr

Linz, 11.11.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch x Rechtsanwaltspartnerschaft, x, vom 13. September 2010 bzw 28. Oktober 2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 9. März 2010, VerkR21-630-2008, wegen des Antrages vom 10. März 2010 auf Zustellung einer schriftlichen Bescheidausfertigung sowie wegen Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung und Auflagen, aufgrund des Ergebnisses der am 28. Oktober 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Ausspruchs einer Befristung auf drei Jahre und der Auflage einer zweimaligen Harnkontrolle aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß § 5 Abs.5 FSG aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 9. März 2010 nach Rechtsbelehrung die für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung

a) auf drei Jahre, somit bis 9. März 2013, befristet bzw verlängert und

b) unter folgenden Auflagen erteilt: Kontrolluntersuchung Harn alle sechs Monate, gerechnet ab Erlassung dieses Bescheides, nämlich 1. bis spätestens

9. September 2010 und 2. bis spätestens 9. März 2011.

Der Bw wurde darauf hingewiesen, dass, sollten die Auflagen nicht eingehalten werden, eine neue amtsärztliche Untersuchung angeordnet werde.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch mündliche Verkündung am 9. März 2010, wobei der Bw die mit ihm aufgenommene Niederschrift und damit eigenhändig unterschrieben hat, dass er diese führerschein­rechtliche Maßnahme akzeptiere, den hiermit mündlich verkündeten Bescheid annehme und auf ein Rechtsmittel verzichte.

Er wurde weiters im Bescheid schriftlich darauf hingewiesen, dass er sich um die Verlänger­ung der Lenkberechtigung bzw um den Termin für die amtsärztliche Nachunter­suchung rechtzeitig selbst bemühen müsse, nämlich ca einen Monat vor Ablauf der Befristung (dazu wurde eine Telefonnummer angeführt), und dass die allen­falls als Auflage vorgeschriebenen Maßnahmen jeweils rechtzeitig und unaufge­fordert zu erfüllen seien. 

 

Mit Schriftsatz der nunmehrigen Rechtsvertreter vom 10. März 2010 beantragte der Bw die Zustellung einer schriftlichen Bescheidausfertigung.

Daraufhin wurde dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter mit Schreiben der Erstinstanz vom 16. März 2010, allerdings nicht nachweislich, eine Kopie der Niederschrift und des Bescheides vom 9. März 2010 übermittelt und eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Eine Reaktion auf das Schreiben oder eine Stellungnahme erfolgte nicht.

 

2. Mit Schriftsatz vom 13. September 2010 langte per Fax eine Berufung bei der Erstinstanz ein, die ohne Berufungs­vorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Ober­österreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Auf ausdrücklichen Antrag wurde am 28. Oktober 2010 eine öffent­liche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Rechts­vertreterin Frau RAin Mag. x und der Zeugin Frau x (P), BH Vöcklabruck, durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsent­scheidung wurde ausdrücklich verzichtet.

 

3. Der Bw macht im Schriftsatz vom 13. September 2010 im Wesentlichen geltend, er habe mit dem am 10. März 2010 an die Erstinstanz mit Telefax übermittelten Antrag seines Rechtsvertreters die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des am 9. März  2010 mündlich verkündeten Bescheides beantragt. Dieser Antrag sei bis heute nicht erledigt worden. Die Berufungsfrist habe infolge des gemäß § 62 Abs.3 AVG rechtzeitigen Antrages auf Zustellung einer schrift­lichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides bis heute nicht begonnen. Da offensichtlich die Erstinstanz nicht gedenke, dieser Rechtspflicht nachzukommen, diese Rechtspflicht aber nach herrschender Auffassung nicht ein­klagbar (§ 73 Abs.2 AVG) sei, bleibe ihm zur Vermeidung von Rechtsnach­teilen nur die Erhebung einer Berufung ohne schriftlichen Bescheid.

Inhaltlich macht der Bw geltend, seine Lenkberechtigung sei mit einem Jahr befristet gewesen. Nach Aussage der Amtsärztin vom 9. März 2010 sei er unbeschränkt gesundheitlich lenkgeeignet. Die (neuerliche) Befristung mit drei Jahren und die Auferlegung weiterer Kontrolluntersuchungen durch die Behörde im angefochten­en Bescheid sei willkürlich.

Beantragt wird die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, soweit darin Einschränkungen der Lenkberechtigung verfügt werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und Anberaumung einer öffentlichen münd­lichen Verhandlung für 28. Oktober 2010 durch Aussendung von Ladungen am
7. Oktober 2010.

Der Rechtsvertreter fragte am 11. Oktober 2010 telefonisch beim erkennenden Mitglied nach dem bisherigen Akteninhalt nach und wurde ihm auf Ersuchen eine Aktkopie (samt dem mündlich verkündeten Bescheid vom 9. März 2010) über­mittelt. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2010 beantragte er ausdrücklich die zeugen­schaftliche Einvernahme der Vertreterin der Erstinstanz, Frau x (P).  

 

In der Verhandlung am 28. Oktober 2010 wurde seitens der Rechtsvertreterin Frau RA Mag. x ausdrücklich die schriftliche Berufung vom
13. September 2010 zum Inhalt des ausdrücklich nochmals gestellten Berufungs­antrages erhoben und damit inhaltlich die willkürliche Einschränkung der Lenk­berechtigung des Bw durch Befristung und Erteilung von Auflagen geltend gemacht.

 

Die Lenkberechtigung des Bw wurde aufgrund eines Abschlussberichtes der PI Frankenmarkt vom 26. Juni 2008, wonach der Bw in der Zeit von Anfang 2007 bis April 2008 immer wieder Cannabiskraut in Form von Joints konsumiert habe, auf der Grundlage des amtsärztliche Gutachtens Dris x, BH Vöcklabruck, vom 3. Oktober 2008, San20-18869-2008, auf ein Jahr befristet und durch die Auflage von Harnkontrollen alle 3 Monate, wegen "Kontrolle des Suchtgiftkonsums bei Anzeige nach dem SMG und Zustand nach gehäuftem Missbrauch, Rückfallgefahr" eingeschränkt mit Bescheid der Erstinstanz vom
12. Februar 2009, VerR21-630-2008.

In der Verhandlung am 28. Oktober 2010 wurde geklärt, dass der Bw damals in Simbach gearbeitet hat und sein Arbeitgeber ihm für die Fahrt von Simbach nach Vöcklabruck und zurück nur freigegeben hätte, wenn der Bw eine schriftliche Bestätigung der Erstinstanz vorgelegt hätte über einen bestimmten Termin bei der Amtsärztin zur Harnkontrolle. Auf seine telefonischen Ersuchen wurde dem Bw von der Amtsärztin eine schriftliche Bestätigung verweigert und ihm wurde auch die Möglichkeit einer Kontrolluntersuchung (im Wege eines Drogen­schnell­tests) beim Amtsarzt der BH Braunau/Inn nicht eröffnet. Die Amtsärztin hat über die Telefonate des Bw Aktenvermerke angefertigt und dem Bw nahegelegt, nach Möglichkeit zu kommen. Auf diese Weise hat der Bw die ihm mit Bescheid der Erstinstanz vom 12. Februar 2009, VerkR21-630-2008, auferlegten Kontroll­unter­­suchungen nicht gemacht, ohne dass die Amtsärztin dies an die Verkehrs­abteilung der Erstinstanz weitergeleitet hätte.

Seine befristete Lenkberechtigung lief am 12. Februar 2010 ab und der Bw ver­ein­barte für 9. März 2010 einen Termin bei der Amtsärztin. Dort wurde die Vor­ge­schichte geklärt und der vom Bw gemachte Harntest war negativ, worauf die Amtsärztin Frau Dr. x dem Bw nach seinen Aussagen erklärte, das gehe hinsichtlich Drogen in Ordnung.

 

Aus dem im Akt befindlichen amtsärztlichen Gutachten x vom 9. März 2010, San20-20744-2010, geht hervor, dass der Bw gemäß § 8 FSG zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klassen A und B, befristet geeignet auf drei Jahre sei. Auflagen gehen aus dem ursprünglichen Gutachten, das den Hinweis auf arterielle Hypertonie mit Kontrollerfordernis enthält, nicht hervor – ersichtlich ist das daraus, dass das Gutachten elektronisch ausgefüllt wurde.

Nach Aussage der Zeugin P kam der Bw mit diesem Gutachten zu ihr in die Verkehrs­­abteilung und beantragte dort die Verlängerung seiner Lenkberechti­gung. Bei Einsichtnahme in den Akt bemerkte sie, dass er die ihm für 12.5.2009, 12.8.2009 und 12."9."2009 auferlegten Kontrolluntersuchungen nie befolgt hatte und klärte telefonisch mit der Amtsärztin diesen Umstand. Das Gutachten gemäß § 8 FSG wurde daraufhin von der Amtsärztin insoweit abgeändert, als zusätzlich zur Befristung weitere Auflagen in Form von am 9. September 2010 und am
9. März 2011 zu absolvierenden Harnkontrollen eingefügt wurden, "da Auflagen vorher nie befolgt wurden". Das Gutachten wurde nach den telefonischen Aus­führungen der Amtsärztin von der Zeugin P handschriftlich ergänzt und dem Bw diese Ergän­zungen zur Kenntnis gebracht.

 

Die Zeugin P fertigte daraufhin ein schriftliches Formular betreffend Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer befristeten Lenkberechtigung handschriftlich insofern aus, als sie die fehlenden Auflagen laut dem "neuen" Gutachten ergänzte und zur Befristung bis 9. März 2013 die Auflage von Kontrolluntersuchungen des Harn alle sechs Monate, 1. bis 9. September 2010 und 2. bis 9. März 2011, einfügte. Der Bw reagierte darauf ärgerlich und enttäuscht, weil die nunmehrigen Auflagen vom ursprüng­lichen Gut­achten der Amts­ärztin entgegen deren Zusage dem Bw gegenüber abwichen, und erklärte, er brauche den Führerschein beruflich unbe­dingt und sei in Eile, weil er in die Arbeit fahren müsse. Ihm wurde von der Zeugin P nahegelegt, die vorgelegte Niederschrift über den mündlich verkün­deten Bescheid samt Einverständniserklärung und Rechtsmittelverzicht zu unter­schreiben, wobei zwar darin auf eine erfolgte "Rechtsbelehrung" verwiesen wird; tatsächlich wurde nach übereinstimmenden Aussagen sowohl des Bw als auch der Zeugin P weder darüber gesprochen, dass es auch möglich sei, mit dem vorläufigen Führerschein weiter zu fahren, wenn er mit den Auflagen nicht einverstanden sei und sich ein Rechtsmittel dagegen überlegen wolle, noch wurde der Bw darauf aufmerksam gemacht, er könne eine schriftliche Aus­fertigung des mündlich verkündeten Bescheides verlangen. Der Bw unterschrieb schließlich im Zeitdruck diese Erklärung und verließ die BH Vöcklabruck mit einem vorläufigen Führerschein.

Er hatte mit seinem Rechtsvertreter eine telefonische Kontaktierung nach dem BH-Termin vereinbart. Dieser beantragte mit Schriftsatz vom 10. März 2010 per Fax die Zustellung einer Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides vom 9. März 2010, worauf die Zeugin P ihm mit Schreiben vom 16. März 2010 eine Kopie des Bescheides unter Einräumung einer Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelte, dies allerdings ohne Nachweis.           

Der Rechtsvertreter des Bw behauptet nun, er habe ein solches Schreiben samt der beantragten Ausfertigung des Bescheides vom 9. März 2010 nie erhalten. 

 

In der Verhandlung wurde geklärt, dass der Bw mittlerweile völlig unauffällig ist und der Drogentest vom 9. März 2010 negativ war.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Berufung:

Gemäß § 62 Abs.1 AVG können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung ist der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Ver­handlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden. Gemäß Abs.3 ist eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Aus­ferti­gung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des münd­lichen Bescheides zu belehren.

Gemäß § 63 Abs.5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr ein­ge­brachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiter­zu­leiten.

 

Im ggst Fall wurde in der mündlichen Verhandlung eindeutig festgestellt, dass eine Belehrung darüber, dass der Bw binnen drei Tagen eine schriftliche Aus­fertigung des mündlich verkündeten Bescheides verlangen könne, nicht erfolgt ist. Der Antrag des Rechtsvertreters vom 10. März 2010 war daher rechtzeitig und zulässig. Eine solche Übersendung ist laut Rechtsvertreter nicht erfolgt, sodass, wie er selbst in seiner Berufung vom 13. September 2010 ausführt, die Berufungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hatte, weshalb die Berufung zurück­zuweisen gewesen wäre. Tatsächlich wurde nach Aktvorlage an den UVS am 11. Oktober 2010 telefonisch mit dem Rechtsvertreter, der bislang vom gesamten Akteninhalt keine Kenntnis hatte, vereinbart, dass ihm eine Kopie des gesamten Verfahrens­aktes, also auch der Niederschrift über den mündlich verkündeten Bescheid vom 9. März 2010, übermittelt wird. Diese Kopie hat er erhalten und daraufhin mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2010 die Einvernahme der Zeugin P bei der bereits für 28. Oktober 2010 anberaumten Verhandlung ausdrücklich beantragt. Damit war über den Antrag auf Zustellung der schrift­lichen Bescheidausfertigung nicht mehr abzusprechen, sondern diesem Antrag insofern entsprochen, als die Über­sendung tatsächlich erfolgt ist.

In der Verhandlung wurde der Berufungsantrag, jetzt allerdings nicht mehr auf Fristen sondern auf den Inhalt des Bescheides vom 9. März 2010 bezogen, wiederholt, was aus der Sicht des UVS als neue Berufung nach Zusendung der schriftlichen Bescheid­ausfertigung im Sinne des § 63 Abs.5 AVG anzusehen ist. Die zweiwöchige Frist des § 63 Abs.5 AVG wurde daher eingehalten, dh die Berufung ist als rechtzeitig zu werten. In der Berufung wurde auf die inhaltlichen Ausführungen in der ursprünglichen Berufung verwiesen und dazu näheres ausgeführt.

  

Ohne Zweifel hat der am 9. März 2010 nicht anwaltlich vertretene Bw bei der Erst­­instanz einen Rechtsmittelverzicht unterschrieben. Ein solcher ist gemäß § 29 Abs.1 FSG im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung nicht wirksam, wohl aber im Verfahren betreffend die Einschränkung einer Lenkbe­rechtigung durch Auflagen und Befristung. Nach der Rechtsprechung des VwGH lässt schon der Wortlaut des § 29 Abs.1 FSG die Interpretation, diese Bestimm­ung gelte auch, wenn Sache die Befristung der besondere Lenkbe­rechtigung sei, nicht zu. In § 24 Abs. 1 FSG wird ausdrücklich die Unterscheidung zwischen der Ent­ziehung der Lenkberechtigung einerseits (Z1) und Einschrän­kungen der Lenk­berechtigung, ua durch Befristungen andererseits (Z2), getroffen. § 29 FSG ent­hält Verfahrensregelungen ausschließlich für das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung (vgl E 28.6.2001, 2001/11/0079; 24.11.2005, 2005/11/0188).

 

Der Bw hat damit argumentiert, er sei nicht entsprechend auf diesen Inhalt der vorgedruckten Erklärung hingewiesen und belehrt worden und habe deshalb den Rechtsmittelverzicht irrtümlich unter­schrieben, weil er das Ansinnen der Zeugin P so verstanden habe, dass er nur, wenn er mit den neuen Auflagen einverstanden sei, einen vorläufigen Führerschein bekomme und damit weiter fahren könne. Ihm sei auf seine ausdrücklich Erklärung, er sei mit der Auflage nicht einver­standen, nicht gesagt worden, dass er auch in diesem Fall mit einem vorläufigen Führerschein weiter fahren könne und hinsichtlich der Auflage dann ein der Berufung unterliegender Bescheid ergehen werde. Er habe beruflich den Führer­schein unbedingt ge­braucht, sei deshalb unter Druck gestanden und habe aus Zeitman­gel gegen seinen Willen eine Erklä­rung unterschrieben, dass er "diese führer­schein­recht­liche Maßnahme akzeptiere, den hiermit mündlich verkündeten Bescheid daher annehme und auf ein Rechts­mittel verzichte." Der Begriff "Rechtsmittel" sei ihm nicht geläufig gewesen. Dass der Bw mit der neuen Auflage nicht einverstanden war und das der Zeugin P gegenüber auch zum Ausdruck gebracht hat, hat das Beweisverfahren insofern ergeben, als die Zeugin P bestätigt hat, dass der Bw ihr gegenüber keinen Zweifel gelassen hat, dass er wegen der neuen Auflagen verärgert war, jedoch hat er nicht gesagt, er wolle sich noch mit jemandem beraten. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens wurde der Bw nicht darüber aufgeklärt, dass er die Erklärung des Rechtsmittel­verzichts im Einzelnen auch nicht unter­schreiben brauche. Über eventuelle Rechts­­mittel wurde bei der Amtshandlung nicht gesprochen.

 

Aus diesen Überlegungen gelangt der UVS zur Auffassung, dass der Rechtsmittel­verzicht vom nicht rechtskundigen und nicht anwaltlich vertretenen Bw aufgrund eines nicht von ihm verschuldeten Irrtums unterschrieben wurde und der Bw, hätte er die entsprechende Rechtsbelehrung, wie im vorgedruckten Bescheid angeführt, tatsächlich erhalten, eine solche Erklärung nicht unterschrieben hätte.    

Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt einem Rechtsmittelverzicht keine Wirkung zu, wenn dieser Willensäußerung jene allgemeinen Erfordernisse fehlen, die für das Zustandekommen einer rechtsverbindlichen Willenserklärung gelten. Ein Irrtum iSd § 871 ABGB schließt die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichtes aus. Nach dieser Bestimmung entsteht für den Erklärenden ua dann keine Verbindlichkeit, falls er in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser durch den anderen Teil veranlasst war. Veranlassen umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des anderen; die Irreführung muss weder vorsätzlich noch fahrlässig erfolgen (vgl E 21.2.1996, 92/14/0057, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens war unter diesem Gesichtspunkt im ggst Verfahren der Rechtsmittelverzicht des Bw unwirksam und die Berufung somit zulässig. 

 

 

2. Zum Inhalt der Berufung:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzu­schränken.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arznei­mittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärzt­licher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

Der Bw hat am 9. März 2010 bei der Amtsärztin einen Drogenschnelltest mit negativem Ergebnis absolviert. Die von der Zeugin P handschriftlich nach dem Telefonat mit der Amtärztin ergänzten Auflagen wurden mit der Begründung angefügt, dass "Auflagen vorher nie befolgt wurden." Objektive Bedenken im Hinblick auf einen aktuellen Drogenmissbrauch bestehen auch nach dem sehr guten persön­lichen Eindruck vom Bw in der mündlichen Verhandlung nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH vermag ein in der Vergangenheit liegen­der Suchtmittelmissbrauch einer Person im Hinblick darauf, dass diese mittler­­weile über einen längeren Zeitraum keinen Suchtmittelmissbrauch mehr begangen hat, die Anwendung des § 14 Abs.5 FSG-GV nicht zu rechtfertigen (vgl E 22.4.2008, 2006/11/0152; 27.4.2007, 2006/11/0090; uva)

 

Aus der Sicht des UVS ist festzuhalten, dass beim Bw kein Hinweis auf das Vorliegen einer fortschrei­tenden Erkrankung im Sinne des § 3 Abs.5 FSG-GV besteht. Die letztlich im Hinblick auf die VwGH-Judikatur nicht schlüssig begrün­dete Empfehlung einer zeitlichen Befristung der Lenkberechtigung durch die Amtsärztin ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates in einem gesundheitsbezogenen Licht zu sehen. Die kritiklose Übernahme des Begriffs "Befristung" samt den damit verbundenen Folgen würde im ggst Fall jedoch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eklatant wider­­sprechen. Die Amtsärztin hat zwar auf einen beim Bw erhöhten und zu kontrollierenden Blutdruck hin­gewie­sen, aber damit wurde keine Krankheit diagnostiziert, deren Verschlech­terung nach Ablauf nach drei Jahren "geradezu zu erwarten" wäre.

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs.3 Z2 FSG ist dann gegeben, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss (Hinweis E 15.12.1995, 95/11/0318, und 21.1.1997, 96/11/0267). Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten anzu­nehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 28.6. 2001, 99/11/0243, mit Hinweis auf Vorjudikatur E 18.1.2000, 99/11/0266; 24.4. 2001, 2000/11/0337).  

Auf dieser Grundlage war der angefochten Bescheid hinsichtlich der Befristung und der Auflagen ersatzlos aufzuheben und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Berufungsverzicht wegen von Behördenorgan veranlassten Irrtum unwirksam (unvollständige Rechtsmittelbelehrung inhaltlich und fehlend im Hinblick auf Bescheidvordruck); Suchtmittelkonsum länger zurückliegend, neg. Drogenharntest + Hinweis auf Missbrauch, Auflagen, "viele Auflagen nicht befolgt wurden", Auflagen und Befristung behoben

 

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