Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522689/2/Bi/Kr

Linz, 11.11.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, vom 9. Dezember 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 26. November 2009, VerkR22-1-139-2009, wegen Anordnung einer Nachschulung und Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung dagegen, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß § 4 Abs.6 Z2 FSG die Absolvierung einer Nachschulung – darunter sei ein verkehrspsychologischer Kurs für verkehrs- oder alkoholauffällige Kraftfahrzeug­lenker oder Lenker mit sonstiger Problematik zu verstehen – innerhalb von vier Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung – dh ab 30. November 2009 – aufgetragen. Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid allenfalls einzubringenden Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch Hinterlegung am 30. November 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich versehentlich erst im Oktober 2010 vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzel­mitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe im März 2009 eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, für die er 180 Euro Strafe bezahlt habe und den Führerschein von 2.6.2009 bis 16.6.2009 bei der Erstinstanz  ab­ge­geben habe. Erst am 7.12.2009 habe er einen Bescheid über eine Nach­schulung erhalten, den er nicht nachvollziehen könne, da sich die Verkehrstafel mit der 50 km/h-Beschränkung zum Zeitpunkt des Vergehens an einer unüber­sichtlichen Rechtskurve befunden habe und schlecht sichtbar gewesen sei, weil sie von Sträuchern eingewachsen gewesen sei. Er ersuche um Nachsicht.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, dass der Bw Zulassungsbesitzer des Pkw x ist. Laut Anzeige wurde dieser am 13. März 2009, 15.11 Uhr, im Bereich der 50 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung auf der B143, Gemeinde Ried/Innkreis, bei km 17.180 mittels geeichtem Stand-Radar MUVR 6FM 511, Nr.03, in Richtung Eberschwang fahrend mit einer Geschwindigkeit von 99 km/h gemessen. Nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen von 5 km/h wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 94 km/h der Anzeige und dem Tatvorwurf zugrunde gelegt, dh eine Geschwindigkeits­über­schreitung um 44 km/h.

Mit Strafverfügung der BH Ried/Innkreis vom 6. April 2009, VerkR96-2172-2009, wurde der Bw einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z.10 lit.a iVm 99 Abs3 lit.a StVO 1960 schuldig erkannt und bestraft, weil er am 13. März 2009, 15.11 Uhr, in der Gemeinde Ried/Innkreis, B143 bei km 17.180, mit dem Pkw x in einem Bereich, welcher außer­halb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchst­geschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen wurde.

 

Die Strafverfügung wurde dem Bw zu eigenen Handen zugestellt und nach einem erfolglosen Zustellversuch am 8. April 2009 mit Wirkung der Zustellung bei der Zustellbasis x hinterlegt. Die Strafverfügung enthielt eine ausführliche Rechtsmittelbelehrung und auch eine Belehrung über die Folgen eines Einspruchs. Die Strafverfügung wurde vom Bw – aus welchen Über­legungen immer – nicht beeinsprucht und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Damit ist auch die Führerscheinbehörde an den Schuldspruch der rechtskräftigen Strafverfügung gebunden, dh wenn tatsächlich das Vorschriftszeichen "Geschwin­dig­keits­beschränkung 50 km/h" zum Tatzeitpunkt "zugewachsen" gewesen sein sollte, hätte der Bw – wie in der einwandfrei verständlich formulierten Rechts­mittel­belehrung deutlich zu lesen – Einspruch erheben und diesen Umstand samt Anbot konkreter Beweismittel bei der BH Ried/Innkreis fristgerecht, dh bis spätestens 20. April 2009 geltend machen müssen. Seine nunmehrige Behauptung, das Verkehrszeichen sei in Sträuchern "eingewachsen" gewesen und liege außerdem in einer unübersichtlichen Rechtskurve, ist keines­wegs geeignet, Zweifel an der Richtig­keit des im übrigen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs zu erwecken.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 FSG unterliegen Lenkberechtigungen für die Klassen A, B, C und D oder die Unterklasse C1, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, einer Probezeit von zwei Jahren. Diese Probezeit ist in den Führerschein nicht einzutragen.

Gemäß Abs.3 dieser Bestimmung ist von der Behörde unverzüglich eine Nach­schulung anzuordnen, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probe­zeit einen schweren Verstoß – gemäß Abs. 6 Z2 lit.a gilt als schwerer Verstoß eine mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen – begeht oder gegen die Bestimmung des Abs.7 verstößt, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neube­ginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführer­scheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Her­stellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs.6 in die Wege zu leiten.

Gemäß § 1 Z3 Nachschulungsverordnung ist ua verkehrs­auffällig ein Probe­führer­­­schein­­besitzer, der einen schweren Verstoß gemäß § 4 Abs.6 FSG began­gen hat.

 

Der Bw hat laut Eintragung im Führerscheinregister am 11. November 2008 eine Lenk­berechtigung für die Klasse B erworben; die mit zwei Jahren gesetzlich vorge­schriebene Probezeit wäre am 11. November 2010 abgelaufen.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH enthält das FSG kein Verbot der Anordnung von begleitenden Maßnahmen nach Erlassung des Entziehungsbescheides. Eine Grenze für die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme ergibt sich allerdings insofern, als die nachträgliche Anordnung ("unverzüglich") nicht so spät erfolgen darf, dass daraus eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Betreffenden gegen­über jener bei gleichzeitiger Anordnung resultiert. Das durch die Rechtslage geforderte zeitliche Naheverhältnis zur Entziehung ist dann nicht mehr als gegeben anzusehen, wenn die Entziehungszeit im Zeitpunkt der Anordnung der Nachschulung bereits abgelaufen war (vgl E 24.2.2001, 99/11/0108; 19.7.2002, 99/11/0242).

 

Im ggst Fall ist nach Auffassung des UVS ein im Sinne des Begriffes "unver­züglich" im § 4 Abs.3 FSG anzusehendes zeitliches Naheverhältnis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung des Begehens eines schweren Verstoßes im ggst Fall nicht mehr gegeben, weil zwischen der Rechtskraft der Strafverfügung vom 6. April 2009 (Zustellung am 7. April 2009, dh Rechtskraft mit 21. April 2009) und der Zustellung der Anordnung einer Nachschulung am 30. November 2009 über sieben Monate liegen.

 

Außerdem hat im Sinne des Bestimmtheitserfordernisses des Bescheidspruches der Anordnungs-Bescheid Ausführungen darüber zu enthalten, welcher Art von Nachschulung sich der Bw zu unterziehen hat – hier einer Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker. Die Aufzählung der bestehenden Möglichkeiten allein reicht nicht aus (vgl VwGH 23.1.2001, 2000/11/0233).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Rechtskräftige Strafverfügung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung um 44 km/h außerhalb des Ortsgebietes 21.04.2009, Anordnung der Nachschulung gem. § 4 Abs.3 FSG 30.11.2009 "unverzüglich" -> Aufhebung

 

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