Linz, 15.11.2010
E R K E N N T N I S
I. Der Berufung wird im Punkt 1) und 3) Folge gegeben; das Straferkenntnis wird in diesen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;
im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
II. Zu Punkt 1) u. 3) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Zu Punkt 2) und 4) werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren 10 Euro und 40 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 und § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses hat die Behörde erster Instanz erwogen:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen:
„I. Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 23.09.2010, GZ: S-5557/ST/10, wird mir vorgeworfen, dass ich es am 09.07.2010 um 21:24 zweimal unterlassen hätte den Fahrstreifenwechsel durch (rechtzeitiges) Betätigen des Blinker anzukündigen, eine Sperrlinie überfahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 52 km/h überschritten hätte.:
II. Gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 23.09.2010, S-5557/ST/10, meinen Rechtsvertretern zugestellt am 27.09.2010, erhebe ich durch meine ausgewiesenen bzw. bevollmächtigen Rechtsvertreter in offener Frist
Berufung
an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und stelle den
Antrag
a) die Berufungsbehörde möge eine öffentliche mündliche Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung eines KFZ - (Amts-)Sachverständigen durchfuhren hinsichtlich derer ich meine Einvernahme beantrage und
b) das angefochtene Straferkenntnis vom 23.09.2010, GZ: S-5557/ST/10 ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen;
c) in eventu die Strafhöhe herabsetzen
III. Meine Anträge begründe ich im einzelnem wie folgt:
In Pkt. 1 und 3 des bekämpften Straferkenntnisses wird mir vorgeworfen, dass ich meiner straßenverkehrsrechtlichen Pflicht - rechtzeitig vor jedem Fahrstreifenwechsel diesen mittels Blinkzeichen anzukündigen - zweimal nicht nachgekommen bin. Dieser Vorwurf entspricht nicht den Tatsachen, zumal ich jeden Fahrstreifenwechsel rechtzeitig durch Setzen des entsprechenden Blinkere nachgekommen bin.
Den Einvernahmen der erhebenden Beamten ist zu entnehmen, dass zum Vorfallszeitpunkt (21:24; Uhr) nur ein geringfügiges Verkehrsaufkommen auf der Haratzmüllerstrasse (Fahrtrichtung stadtauswärts) vorlag.
Selbst wenn die Behörde zu Recht angenommen hat was wiederum aus den obigen Gründen bestritten wird - dass ich es zweimal verabsäumt habe rechtzeitig vor dem Fahrstreifenwechsel ein Blinkzeichen zu setzten, so ist es keinesfalls zu einer Gefährdung der anderen Straßenbenützer bzw. des mich verfolgenden Zivilstreifenwagen gekommen. Der Zivilstreifenwagen fuhr zu diesem Zeitpunkt mit einem erheblichen Tiefenabstand hinter meinem Fahrzeug her Die Behörde wäre daher gemäß § 21 VStG aufgrund/der Geringfügigkeit bzw. der unbedeutenden Folgen meiner Übertretungen verpflichtet gewesen von der Verhängung einer diesbezüglichen Strafe abzusehen.
Beweis: PV,
KFZ- (Amts-)Sachverständiger
Ortaugenschein.
In Punkt; 2. des bekämpften Straferkenntnisses wird mir vorgeworfen, dass ich auf: der Haratzmüllerstrasse stadtauswärts fahrend bei StrKm 30,491 vom linken auf den rechten Fahrstreifen gewechselt bin und dabei die Sperrlinie überfahren hätte Es ist richtig, dass ich nach dem Kreisverkehr einen Fahrstreifenwechsel durchführte. Die Sperrlinie habe ich hiebei aber nicht überfahren.
Beweis: wie bisher
In Punkt 4. des bekämpften Straferkenntnisses wird mit vorgeworfen, dass ich die höchstzulässige Geschwindigkeit im Ortgebiet von 50 km/h um 52 km/h überschritten hätte. Dies ist nicht zutreffend Meine Fahrgeschwindigkeit betrug zu keinem Zeitpunkt - auch nur annähernd -102 km/h.
Zu Beginn der Verfolgungsfahrt war der Tiefenabstand zwischen meinem KFZ und dem mich verfolgende Zivilfahrzeug beträchtlich bzw. erheblich Das Zivilfahrzeug hat im Zuge der Verfolgungsfahrt auf mich aufgeschlossen und den Tiefenabstand zu meinem Fahrzeug stetig reduziert. Es war daher mit einer weit höheren Geschwindigkeit unterwegs als ich mit meinem KFZ. Zudem ist ein Teil der stadtauswärts führenden Haratzmüllerstrasse abschüssig bzw. ist der Straßenverlauf nicht gerade, und somit für die erhebenden Beamten durchgehend einsehbar. Als ich hinter mir. das Zivilfahrzeug mit ^geschaltetem Blaulicht bemerkt habe, habe ich mein Fahrzeug auf Höhe des Stadtbades Steyr bei der Bushaltestelle abgestellt.
Ferner ist der Tachometer des Zivilfahrzeuges nicht geeicht bzw. befand sich kein geeignetes Messgerät im Zivilfahrzeug um meine Fahrgeschwindigkeit verlässlich feststellen zu können. Die von den Beamten zur Ermittlung der Tachoabweichung durchgeführten Messfahrten sind mit erheblicher Ungenauigkeit behaftet. Zu einem ist es unmöglich (ohne Prüfstand bzw. diesbezüglicher Messgeräte) zum Messzeitpunkt eine exakt gleichbleibende Fahrgeschwindigkeit einzuhalten und zum anderen ist auch das Messinstrument (Laser) wiederum mit einer Ungenauigkeit behaftet. Das von den Beamten durchgeführte Verfallen zur Ermittlung der Tachoabweichung ist keinesfalls geeignet um exakte und verlässliche Werte erzielen zu können.
Zudem können. die vom Beamten am Tacho abgelesenen Geschwindigkeiten - unabhängig von der tatsächlichen Tachoabweichung - nicht herangezogen werden, da das Zivilfahrzeug im Zuge der Verfolgung den Tiefenabstand auf mein Fahrzeug stetig reduziert hat und daher die Geschwindigkeit des Zivilfahrzeuges höher war als die meines Fahrzeuges.
Neben meiner Einvernahme wird die Abhaltung eines Qrtsaugenscheines und die Hinzuziehung eines KFZ-(Amts-) Sachverständigen zum demselbigen beantragt.
Beweis : Parteieneinvernahme,
Ortsaugenschein,
KFZ-(Amts-)Sachverständiger,
Auch die verhängte Strafe selbst scheint der Höhe nach unangemessen und hätte mit einer wesentlich geringeren Strafe das Auslangen gefunden werden können.
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz 500 Euro nicht übersteigender Geldstrafen wegen des gesonderten Antrages der Durchführung eines Ortsaugenscheins erforderlich. Darauf wurde letztlich auf Grund der beigeschafften maßstabsgetreuen und mit der Straßenkilometrierung versehenen Luftbilddokumentation des Streckenverlaufes verzichtet.
Vom Verhandlungsleiter wurde der Streckenbereich außerhalb der Berufungsverhandlung befahren.
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Sowohl der Berufungswerber persönlich, als auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz, nahm an der Berufungsverhandlung teil.
Die Meldungsleger Inspin. X und BI X wurden zeugenschaftlich zu deren Wahrnehmung einvernommen. Der technische Amtssachverständige Dipl.-Ing. (FH) X erstattete zur Frage der Feststellung der Fahrgeschwindigkeit am 5.11.2010 ein Gutachten, welches in dessen Beisein im Rahmen der Berufungsverhandlung zur Erörterung gelangte.
4. Erwiesener Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte zur oben angeführten Zeit und Örtlichkeit seinen 65 PS starken Pkw ab dem Kreisverkehr bei der Ennsbrücke in Richtung stadtauswärts. Weil ihm kurz vorher in ganz knappen Abstand ein Fahrzeug folgte sei er schneller gefahren um dieses gleichsam abzuhängen. Er führte folglich zwei Fahrstreifenwechsel durch die vorher nicht angezeigt wurden, jedoch lt. Zeugen für andere Verkehrsteilnehmer nicht relevant wurden.
Er räumt im Rahmen seiner Verantwortung anlässlich der Berufungsverhandlung eine Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h ein, bestreitet jedoch das Ausmaß der ihm angelasteten Fahrgeschwindigkeit und auch das Überfahren der Sperrlinie etwa 50 m nach dem Kreisverkehr im Bereich des dort gelegenen Schutzweges.
Offenbar in der Meinung des Berufungswerbers, das vorher knapp auffahrende Fahrzeug würde sich weiter hinter ihm befinden, beschleunigte er ab dem Bereich 500 m nach dem Kreisverkehr (Strkm 30,0) sein Fahrzeug auf der Haratzmüllerstraße auf deutlich mehr als 100 km/h. Am Tacho des ihm in einem gleichbleibenden Abstand von 25 bis 30 m mit Blaulicht und zuletzt auch unter Verwendung des Folgetonhorns bis zum Parkbad bei Strkm 29,4 nachfahrende Zivilstreifewagen der Polizei, wurde mehrfach eine Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h abgelesen. Vor dem Parkbad reduzierte der Berufungswerber schließlich abrupt seine Fahrgeschwindigkeit und hielt auf dem dortigen Busparkplatz an, wo an seiner Person auch ein Alkoholgehalt der Atemluft im Bereich des Führerscheingesetzes festgestellt wurde.
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Im Gegensatz zur Verantwortung des Berufungswerbers waren die Zeugenaussagen der Zivilstreifebesatzung Inspin. X und BezInsp. X auch vom Sachverständigen als schlüssig nachvollziehbar und auch für die Berufungsbehörde überzeugend.
Beide Beamte schilderten die Umstände der Nachfahrt authentisch, nicht aufgesetzt und in jeder Richtung hin gut nachvollziehbar. Als Grund für die aufgenommene Nachfahrt wurde von BI X eine als aggressiv beobachteten Fahrweise genannt (extremes Beschleunigen zweier Pkw an einer Kreuzung vor dem Kreisverkehr).
Der Berufungswerber dürfte dabei übersehen haben, dass das Zweitfahrzeug den Kreisverkehr bereits vor ihm verlassen hatte, wobei er dieses als das ihm nachfahrende Polizeifahrzeug zu vermuten schien.
Jedenfalls führte er kurz nach dem Kreisverkehr in der Beschleunigungsphase einen Fahrstreifenwechsel durch, wobei er die Sperrlinie überfuhr.
Die als Beifahrerin im Fahrzeug befindliche Inspin. X blickte während der sich über insgesamt etwa zwei Kilometer erstreckenden Nachfahrt mehrfach auf den Tacho des Dienstkraftwagens, wobei sie jeweils 120 km/h ablesen konnte. Im Verlaufe der Nachfahrt blieb der Abstand weitgehend konstant, wobei er sich tendenziell im Zuge des Gefälleverlaufes im Bereich des Pumpwerks sogar etwas vergrößerte. Die Zeugin X setzte folglich vom Beifahrersitz aus das Blaulicht am Fahrzeugdach auf. Auch dieses dürfte vom Berufungswerber unbemerkt geblieben sein, sodass vom Lenker BI X in weiterer Folge auch noch das Folgetonhorn eingeschaltet wurde.
Ausgehend von der abgelesenen Fahrgeschwindigkeit am Dienstkraftwagen im Umfang von 120 km/h und einer gesicherten Nachfahrstrecke im gleichbleibenden Abstand von mehr als 500 m folgt laut Gutachten des SV vom 5.11.2010 eine beweissichere (anlastbare) Fahrgeschwindigkeit von 106 km/h.
Die Behörde erster Instanz lastete in der angefochtenen Entscheidung mit 102 km/h sogar noch von einer geringeren Geschwindigkeit an, sodass der Schuldspruch hier ohne Anhaltspunkte für Zweifel in diesem Umfang zu bestätigen war.
Der Sachverständigte erörterte unter Hinweis auf sein vorweg übermitteltes Gutachten, welches dem Rechtsvertreter noch vor der Berufungsverhandlung zur Einsicht gegeben wurde, die in Abzug zu bringenden Toleranzen. Insbesondere ist darin der sogenannten Parallaxenfehler im Umfang von drei Kilometer pro Stunde und die Tachoungenauigkeit. Zu Gunsten des Berufungswerbers wurde auch noch eine Abstandsverkürzung zum Vorderfahrzeug zu Grunde gelegt, welche jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnedies nicht zutrifft. Die gutachterlichen Annahmen sind demnach sehr zu Gunsten des Berufungswerbers getätigt worden.
Wenn der Berufungswerber aus wohl durchaus verständlichen Gründen versucht einen ihm drohenden Kurzzeitentzug seiner Lenkberechtigung zu entgehen, sprechen die Fakten doch klar gegen ihn.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass von derartigen Rasereien ein enormes abstraktes Gefahrenpotenzial ausgeht. Dies insbesondere in Ballungszentren, wo andere Verkehrsteilnehmer mit solch exzessiven Geschwindigkeiten nicht rechnen und sich darauf nicht einstellen können. Dies wurde vom VL etwa im Rahmen der Berufungsverhandlung unter Hinweis auf einen erst wenige Tage vorher in Oberösterreich geschehenen Verkehrsunfall mit drei jugendlichen Verkehrstoten dem Berufungswerber vor Augen zu führen versucht.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
Zu 1. und 3.:
Nach § 11 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.
Das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 11 Abs.2 StVO liegt in dem Vorwurf, dass der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht so rechtzeitig angezeigt hat, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten (VwGH 22.3.1995, 94/03/0319).
Nur beide Aspekte zusammen erfüllen die Voraussetzung für diese Schutznorm (vgl. ZfVB 1989/1254 mit Hinweis auf VwGH verst. Sen. 3.10.1985, 85/02/0053 u. ZfVB 1986/3/1344).
Wie oben festgestellt wurden keine Anhaltspunkte evident, inwiefern sich dadurch andere Verkehrsteilnehmer auf diesen Vorgang nicht hätten einstellen können bzw. irritiert worden wären. Aus der Anzeige lässt sich kein Umstand ableiten, warum die Anzeige der Fahrtrichtungsänderung aufgrund der Verkehrslage notwendig gewesen wäre. Diesbezüglich ist auf die Zeugenangaben der Meldungsleger zu verweisen.
Rechtlich war daher das Straferkenntnis in den beiden Punkten zu beheben und das Verfahren iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Zu 2. u. 4.:
Diesbezüglich kann grundsätzlich auf die zutreffende Subsumierung des Tatverhaltens seitens der Behörde erster Instanz und die ebenso umfassende Begründung verwiesen werden.
Nach § 9 Abs.1. StVO dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs. 2) und Sperrflächen (§ 55 Abs. 4) grundsätzlich nicht überfahren, nicht befahren werden.
Wenngleich dem Überfahren der Sperrlinie hier nur der Charakter einer, ebenso wie das unterbliebe Anzeigen der Fahrtrichtungsänderung folgenlos geblieben ist, handelt es sich bei Letzterem um eine offenbar bewussten Verstoß gegen diese Ordnungsvorschrift.
6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Insbesondere Rasereien in Ortsgebieten ist neben des hohen abstrakten Gefährdungspotenzials, auch prinzipiell ein Mangel an Bereitschaft zu einem verkehrsangepassten Fahrverhalten abzuleiten. Auch zwei einschlägige und mehrere andere Verwaltungsvormerkungen nach StVO und KFG lassen auf eine diesbezügliche mangelhaft ausgeprägte Wertverbundenheit schließen.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Was den objektiven Tatunwert betrifft ist zur Illustration insbesondere auf physikalisch bedingte Veränderung des Anhaltweges hinzuweisen. Dieser liegt bei einer Bremsung mit 7,5 m/sek2 (ein einer Vollbremsung nahe kommender Verzögerungswert) aus 50 km/h unter Annahme einer Reaktionszeit von einer Sekunde bei 28,13 m, während dieser bei der vom Berufungswerber gefahrenen Geschwindigkeit bereits bei 90,17 m liegt. Der Punkt an dem der Pkw aus 50 km/h zum Stillstand gelangt wird bei dieser Ausgangsgeschwindigkeit noch ungebremst durchfahren (Berechnung mit Analyzer PRO 6.0).
Dies rechtfertigt daher neben spezialpräventiven Überlegungen auch aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer durchaus spürbaren Geldstrafe. Der Führerscheingesetzgeber sieht darüber hinaus auch noch als erzieherische Maßnahme einen sogenannten Kurzzeitentzug der LB vor (s. VfGH 14.3.2003, G 203/02 ua).
Vor diesem Hintergrund ist selbst angesichts des bisher nicht bekannten Umstandes der Sorgepflichten des Berufungswerbers für ein Kind die im Punkt 4. verhängte Geldstrafe durchaus noch als angemessen zu erachten.
Der Berufung musste daher in den genannten Punkten sowohl im Schuld- als auch im Strafausspruch ein Erfolg versagt werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r