Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300898/16/SR/Ba

Linz, 11.11.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 10. Juni 2009, Sich96-313-2008, berichtigt mit "Straferkenntnis" vom 30. Juni 2009, Sich96-313-2008, wegen einer Übertretung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde x vom 4. Oktober 2007 zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 und § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG;

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 10. Juni 2009, Sich96-313-2008, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie sind am 30.05.2008 in der Zeit von 16:05 bis 16:10 Uhr mit einem elektrisch betriebenen Modellflugzeug (Elektrosegler der Marke `Tangent´, Modell `Kult Mini´, Antriebsmotor: Marke AXI 2814/16 Gold Line), im Bereich der Grst. Nr. x, KG x, Gemeinde x, geflogen, obwohl lt. Verordnung der Gemeinde x. vom 8.10.2007, Zahl: 031-2-2007-Dw, der Betrieb von Modelflugkörpern im Bereich dieser Grundstücke verboten ist.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 in Verbindung mit § 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ottnang am Hausruck vom 8.10.2007, Zahl: 031-2-2007-Dw in Verbindung mit  § 10 Abs. 2 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979, LGBl. Nr. 36/1979 i.d.g.F.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von     

 

100 Euro

 

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von   

48 Stunden

Gemäß

§ 10 Abs. 2 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979, LGBl Nr. 36/1979 idgF  

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 110 Euro."

 

In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hat die belangte Behörde nach Wiedergabe des relevanten Sachverhaltes, der einschlägigen Bestimmungen des Oö. Polizeistrafgesetzes und der VO des Gemeinderates der Gemeinde x vom 4. Oktober 2007 im Wesentlichen ausgeführt, dass für sie außer Zweifel stehe und der Bw auch nie in Abrede gestellt habe, dass "er zum angeführten Tatzeitpunkt am angeführten Tatort Modellflugkörper betrieben" habe. Zum Vorbringen des Bw, dass ein strafbares Verhalten nur dann vorliege, wenn nachgewiesen werden könne, dass es sich bei dem konkret verwendeten Modellflugkörper um eine Lärmquelle handle, führte die belangte Behörde aus, dass "in der Verordnung Modellflugkörper als solche selbst bereits als Lärmquelle definiert" seien und "daher die Behörde nicht mehr zu prüfen" habe, "inwieweit der einzelne Flugkörper Lärm verursacht hat". Die Tathandlung stelle daher eindeutig eine Missachtung der Lärmschutzverordnung der Gemeinde x und somit eine Übertretung gemäß § 10 Abs. 2 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz dar.

 

Mangels Bekanntgabe der persönlichen Verhältnisse sei das Einkommen des Bw mit 1.500 Euro netto monatlich geschätzt worden. Die verhängte Strafe sei tat- und schuldangemessen und erforderlich gewesen, um den Bw vor weiteren strafbaren Handlungen der gleichen schädlichen Neigung abzuhalten. Eine Ermahnung sei nicht zur Anwendung gekommen.

 

Das Straferkenntnis wurde dem Bw am 17. Juni 2009 zu eigenen Handen zugestellt.

 

1.2. Mit "Straferkenntnis" vom 30. Juni 2009, Sich96-313-2008, hat die belangte Behörde gemäß § 62 Abs. 4 AVG eine Berichtigung des Straferkenntnisses vom 10. Juni 2009 vorgenommen (Austausch des Modellflugzeuges) und den Spruch wie folgt formuliert:

 

"Sie sind am 30.05.2008 in der Zeit von 16:05 bis 16:10 Uhr mit einem elektrisch betriebenen Modellflugzeug (Elektrohubschrauber der Marke `Gaui´, Modell `Hurricane 550´, Antriebsmotor: Marke Hurricane 550 1500W/1100K), im Bereich der Grst. Nr. x, KG x, Gemeinde x, geflogen, obwohl lt. Verordnung der Gemeinde x. vom 8.10.2007, Zahl: 031-2-2007-Dw, der Betrieb von Modelflugkörpern im Bereich dieser Grundstücke verboten ist. "

 

Der Berichtigungsbescheid ("Straferkenntnis") wurde dem Bw am 3. Juli 2009 zu eigenen Handen zugestellt.

 

2. Gegen das dem Bw am 17. Juni 2009 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis vom 10. Juni 2009 richtet sich die vorliegende, der Post am 30. Juni 2009 zur Beförderung übergebene und somit rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Begründend brachte der Bw im Wesentlichen vor, dass sein Elektroflugmodell so leise sei, dass es aus geringer Entfernung nicht mehr gehört werden könne. Ob etwas als Lärmquelle anzusehen sei, hänge von den tatsächlichen Verhältnissen und der Verkehrsauffassung ab und könne nicht durch eine Lärmschutzverordnung definiert werden. Lediglich ob ein Lärm ungebührlicherweise erregt werde, könne juristisch geregelt werden. Aus der Einleitung der genannten Lärmschutzverordnung sei deutlich erkennbar, dass sie dazu diene, den Betrieb von Lärmquellen zu verbieten, die das örtliche Gemeinschaftsleben durch ungebührlicherweise störenden Lärm beeinträchtigten können. Da aber lautlose und sehr leise Modellflugzeuge keinen störenden Lärm erzeugen können, wäre deren Verbot keine Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach mit der Lärmschutzverordnung der Gemeinde x jedes Modellflugzeug, also auch lautlose, zu Lärmquellen erklärt wurden, sei unvertretbar. Sollte sich die Berufungsbehörde dieser Auslegung anschließen, werde beantragt, die Lärmschutzverordnung durch den VfGH als gesetzwidrig aufheben zu lassen. Nach der Bezugnahme auf sehr leise bzw. lautlose Modellflugzeuge und dem Hinweis auf eine Entscheidung des VfGH, in der dieser durch "tatsachenwidrige Sachverhaltsschilderungen" zu einem "unrichtigen Ergebnis" gekommen sei, macht der Bw jedenfalls mangelndes Verschulden geltend und bringt dazu vor, dass er sich rechtlich ausführlich beraten lassen und der überzeugenden und logischen Rechtsbelehrung des x Hofrat x vertraut habe. Ihm folgend sei er davon ausgegangen, dass die Verordnung nur so ausgelegt werde könne, dass sie das Fliegen mit lautlosen und leisen Modellflugzeugen auf den genannten Grundstücken nicht verbiete. Der genannte Jurist habe diese Rechtsansicht auch dem stellvertretenden Bezirkshauptmann mitgeteilt und dieser habe die überzeugenden Argumente nicht widerlegen können. Abschließend beantragt der Bw die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens.

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 25. November 2009 hat der Bw eine Berufungsergänzung eingebracht und sich darin einerseits mit einem bereits abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren (einen Vereinskollegen betreffend) und andererseits mit der Lärmschutzverordnung auseinandergesetzt.  

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Schreiben vom 5. August 2009 den Verwaltungsstrafakt Sich96-313-2008 samt Berufungsschrift vorgelegt und darauf hingewiesen, dass gegen den Berichtigungsbescheid keine Berufung eingebracht worden ist.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

Um sich mit dem Vorbringen des Bw auseinander setzen zu können wurde die Marktgemeinde x um Übermittlung der angesprochenen Akten (Verordnungsakt, Gemeindezeitung, Verordnung) ersucht.

 

3.2.1. Aufgrund der Aktenlage hegte das zur Entscheidung berufene Mitglied des Oö. Verwaltungssenates Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde x vom 4. Oktober 2007, GZ 031-2-2007 DW, und stellte daher am 15. Jänner 2010, Zl. VwSen-300898/8/MZ/La, an den Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Verordnungsprüfung gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG und §§ 57ff VfGG.

 

Der Antrag wurde mit einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Oö. PolStG, inhaltlicher Unbestimmtheit (Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 MRK) und Verletzung des Differenzierungsgebots / Allgemeine Unsachlichkeit wie folgt begründet:

 

3.2. Inhaltlichen Unbestimmtheit der Lärmschutzverordnung /Verstoß gegen Art 7 Abs. 1 MRK

§ 1 der Lärmschutzverordnung zufolge wird "zur Abwehr von […] ungebührlicherweise störendem Lärm die Verwendung oder der Betrieb folgender Lärmquellen verboten: Modellflugkörper". Der Verordnungsgeber sieht – wie sich aus dem Akt und den angefochtenen Straferkenntnissen ergibt – völlig unabhängig von der konkreten Lärmentwicklung jeden Modellflugkörper als ungebührlichen Lärm verursachend an (dazu auch unten). Er unterlässt es, im Sinne von § 3 Abs. 2 Oö. PolStG entsprechende Lautstärkepegel bzw Schallfrequenzbereiche zu nennen, oder etwa auf die Dauer der Flugzeiten einzugehen. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich verstößt der Gemeinderat der Gemeinde x dadurch gegen das von der Bundesverfassung vorgegebene Gebot, generelle Normen inhaltlich ausreichend zu determinieren.

 

Dieses Erfordernis gilt insbesondere für Vorschriften, die ein strafbares Verhalten begründen: Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgehalten hat, gebietet Art 7 Abs. 1 MRK unter anderem, dass gesetzliche Straftatbestände klar und unmissverständlich definiert sein müssen (VfSlg 17.692/2005; vgl auch VwSlg 13.848 A/1993). Die angefochtene Lärmschutzverordnung widerspricht diesem Klarheitsgebot, da für den (nicht Aktenkenntnis habenden) Rechtsunterworfenen aufgrund der Formulierung der Vorschrift nicht klar erkennbar ist, ob lediglich ungebührlichen Lärm verursachende Modellflugkörper nicht betrieben werden dürfen, oder ob ein generelles Verbot der Modellfliegerei – unabhängig davon, ob überhaupt Geräusche bzw Lärm erzeugt werden – besteht. Es schiene nämlich durchaus möglich, die Lärmschutzverordnung so zu verstehen, dass eben nur ungebührlichen Lärm erzeugende Modellflugkörper nicht betrieben werden dürfen, solche die gebührlichen Lärm erzeugen hingegen schon.

 

3.3. Verletzung des Differenzierungsgebots / Allgemeine Unsachlichkeit

 

Generelle Normen verletzen das Gleichheitsgebot ua dann, wenn sie trotz wesentlicher Unterschiede im Tatsächlichen von einer differenzierenden Regelung absehen respektive überhaupt unsachlich sind. Beide genannten Fälle treffen bei der ggst Lärmschutzverordnung zu:

 

Zweifellos ist zwischen Modellflugkörpern, die keinerlei Lärm erzeugen, und solchen, die Lärm erzeugen, ein wesentlicher Unterschied gegeben. Die Lärmschutzverordnung unterlässt es aber, diesbezüglich eine differenzierende Regelung vorzunehmen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat übersieht dabei nicht die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 27. Februar 2002, V 89/99 (VfSlg 16.093/2001), in welcher der Gerichtshof hinsichtlich einer ähnlich lautenden Verordnung zum Ergebnis gelangte, dass Rechtswidrigkeit nicht vorliegt. Auch in diesem Fall hegte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Bedenken gegen eine generelle, nicht nach der Lärmbelastung differenzierende Einschränkung der Verwendung bzw des Betriebs von Modellflugkörpern. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, dass Modellflugkörper, die mit Elektromotor betrieben werden, nicht mit Fluggeräten mit Verbrennungsmotoren gleichzusetzen sind. Diesen Bedenken wurde nicht Rechnung getragen: Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass dem Verordnungsgeber nicht entgegengetreten werden könne, "wenn er bei gegebener Sachlage zu der Auffassung gelangt ist, dass auch andere als mit Verbrennungsmotoren betriebene Flugkörper geeignet sind, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen, zumal auch § 3 Abs. 2 des O.ö. Polizeistrafgesetzes ausdrücklich auf die Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz eines Geräusches Bezug nimmt." Zwar würden Elektromotoren einen niedrigeren Lautstärkepegel erreichen als Verbrennungsmotoren, das Geräuschspektrum besitze aber einen wesentlich höheren Frequenzgehalt. Ferner würden auch Segelflieger Lärm verursachen, da diese entweder mit einem Modellflugzeug mit Verbrennungsmotor oder aber mit einer Seilwinde mit Verbrennungsmotor in die Luft geschleppt würden, wodurch in beiden Fällen ein ungebührlicherweise störender Lärm verursacht werde. Motorsegler schließlich würden mit einem Motor betrieben und in eine bestimmte Höhe gebracht. Erst dann werde der Motor ausgeschalten und über Funk gesteuert.

 

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht jedoch auch die Möglichkeit, Segelflieger bzw Motorsegler von nicht vom Verbot erfassten Grundstücken aus in die Luft zu bringen, und dann – ohne Lärm zu verursachen – die Flugverbotszone erreichen. Weiters gibt es, der Stellungnahme der Beschuldigten vom 25. November 2009 nach, Modellsegelflugzeuge, die durch Werfen mit der Hand gestartet werden und im Hangaufwind bzw im thermischen Aufwind ferngesteuert stundenlang fliegen können. Ein Totalverbot unter dem Deckmantel des Schutzes vor Lärm trägt diesen Möglichkeiten nicht Rechnung. Aus dem gegenständlichen Verordnungsakt geht ferner nicht hervor, dass bezüglich der Lärmentwicklung einer Seilwinde, mit der Segelflieger hochgezogen werden können, ein Gutachten eingeholt worden wäre. Da sich eine Seilwinde am Boden befindet, ist die Ausbreitung des von dieser verursachten Lärms in keinster Weise mit jenem von Flugkörpern zu vergleichen. Die Notwendigkeit der Verordnungserlassung ist daher auch in dieser Hinsicht für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht erkennbar.

 

Ein weiterer wesentlicher Unterschied der ggst. Lärmschutzverordnung zu jener im Verfahren V 89/99 besteht darin, dass die Lärmschutzverordnung der Gemeinde x den Betrieb von Modellflugkörpern zu jeder Zeit untersagt. Die der Entscheidung V 89/99 zugrunde liegende Verordnung gestattete hingegen von Montag bis Freitag zwischen 14.00 und 17.00 Uhr, Modellflugkörper zu betreiben. Warum im ggst. Fall ein Totalverbot erforderlich ist, geht aus dem Verordnungsakt nicht hervor. Die Gemeinde x hat es aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates unterlassen, im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen geringeren Rechtseingriff zu überlegen bzw nachvollziehbar darzulegen, wieso im konkreten Fall es nicht möglich ist, zu bestimmten Zeiten den Betrieb von Modellflugkörpern zu gestatten. Ein Totalverbot scheint somit überschießend.

 

Es kann zudem keineswegs davon ausgegangen werden, dass jeder motorbetriebene Modellflugkörper per se ungebührlichen störenden Lärm erzeugt. Sachlich erschiene es, konkrete Lautstärke- respektive Schallfrequenzpegel festzusetzen, die von Modellflugkörpern nicht überschritten werden dürfen.

 

Wie aus dem Verordnungsakt hervorgeht, kommt es der Gemeinde x jedoch gar nicht darauf an, die Bevölkerung vor ungebührlichem Lärm zu schützen, sondern die Modellfliegerei an sich zu verbieten. Auf eine Anfrage von Herrn x vom 21. Februar 2008, wie hoch der Lärmpegel eines mit Verbrennungsmotor betriebenen Modellflugzeugs sein dürfe, um im Rahmen der Lärmschutzverordnung keine Verwaltungsübertretung zu begehen, beabsichtigte der Bürgermeister der Gemeinde x mit Schreiben vom 22. Februar 2008 folgende Antwort:

 

"Künftig stellt bereits die Verwendung oder Betrieb von Modellflugkörper im Sinne dieser Verordnung einen strafbaren Tatbestand dar und es ist nicht mehr nachzuweisen, ob diese Modellflugkörper tatsächlich ungebührlicherweise störenden Lärm erregt haben. Auch ist es nicht mehr relevant, wie laut diese waren." In diesem Sinne wurden auch die beiden diesem Antrag zugrunde liegenden Straferkenntnisse begründet.

 

Die generelle Strafdrohung für den Betrieb von Modellflugkörpern scheint im Hinblick auf diese Auffassungen unsachlich bzw willkürlich. Zudem ist ein derartiges, nicht auf ungebührlichen störenden Lärm abzielendes Verbot nicht von der Verordnungsermächtigung des § 4 Abs. 1 Oö. PolStG gedeckt.

 

3.2.2. Mit Erkenntnis vom 6. Oktober 2010, V 13/10-12, wies der Verfassungsgerichtshof den Verordnungsprüfungsantrag ab.

 

Zu den Bedenken des Oö. Verwaltungssenates führte der Verfassungsgerichtshof unter Punkt 2.2. wie folgt aus:

 

§ 4 oö. PolStG sieht eine Zuständigkeit der Gemeinden zur Erlassung von zeitlichen und örtlichen Beschränkungen für die Verwendung oder den Betrieb von Modellflugkörpern zur Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm vor. Es ist davon auszugehen, dass Gemeinden ein Flugverbot für Modellflugkörper erlassen dürfen, soweit ein solches Verbot iSd § 4 oö. PolStG zum Schutz der Nachbarschaft vor ungebührlichem Lärm erforderlich ist.

 

Ausschlaggebend für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung ist, ob ein Totalverbot auf allen in der Verordnung genannten Grundstücken erforderlich ist. Dem Verordnungsgeber ist nicht entgegenzutreten, wenn er auf Basis schall- bzw. lärmschutztechnischer Gutachten davon ausgeht, dass zum Schutz vor ungebührlicherweise störendem Lärm ein Verbot aller von Modellflugkörpern ausgehenden Lärmquellen auf parzellenscharf abgegrenzten Grundstücken erforderlich ist und in diesem Sinn von einem konkreten Nachweis, ob ein bestimmter Modellflugkörper ungebührlichen Lärm erzeugt oder nicht, absieht.

 

Der Verfassungsgerichtshof führte bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.093/1999 aus, dass dem Verordnungsgeber nicht entgegenzutreten ist, wenn er bei gegebener Sachlage zu der Auffassung gelangt ist, dass auch andere als mit Verbrennungsmotoren betriebene Modellflugkörper geeignet sind, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen, zumal auch § 3 Abs. 2 oö. PolStG ausdrücklich auf die Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz eines Geräusches Bezug nimmt.

 

3.3.1. Da sich aus der Aktenlage der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, bereits auf Grund dieser feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist und darüber hinaus eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, konnte von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender relevanter Sachverhalt:

 

Der Bw betrieb am 30. Mai 2008 in der Zeit von 16:05 bis 16:10 Uhr den Modellflugkörper "Elektrohubschrauber der Marke `Gaui´, Modell `Hurricane 550´, Antriebsmotor: Marke Hurricane 550 1500W/1100K", im Bereich der Grundstücke Nr. x, KG x, Gemeinde x, indem er diesen unter Verwendung des Elektromotors über die angeführten Grundstücke flog.

 

Die Gemeinde x verbot mit Verordnung vom 4. Oktober 2007, Zahl: 031-2-2007-Dw, den Betrieb von Modelflugkörpern im Bereich dieser Grundstücke.

 

Nach Einholung einer Rechtsauskunft bei einem einschlägig tätigen Juristen ging der Bw davon aus, dass die Verordnung des Gemeinderates nur so ausgelegt werden könne, dass der Betrieb von leisen oder lautlosen Modellflugzeugen auf den genannten Grundstücken nicht verboten ist.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren berief sich der Bw auf diese "Rechtsauskunft" und brachte damit mangelndes Verschulden vor.

 

Die Bedenken des Oö. Verwaltungssenates wurden vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilt und der Verordnungsprüfungsantrag abgewiesen (siehe Punkte 3.2.1. und 3.2.2.).

 

3.4. Der festgestellte relevante Sachverhalt ist unstrittig.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Die zur Beurteilung des geschilderten Sachverhalts maßgeblichen gesetzlichen Normen lauten:

 

§ 4 Abs. 1 lit. c Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG, LGBl 1979/36 idF LGBl 2007/77:

Zur Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm im Sinne des § 3 kann die Gemeinde durch Verordnung zeitliche und örtliche Beschränkungen für die Verwendung oder den Betrieb von Modellflugkörpern, Modellbooten oder sonstigen Modellfahrzeugen festlegen.

 

§ 10 Abs. 2 lit. a Oö. PolStG:

 

Verstöße gegen die auf Grund des § 4 erlassenen Verordnungen und Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 5 und 6 sind von der Bezirkshauptmannschaft, in den Städten mit eigenem Statut vom Bürgermeister, bei Übertretungen nach § 4 mit Geldstrafe bis 360 Euro, zu bestrafen.

 

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde x vom 4. Oktober 2007, GZ 031-2-2007-Dw, über Beschränkungen zum Schutz vor ungebührlicherweise störendem Lärm, kundgemacht durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel von 8. Oktober 2007 bis 23. Oktober 2007, lautet:

 

Verordnung

des Gemeinderates der Gemeinde x vom 04.10.2007 über Beschränkungen zum Schutz vor ungebührlicherweise störendem Lärm. Aufgrund des § 4 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979 idgF, wird verordnet:

 

§ 1

 

Zur Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm ist die Verwendung oder der Betrieb folgender Lärmquellen verboten:

 

Modellflugkörper, soweit nicht ohnehin eine Bewilligung nach § 129 Abs. 1 Luftfahrtgesetz 1957, BGBl. Nr. 253/1957 idF BGBl. Nr. 898/1993, erforderlich ist.

 

Das Verbot gilt innerhalb der zur Gänze in gelb farblich dargestellten Grundstücke Nr. x in der Katastralgemeinde x und der zur Gänze in gelb farblich dargestellten Grundstücke Nr. x alle in der Katastralgemeinde x, gemäß beiliegendem Plan des Arch. x vom 27.08.2007, im Maßstab von 1:2.500.

 

...........

 

§ 3

 

Wer dem Verbot gemäß § 1 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 10 Abs. 2 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl. Nr. 36/1979 idgF, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis € 360,-- zu bestrafen.

 

4.2. Tatbestandsmäßig handelt, wer einen Modellflugkörper im Bereich der Gründstücke, die in der genannten Verordnung des Gemeinderates angeführt sind, betreibt oder verwendet.

 

Wie bereits dargelegt, ist unstrittig, dass der Bw zur Tatzeit im Bereich der Grundstücke Nr. x, KG x, Gemeinde x den Elektrohubschrauber der Marke "Gaui", Modell "Hurricane 550", Antriebsmotor: Marke Hurricane 550 1500W/1100K betrieben hat.

 

Entgegen der Ansicht des Bw sind auch "leise" Modellflugkörper vom Verbot umfasst. Der Verfassungsgerichtshof hat das vorliegende "Totalverbot" auf den parzellenscharf abgegrenzten Grundstücken für nicht gesetzeswidrig und ein Verbot aller von Modellflugkörpern ausgehenden Lärmquellen für zulässig erachtet. Deutlich hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass der Verordnungsgeber von einem konkreten Nachweis, ob ein bestimmter Modellflugkörper ungebührlichen Lärm erzeugt oder nicht, absehen kann.

 

Dem Einwand des Bw, dass der Betrieb seines "leisen" Elektrohubschraubers nicht gegen das vorliegende Verbot verstoße, war daher nicht zu folgen.

 

Der Bw hat daher tatbestandsmäßig gehandelt. Rechtfertigungsgründe sind nicht hervorgekommen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Der Bw hat die Tathandlung an sich nicht geleugnet, verantwortet sich aber damit, dass er sich vor der Tatbegehung an mehrere Vereinsfunktionäre und an den Vizepräsidenten des x gewandt und juristischen Rat eingeholt habe. Der angesprochene Vizepräsident, ein Jurist, habe in sehr überzeugender und logisch einleuchtender Weise erklärt, dass die Lärmschutzverordnung auf keinen Fall bedeute, dass der Betrieb eines jeden Modellflugzeuges auf den genannten Grundstücken verboten sei. Das Verbot umfasse nur jene Modellflugzeuge, die als Lärmquellen im Sinne des § 4 Oö. PolStG anzusehen seien. Der für ihn schlüssigen Rechtsbelehrung habe er vertraut und für den Fall, dass diese Rechtsansicht unrichtig wäre, liege auf jeden Fall ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

 

Ein Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) nach § 5 Abs. 2 VStG setzt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, voraus. Im vorliegenden Fall hat der Bw die Verwaltungsvorschrift (Verordnung des Gemeinderates) zwar gekannt, jedoch dahingehend geirrt, dass er sein Verhalten als erlaubt angesehen hat. Eine rechtsirrige Auslegung ist der Unkenntnis der Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG gleichzustellen. Es ist daher von einem Verbotsirrtum auszugehen (VwGH vom 30.10.1991, 91/09/0086; VwSlg 7143 A/1967).

 

Fraglich ist, ob dem Bw der Verbotsirrtum vorzuwerfen ist. Vorwerfbar ist, dieser, wenn

*       das Unrecht für den Bw wie für jedermann leicht erkennbar gewesen wäre oder

*       sich der Bw mit einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er aufgrund seiner Beschäftigung oder sonst nach den Umständen dazu verpflichtet gewesen wäre.

 

Wie dem Verwaltungsstrafverfahren zu entnehmen ist, war das Unrecht weder für den Bw, der seinen besonders leisen Modellflugkörper nicht von der Verordnung erfasst sah, noch für jedermann leicht erkennbar. So haben auch mit der Sachlage vertraute Personen das Unrecht der Tat nicht erkennen können. Der Bw hat sich mit der einschlägigen Verordnung vertraut gemacht, fachkundigen Rat gesucht und eine umfassende Rechtsauskunft eingeholt. Im vorliegenden Fall ist daher von geeigneten Erkundigungen auszugehen.

 

Nach dem ganzen Verhalten des Bw kann angenommen werden, dass die irrige Verordnungsauslegung unverschuldet war und er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte.

 

Der Irrtum des Bw (irrige Verordnungsauslegung) ist diesem nicht vorwerfbar und schließt daher die Schuld aus.

 

Da Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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