Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522711/2/Kof/Jo

Linz, 16.11.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X, vertreten durch X gegen
den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 04. Oktober 2010,
VerkR21-81-2010, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Aberkennung des Rechts, von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, Lenkverbot und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und

der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3  iVm  §§ 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z8 und

  7 Abs.4 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem nunmehrigen Berufungswerber (Bw) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-         die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 13 Monaten – gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides

     (= 6. Oktober 2010) – entzogen

-         für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Recht aberkannt, von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen  und

-         für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten.

Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 6. Oktober 2010 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 12. Oktober 2010 erhoben und die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Der Bw wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 22.06.2010, 34 Hv 26/10t, wegen dem

-     Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs.1 StGB

-     Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB und

-     Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs.1 Z1 StGB

zu einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 13 Monaten verurteilt.

 

Grund für diese Verurteilung war, dass der Bw im Sommer 2006 in ..... wiederholt und zwar in sechs bis acht Angriffen

-         außer den Fällen des § 201 StGB eine Person, nämlich seine damals
11-jährige Enkelin, mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt hat, [Texteile wurden in der Online verfügbaren Entscheidung aufgrund der Inhalte anonymisiert] durch die geschilderten Tathandlungen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an seiner damals 11-jährigen Enkelin, vorgenommen hat und

-         durch die geschilderten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner damals 11-jährigen Enkelin, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen hat.

 

Dieses Urteil ist betreffend den Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen, da

-         der Bw auf Rechtsmittel verzichtet und

-         die Staatsanwaltschaft in der Berufung die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe bzw. eines unbedingten Strafteils angestrebt hat.

 

Der UVS als Behörde II. Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der                               Lenkberechtigung ist an dieses – betreffend den Schuldspruch rechtskräftige –Gerichtsurteil gebunden;

VwGH vom 6.4.2006, 2005/11/0214; v. 6.7.2004, 2002/11/0163; v. 20.2.2001, 98/11/0317; vom 14.11.1995, 95/11/0215; vom 27.6.1995, 95/11/0004;

vgl. auch vom 24.1.2008, 2007/03/0247 und vom 27.01.2010, 2009/03/0082   

      sowie OGH – verstärkter Senat vom 17.10.1995, 1 Ob 612/95.

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 leg.cit zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 StGB begangen hat.

 

 

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108;

vom 23.4.2002, 2000/11/0184; vom 22.2.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur vom 6.4.2006, 2005/11/0214.

 

Der Bw hat – wie ausführlich dargelegt – im Sommer 2006 die Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs.1 StGB und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB begangen und dadurch eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z8 FSG verwirklicht.

Der letzte Vorfall dieser Art war – siehe das Protokoll der Hauptverhandlung,
Seite 19  sowie  die Berufung, Seite 2 – im Oktober 2006.

 

Die vom Bw begangenen Verbrechen liegen etwas mehr als vier Jahre zurück.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen;

VwGH vom 17.10.2006, 2006/11/0120;  vom 21.3.2006, 2005/11/0196; vom 22.2.2007, 2005/11/0190; vom 21.11.2006, 2005/11/0168; vom 21.3.2006, 2005/11/0153; vom 27.3.2007, 2005/11/0115; vom 18.12.2007, 2007/11/0194.

 

Eine Entziehung der Lenkberechtigung ist bzw. wäre nur dann zulässig, wenn
der Bw auch derzeit – somit mehr als vier Jahre nach Beendigung des strafbaren Verhaltens – noch verkehrsunzuverlässig wäre.

 

 

 

Diesbezüglich wird auf folgende Judikatur des VwGH verwiesen:

-         Erkenntnis vom 21.02.2006, 2003/11/0025:

Der do. Bf wurde wegen der Verbrechen nach §§ 206 Abs.1, 207 Abs.1
und 212 Abs.1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Der VwGH hat ausgesprochen, dass der Bf 16 Monate nach der Tat nicht mehr verkehrsunzuverlässig ist.

-         Erkenntnis vom 17.10.2006, 2006/11/0120:

Der do. Bf wurde wegen der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten – davon 3 Monate unbedingt und 9 Monate bedingt – verurteilt.

Der VwGH hat eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 26 Monaten – gerechnet ab Tat – als zu lange erachtet.

 

Der Bw ist somit gemäß

-         § 7 Abs.4 FSG "… die seither verstrichene Zeit …" sowie

-         der zitierten Judikatur des VwGH

derzeit nicht mehr verkehrsunzuverlässig.

 

Es war daher

-         der Berufung stattzugeben,

-         der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben und

-         spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

  

Beschlagwortung:

§ 7 Abs.4 FSG "… seither verstrichene Zeit…"

 

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