Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420639/8/WEI/Fu/Ba

Linz, 27.10.2010

 

B E S C H L U S S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Beschwerde der X X, X, X, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, X, vom 28. Mai 2010 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend Schließung des Geschäftslokals der Beschwerdeführerin in X, X, am 5. Mai 2010 gemäß § 360 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 (WV BGBl Nr. 194/1994, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 66/2010) durch Organe des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz folgenden Beschluss gefasst:

I.            Die Beschwerde wird mangels eines tauglichen Beschwerdegegen­standes als unzulässig zurückgewiesen.

II.        Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bürgermeister der Stadt Linz) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 67c und 79a AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. In der am 28. Mai 2010 noch rechtzeitig zur Post gegebenen und beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 31. Mai 2010 eingelangten Beschwerde gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG hat die Beschwerdeführerin (im Folgenden nur Bfin) einleitend den Beschwerdegegenstand wie folgt bezeichnet:

"Die Beschwerdeführerin erstattet aufgrund der durch Organe der Abteilung Erhebungsdienst des Bezirksverwaltungsamtes des Magistrates der Stadt Linz im Cafe-Restaurant am Standort X, X, am 05.05.2010 von ca. 10.00 Uhr bis ca. 11.00 Uhr durch Abschalten der Zufuhr von elektrischer Energie und Verplombung des Sicherungskastens ausgeübten unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt binnen offener Frist nachstehende

Maßnahmenbeschwerde

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

..."

 

Zum Sachverhalt führt die Beschwerde aus, die Bfin sei Betreiberin eines Cafe-Restaurants im X X am Standort X, X. Ihre Gewerbe sei unter der Gewerberegisternummer X eingetragen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. März 2010, Zl. 0043632/2004, sei diese Gewerbeberechtigung entzogen und der Bfin aufgetragen worden, innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides den Originalgewerbeschein an die Behörde zu übermitteln. Begründend sei ihr im Wesentlichen wegen vier Verwaltungsvorstrafen die erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen worden.

 

Am 5. Mai 2010 um etwa 10.00 Uhr sei ohne jegliche Ankündigung der Behörde und damit für die Bfin völlig überraschend eine Abschaltung der Zufuhr der elektrischen Energie sowie eine Verplombung des Sicherungskastens durch vier Herren der Abteilung Erhebungsdienst des Magistrates der Landeshauptstadt Linz erfolgt. Herr X X, der Verantwortliche der Amtshandlung, habe die anwesende X X, Mitarbeiterin der Bfin, aufgefordert, die Konsumation der Gäste zu kassieren, nichts mehr auszuschenken und das Geschäftslokal zu schließen. Die Amtshandlung habe etwa 10 Minuten gedauert. Seither sei das Geschäftslokal geschlossen und mangels Stromversorgung nicht mehr betriebsbereit.

 

Zur Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde wird angeführt, dass der beschriebenen Amtshandlung lediglich der Bescheid vom 29. März 2010 zu Grunde liege. Ein entsprechendes Verfahren wie etwa die gesetzlich vorgesehene Androhung von Zwangsmitteln bzw die Zustellung einer Vollstreckungsverfügung sei der Amtshandlung nicht vorausgegangen, sodass eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 und §§ 67c ff AVG vorliege, gegen die eine Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat zulässig sei.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme wird argumentiert, dass keine vorherige Androhung des Zwangsmittels stattgefunden habe, dies jedoch iSd Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VVG) erforderlich gewesen wäre. Die Maßnahme sei aber auch deshalb rechtswidrig, da keine Vollstreckungsverfügung vorgelegen sei, mit welcher ein zuvor angedrohtes Zwangsmittel angeordnet wurde.

 

Im Übrigen sei der Bfin im Bescheid vom 29. März 2010 aufgetragen worden, den Originalgewerbeschein innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides der Behörde zu übermitteln. Der Bfin sei damit eine unvertretbare Leistung auferlegt worden, weil diese Leistung in tatsächlicher Hinsicht nicht von einem Dritten erbracht werden könne. Das VVG sehe für die Erzwingung nicht vertretbarer Leistungen ausschließlich Geld- oder Haftstrafen vor. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich daher nicht nur daraus, dass sämtliche verfahrensrechtlichen Vorgaben des VVG unberücksichtigt gelassen worden seien, sondern auch daraus, dass das angewendete Zwangsmittel keine Deckung im Gesetz finde. Auch werde durch das Schließen des Geschäftslokals, das Abschalten der Zufuhr der elektrischen Energie sowie die Verplombung des Sicherungskastens der im Titelbescheid vom 29. März 2010 bezeichnete Zustand nicht umgesetzt.

 

Abschließend stellte die Bfin neben dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung noch die Anträge,

 

"der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge

 

a.)      gemäß § 67c Abs 3 AVG den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich die am 5.5.2010 um ca. 10 Uhr durchgeführte Schließung des Geschäftslokals der Bf in der X, X, die Abschaltung der Zufuhr der elektrischen Energie sowie die Verplombung des Sicherungskastens durch Herrn X X als ausführendes Organ der belangten Behörde, für rechtswidrig erklären; sowie

 

b.)      der belangten Behörde auftragen, den am 5.5.2010 um etwa 10 Uhr herbeigeführten und bis heute andauernden rechtswidrigen Zustand in Form der abgeschalteten Zuführung von elektrischer Energie sowie des verplombten Sicherungskastens unverzüglich auf Kosten der belangten Behörde zu beheben; sowie

 

c.)       gemäß § 79a AVG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers vom 10.12.2008 BGBl II 2008/456 erkennen, der Bund ist schuldig, die der Bf durch das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen des ausgewiesenen Vertreters binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

 

2.1. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 erstattete die belangte Behörde unter Vorlage ihrer Bezug habenden Akten eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die belangte Behörde wendet ein, dass es sich im gegenständlichen Fall bei der Schließung des Lokals um eine Maßnahme gemäß § 360 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) gehandelt habe. Da die Gewerbeberechtigung rechtskräftig entzogen worden sei, sei am 5. Mai 2010 eine unbefugte Gewerbeausübung vorgelegen, welche die belangte Behörde zur Schließung des Lokals ermächtigt bzw. gemäß § 360 Abs 3 GewO 1994 unmittelbar verpflichtet habe, diesen rechtswidrigen Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden. Gemäß § 360 Abs 3 GewO 1994 sei binnen einem Monat ein schriftlicher Bescheid zu erlassen. Der Schließungsbescheid vom 7. Mai 2010, Zl. 0019651/2010 sei mit dem Vermerk vom 17. Mai 2010 "Abgabestelle derzeit geschlossen" zurückgestellt worden. Bei der Zustellung des Schließungsbescheides an die Wohnadresse habe die Bfin am 1. Juni 2010 den Beschied nachweislich übernommen. Ein Rechtsmittel sei keines erhoben worden.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit Schreiben vom 16. Juli 2010 die Gegenschrift der belangten Behörde dem Rechtsvertreter der Bfin zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Mit Schriftsatz vom 12. August 2010 brachte die Bfin durch ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 360 Abs 3 GewO 1994 nicht vorgelegen wären, die belangte Behörde § 360 Abs 3 GewO 1994 denkunmöglich angewendet und daher in die Eigentums- und Erwerbsfreiheit der Bfin in unzulässiger Weise eingegriffen hätte.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in die Schriftsätze und vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt nicht strittig ist und schon nach der Aktenlage hinreichend geklärt erscheint. Da sich bereits aus der Aktenlage ableiten lässt, dass die Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen ist, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs 2 Z 3 AVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.2. Aus der im Wesentlichen unstrittigen Aktenlage ergibt sich der nachstehende wesentliche S a c h v e r h a l t:

 

Die Bfin hatte am Betriebsstandort X, X, im X das Gastgewerbe in der Betriebsart Cafe-Restaurant ausgeübt. Auf Grund von vier rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen wurde der Bfin mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. März 2010, Zl. 0043632/2004, zugestellt am 2. April 2010, die Gewerbeberechtigung entzogen.

 

Bei einer Kontrolle am 28. April 2010 um 08:40 Uhr wurde von Herrn X X vom Erhebungsdienst der belangten Behörde festgestellt, dass drei Gäste im Lokal Getränke konsumierten, somit das Lokal unbefugt weiter betrieben wurde. Die belangte Behörde ließ in der Folge durch ihre Organe am 5. Mai 2010 in der Zeit von 10:45 bis 11:00 Uhr das Lokal gemäß § 360 Abs 3 GewO 1994 schließen. Dabei wurde die Stromzufuhr stillgelegt, indem man den FI-Schalter und Sicherungskasten mittels Sicherungsband plombierte bzw versiegelte. Die anwesende Kellnerin X X ist zuvor aufgefordert worden, die gewerbsmäßige Tätigkeit zu beenden und das Lokal sofort zu schließen (vgl Protokoll über die Betriebsschließung vom 05.05.2010).

 

Mit Bescheid vom 7. Mai 2010, Zl. 0019561/2010 wurde über die Schließung des Gastgewerbebetriebes der Bfin wie folgt abgesprochen:

 

"Es wird festgestellt, dass die Schließung des von Frau X X, geb. am X, betriebenen Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart eines Cafe-Restaurants im Standort X, X, am 5.5.2010, 10:45 Uhr, rechtmäßig erfolgte.

 

Es wurden bei der Schließung am 5.5.2010 folgende Maßnahmen verfügt:

 

§          Stilllegung der Stromzufuhr für die im Gastbetrieb befindlichen Geräte durch Plombierung

§          Nachstehend angeführte Geräte wurden 5.5.2010 durch die Anbringung einer Verplombung an der Steckeinrichtung versiegelt:

 

1)          Sicherungskasten

2)          FI-Schalter

 

Gewerbeausübende: X X, geb. am X

 

Art und Umfang des Gewerbebetriebes: Gastgewerbe in der Betriebsart eines Cafe-Restaurants

 

Standort des Betriebes: X, X

 

Obige Maßnahmen wurden am 5.5.2010, 10:45 Uhr, durchgeführt.

Rechtsgrundlage in der jeweils gültigen Fassung:

 

§§ 333 und 360 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl.Nr. 194/1994"

 

Dieser an die (ehemalige) Betriebsstätte der Bfin adressierte Bescheid wurde mit Vermerk des Zustellers vom 17. Mai 2010 "Abgabestelle derzeit geschlossen" an die Behörde zurückgestellt. Die belangte Behörde unternahm danach einen weiteren Zustellversuch an der Wohnadresse der Bfin in X, X, wo der Schließungsbescheid am 1. Juni 2010 von der Bfin persönlich übernommen wurde. Eine Berufung wurde nach der Aktenlage und laut Gegenschrift der belangten Behörde nicht eingebracht.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983; zahlreiche weitere Judikatur bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

4.2. Bei den Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen nach § 360 GewO 1994 handelt es sich um Sondermaßnahmen und keine Vollstreckungsverfügungen nach dem VVG (vgl Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO7 (Stand: 8. Erg.-Lfg. 2009) § 360 Anm 1)

 

Gemäß § 360 Abs 3 der GewO 1994 hat die Behörde dann, wenn eine Übertretung des § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 (unbefugte Gewerbeausübung) offenkundig ist, ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides den gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betrieb an Ort und Stelle zu schließen. Hierüber ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall wurde der Bfin mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. März 2010, Zl. 0043632/2004, die Gewerbeberechtigung entzogen. Dieser Bescheid ist in der Folge in Rechtskraft erwachsen. Die am 5. Mai 2010 einschreitenden Organe der belangten Behörde gingen davon aus, dass die Bfin offenkundig das Gastgewerbe bewilligungslos weiter ausübte und daher die Voraussetzungen für ein Vorgehen gemäß § 360 Abs 3 GewO gegeben waren.

 

Bei der Schließung eines Betriebes samt Abtrennung von der Stromzufuhr und Verplombung (Versiegelung) des Sicherungskastens liegt an sich Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor. Diese Zwangsgewalt ist aber nach der Konstruktion des § 360 Abs 3 GewO 1994 nicht selbständig und abgesondert anfechtbar, weil nach dem Gesetz grundsätzlich ein bestätigender Bescheid über die Maßnahme binnen Monatsfrist zu erlassen ist. Mit der Erlassung des die Gewaltausübung bestätigenden Bescheides wird eine Beschwerde gegen die Gewaltausübung gegenstandslos (vgl Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO7 (Stand: 8. Erg.-Lfg. 2009) § 360 Anm 13).

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, dient der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt lediglich dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen, nicht aber sollten mit dieser Beschwerde Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Es kann daher, was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, nicht Gegenstand einer derartigen Maßnahmebeschwerde sein (vgl Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO7 (Stand: 8. Erg.-Lfg. 2009) § 360 Anm 32 unter Hinweis auf VwGH 18.03.1997, Zl 96/04/0231, und VwGH 17.4.1998, Zl. 98/04/0005). Die Maßnahmenbeschwerde ist nämlich bloß ein subsidiärer Rechtsbehelf.

 

4.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 2010, Zl. 0019561/2010, eigenhändig zugestellt am 1. Juni 2010, wurde die Maßnahme der Betriebsschließung, wie in § 360 Abs 3 GewO 1994 vorgesehen, binnen einem Monat fristgerecht erlassen.

 

Richtig ist zwar, dass dieser Bescheid gemäß § 360 Abs 3 letzter Satz GewO 1994 auch als erlassen gilt, wenn er gemäß § 19 ZustellG der Behörde wegen Unzustellbarkeit zurückgestellt wurde. Dies betrifft aber vom Regelungszweck her nur den Fall der Unzustellbarkeit wegen vorübergehender Abwesenheit (so auch Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO7 (Stand: 8. Erg.-Lfg. 2009) § 360 Anm 32). Im vorliegenden Fall wurde der Betrieb der Bfin geschlossen und die Stromzufuhr für den gesamten Gastbetrieb (arg.: FI-Schalter, Sicherungskasten) stillgelegt. Damit waren die Räumlichkeiten für die Bfin überhaupt nicht mehr benutzbar. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann in einem solchen Fall nicht mehr von einer Betriebsstätte gesprochen werden, die als Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG in Betracht käme. Eine solche Abgabestelle setzt aber die Fiktion des § 360 Abs 3 letzter Satz GewO 1994 wohl voraus, widrigenfalls verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt des Sachlichkeitsgebotes wegen einer ganz einseitig belastenden Regelung aufkämen. Die belangte Behörde hat dem aber tatsächlich Rechnung getragen und eine fristgerechte Zustellung unter der ihr ohnehin bekannten Wohnadresse der Bfin veranlasst, die am 1. Juni 2010 erfolgte.

 

Mit der (nachträglichen) Erlassung des Bescheides über die Betriebsschließung wurde der Bfin gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, gegen diesen Bescheid das ordentliche Rechtsmittel der Berufung zu erheben. Ob tatsächlich Berufung ergriffen wurde oder nicht, spielt keine entscheidende Rolle, weil dies am subsidiären Charakter der Maßnahmenbeschwerde nichts zu ändern vermag.

 

Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Sach- und Rechtslage war zur Vermeidung einer Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes die auf Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG gestützte Maßnahmenbeschwerde von vornherein ausgeschlossen. Das Anliegen der Bfin, die Frage der Rechtmäßigkeit der Schließung ihres Gastgewerbebetriebs, hätte im gewerberechtlichen Verwaltungsverfahren bzw Berufungsverfahren ausgetragen werden können. Die eingebrachte Beschwerde gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG war daher mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstands als unzulässig zurückzuweisen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II. Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war daher der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und der Bfin der Aufwandsersatz zugunsten des Bundes, für den die belangte Behörde funktionell tätig geworden ist, aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde (13,20 Euro) und 1 Beilage (3,60 Euro), insgesamt daher von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

 

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