Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150799/4/Lg/Hue/Ba

Linz, 11.11.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des X X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried/I. vom 31. August 2010, Zl. BauR96-11-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Geldstrafe wird auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt.

II.              Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 15 Euro.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 20, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Stunden verhängt, weil er am 30. Oktober 2009, 6.30 Uhr, als Lenker des Sattelzugfahrzeugs mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen und dem behördlichen Kennzeichen X die mautpflichtige A8, km 60.184, Gemeinde St. Martin im Innkreis, benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benutzung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Fahrzeugen, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliege. Es sei festgestellt worden, dass die Achsenzahl des gegenständlichen Kfz (3) höher gewesen sei als die mit 2 eingestellte Kategorie/Achsenzahl. 

 

2. In der Berufung brachte der Bw zunächst vor, dass im erstbehördlichen Verfahren die Beweisanträge (Zeugeneinvernahmen) missachtet worden seien. Die belangte Behörde sei einzig und allein den ASFINAG-Angaben gefolgt. Der Tatbestand sei sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht nicht verwirklicht worden. Bemerkenswert sei, dass der Bw für den Zeitraum Oktober 2009 bis Jänner 2010 eine Vielzahl von Strafverfügungen erhalten habe. Firmenintern sei der Sachverhalt recherchiert worden und man sei zweifelsfrei zum Ergebnis gekommen, dass eine Fehlbedienung bzw. eine mangelnde Kontrolle durch den Bw ausgeschlossen werden könne. Nach den Ersatzmautaufforderungen sei mit der ASFINAG unverzüglich Kontakt aufgenommen und um Überprüfung des Sachverhaltes ersucht worden. Die ASFINAG habe geantwortet, dass die Sachlage klar sei und man keine Veranlassung zur weiteren Überprüfung sehe. Eine Untersuchung der GO-Box sei nicht möglich gewesen, da diese "aufgrund der Schadstoffklasse" bereits ausgetauscht worden sei. Die GO-Box sei ständig auf die Kategorie "4" eingestellt gewesen. Es seien vom Lenker auch deshalb keine Veränderungen an der GO-Box bzw. an der Achseinstellung vorgenommen worden, da das Kfz zu keinem Zeitpunkt abgesattelt worden sei. Die Lenkerpflichten vor, während und nach jeder Fahrt seien erfüllt worden. Auch habe es während der Fahrt keine Hinweise auf eine Funktionsuntüchtigkeit bzw. eine Falscheinstellung der GO-Box gegeben. Der Bw habe regelmäßig vor und bei (!) jeder Fahrt die Achseinstellung kontrolliert. Als Berufskraftfahrer sei der Bw mit den Mautvorschriften bestens vertraut. Es müsse sich daher ausschließlich um einen technischen Defekt gehandelt haben, welcher "auf eine Verkettung von unglücklichen technischen Umständen" zurückzuführen sei. Der Bw habe keinen Vorteil von einem Mautvergehen. Die ASFINAG habe kein großes Interesse daran, derartige "Fahrfehler" aufzuklären. Weiters sei bemerkenswert, dass die ASFINAG normalerweise bei einer Falscheinstellung der Achsenzahl mit einer E-Mail auf diesen Umstand aufmerksam mache. Auch eine derartige Warnung habe die Arbeitgeberin des Bw zu keinem Zeitpunkt erhalten. Es sei daher jedenfalls davon auszugehen, dass ein Fehler im Mautsystem bzw. im Zusammenhang mit der GO-Box vorgelegen ist. Dieser sei weder für den Bw noch für den Zulassungsbesitzer erkennbar gewesen.

Mittlerweile würden dem Bw für den Zeitraum November 2009 bis Anfang Jänner 2010 beinahe 10 analoge Delikte vorgeworfen. Hier würde unter Hinweis auf VwGH 2000/03/0103, 2002/02/0140 und 2002/03/0144 ein fortgesetztes Delikt vorliegen.

Auch sei die Strafe aufgrund des derzeitigen geringen Einkommens des Bw, einer Krankheit und seiner Schulden und Unterhaltspflichten zu hoch bemessen.

 

Beantragt wurde nach Durchführung einer Berufungsverhandlung, einer Beschuldigteneinvernahme, der zeugenschaftliche Einvernahme von Frau X X sowie der Vornahme eines Lokalaugenscheins "am eingesetzten Fahrzeug durch Demonstration der vom Fahrer getroffenen Maßnahmen bzw. zur Demonstration, wie der Fahrer die Go-Box bedient hat" die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu gem. § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen, in eventu von der Strafe abzusehen bzw. auf das Minimum zu reduzieren.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 12. Jänner 2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Als Beanstandungsgrund ist angegeben, dass die Achsenzahl des Kraftfahrzeuges mit 3 höher gewesen sei als die mit 2 eingestellte Kategorie/Achsenzahl am Fahrzeuggerät. Gem. § 19 Abs. 4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer am 8. November 2009 die Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden. 

 

Nach Strafverfügung vom 18. Februar 2010 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in der später eingebrachten Berufung.

 

Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG der Erstbehörde am 20. April 2010 ein Beweisfoto und eine Einzelleistungsinformation vom Tattag.

 

Dazu wurde seitens des (Vertreters des) Bw am 21. Mai 2010 auf die Einspruchsangaben verwiesen und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw dargelegt.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.  

 

4. Die ASFINAG übermittelte dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 10. Mai 2010 auf Anforderung Einzelleistungsnachweise vom gegenständlichen Kfz für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 – 19. Dezember 2009.

 

5. Mittels Schreiben des Oö. Verwaltungssenates vom 11. August 2010, Zl. VwSen-150775/19/Lg/Hue, wurde der Vertreter des Bw in einem analogen, beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Fall des selben Bw, ersucht, innerhalb Frist das Beweisthema für die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme von Frau X zu konkretisieren und er wurde gleichzeitig gebeten, den Bw von der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Kenntnis zu setzen, wenn dieser in der Berufungsverhandlung seine Parteienrechte persönlich wahrnehmen möchte. 

 

Daraufhin brachte der Vertreter des Bw am 16. August 2010 vor, dass die beantragte Zeugin zum Beweis dafür geführt werde, dass es sich beim Bw um einen sehr zuverlässigen Fahrer handle, der ausreichend für den Einsatz und die Verwendung der GO-Box eingeschult worden sei. Weiters könne diese Zeugin bestätigen, dass mit dem gegenständlichen Kfz keine sogenannten Umsattelungsvorgänge und somit Achsveränderungen vorgenommen würden. Zudem könne sie darlegen, dass sich der vorgeworfene Tatbestand ausschließlich auf einen technischen Defekt, der für den Fahrer nicht erkennbar gewesen sei, zurückzuführen sein müsse und von der ASFINAG an den Arbeitgeber des Bw keine Warnungen oder Hinweise über einen technischen Defekt bzw. einer Falscheinstellung der Gerätes ergangen seien.

 

In einem Telefonat mit dem Unabhängigen Verwaltungssenat vom 17. August 2010 führte der Vertreter des Bw aus, dass er selbst nach einem Gespräch mit Frau X die Sinnhaftigkeit einer Einvernahme in Frage gestellt hätte, da sie zur Frage des technischen Defekts keine Auskunft geben könnte. Aus diesem Grund verzichtete der Vertreter des Bw auf eine zeugenschaftliche Einvernahme von Frau X.

Der Oö. Verwaltungssenat teilte dem Rechtsvertreter auch mit, dass alle anderen in der Stellungnahme vom 16. August 2010 angesprochenen Sachverhalte nicht angezweifelt werden.

 

6. Mittels Schreiben vom 4. Oktober 2010 teilte der Unabhängige Verwaltungssenat dem Vertreter des Bw mit, dass bereits zum analogen Verfahren des selben Bw (Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 12. April, Zl. BauR96-9-2010) am 22. September 2010 unter VwSen-150775 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt wurde. An dieser hat der Bw und sein Rechtsvertreter teilgenommen. Zudem wurde vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen ein technisches Gutachten zum Berufungsvorbringen abgegeben. Dieses Gutachten wurde am 28. September 2010, Zl. Verk-210000/1824/2010-Hag, noch ergänzt. Der Oö. Verwaltungssenat beabsichtigt daher, das Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 22. September 2010 und des Ergänzungsgutachtens vom 28. September 2010 auch im gegenständlichen (analogen) Fall der Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist daher nicht beabsichtigt, neuerlich eine mündliche Verhandlung abzuhalten. Falls der (Vertreter des) Bw eine neuerliche mündliche Verhandlung erforderlich erachten sollte, möge er dies innerhalb Frist mitteilen.

Als Beilage wurde in Kopie das Tonbandprotokoll über die Verhandlung vom 22. September 2010 sowie das Ergänzungsgutachten vom 28. September 2010 angeschlossen.

 

Dazu wurde vom Vertreter des Bw keine Stellungnahme abgegeben.

 

7. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. September 2010 zum analogen Fall mit der Zahl VwSen-150775-2010 brachte der Vertreter des Bw zunächst vor, dass der Bw seine Lenkerpflichten (Statusabfrage) ständig erfüllt hätte und deshalb ein technischer Defekt vorliegen müsse. Der Bw ergänzte, dass "alles korrekt" sei, wenn die GO-Box ein einmaliges Piepssignal aussende.

 

Zur Frage, ob es technisch möglich oder auch nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit denkbar sei, dass bei richtiger Einstellung der GO-Box das System eine andere Kategorie aufweise, antwortete der verkehrstechnische Amtssachverständige, dass auf den Einzelleistungsinformationen für den 23. Oktober 2009, 6.07 Uhr – 6.28 Uhr, sowie 23. Oktober 2009, 15.33 Uhr – 10. Dezember 2009 die Achsenzahl "2" ausgewiesen sei. In den übrigen Zeiträumen scheine auf den Einzelleistungsinformationen die Kategorie "4" auf.

 

Der Bw brachte vor, dass die gegenständliche GO-Box Ende Dezember 2009 aufgrund der Umstellung der Euro-Klassen (Schadstoffklassen) sowie ihres Alters von zwei Jahren ausgetauscht worden sei. Nach diesem Zeitraum habe es keine Strafen mehr gegeben.

 

Der Amtssachverständige setzte fort, dass das Verwendungsprinzip der GO-Box so aussehe, dass der Lenker vor Fahrtantritt durch einen Druck auf einen mechanischen Taster von länger als einer Sekunde die Achsenzahl zwischen 2, 3 und 4 einstellen könne. Nach Einstellung der Kategorie werde diese von einem Hauptspeicher in einen Kommunikationsspeicher geladen. Dieser Kommunikationsspeicher kommuniziere dann mit den Mautbalken im Millisekundenbereich. Zur Absicherung vor Übertragungsfehlern sei die Information mit einem 16-Bit-Code verschlüsselt. Dieser Code werde vom Mautbalken auf seine vollständige Richtigkeit geprüft und bei Nichtentsprechung werde die Maut nicht abgebucht. Eine Veränderung dieser Information sei aufgrund dieser Codierung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Dabei handle es sich um ein entsprechend dem Stand der Technik unter Nahfeldkommunikation geprüftes System. Andere (nicht eingestellte) Kategorien hätten durch diesen Aufbau der GO-Box "keine Kontaktmöglichkeit mit der Außenwelt". Wenn somit die Achsenzahl "2" abgebucht worden sei, müsse diese auch bei der GO-Box so eingestellt worden sein. Für eine Verstellung der Kategorie bei der GO-Box müsse eine entsprechend große Kraft auf den Taster der Box ausgeübt werden. Da der Bw geschildert habe, dass die GO-Box auf der Windschutzscheibe montiert sei, sei die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Druckes auf den Taster durch Gegenstände (Buch, Autoatlas etc.) sehr unwahrscheinlich, da die die dazu benötigte Vertikalkraft nicht so ohne Weiteres aufgebaut werden könne. Die GO-Box bestehe aus elektronischen (Lötverbindungen, Chips) und nicht aus mechanischen Bauteilen (z.B. Schieber). Deshalb könne auch ein Verstellen der Kategorie bei der GO-Box durch Beschleunigungen, Erschütterungen etc. ausgeschlossen werden. Es könne zu Brüchen von Lötstellen oder Ausfall von einzelnen Bauteilen kommen. Diesfalls könne aber die GO-Box mit dem Mautbalken nicht mehr kommunizieren, was zu einer Nichtabbuchung der Maut führen würde. "Selbstverstellungen" der Kategorie oder Falschabbuchungen seien deshalb auszuschließen.

 

Die Frage des Vertreters des Bw, weshalb die ASFINAG den Zulassungsbesitzer über die Falschabbuchungen der Maut über einen so langen Zeitraum nicht informiert habe, obwohl sich dieser beim "Falschbucherwarnsystem" angemeldet hätte, konnte der Sachverständige nicht beantworten, da es sich dabei keinesfalls um Fehler des elektronischen Mautsystems sondern um Probleme z.B. des Postweges handle. 

 

Der Vertreter des Bw brachte vor, dass der Bw mehrfach von ASFINAG-Fahrzeugen überholt aber nicht angehalten worden sei.

 

Der Amtssachverständige legte dar, dass aus der Tatsache, dass das gegenständliche Kfz – aus welchen Gründen auch immer – nicht von ASFINAG-Mitarbeitern angehalten worden sei, keinesfalls auf einen technischen Defekt des Mautsystems geschlossen werden könne.

 

Die Achsenzahl muss nach einem Austausch der GO-Box neu eingestellt werden. Wenn dies korrekt erfolgt ist sei nachzuvollziehen, weshalb es danach zu keinen weiteren Delikten gekommen sei.

 

Die Frage des Vertreters des Bw, was die Spalte "Euro-Ek" und der Vermerk "Klasse 1" auf der Einzelleistungsinformation bedeute, beantwortete der Sachverständige mit der Vermutung, dass es sich um die Euro-Emissionsklasse handelt. Eine Einstellung der Euro-Schadstoffklasse sei durch den Lenker nicht möglich.

 

Der Vertreter des Bw brachte vor, dass dem Bw bei Rückgabe der GO-Box mitgeteilt worden sei, dass die Batterie bereits "schwach" gewesen sei. Könne eine schwache Batterie zu einer falschen Erfassung der Achsenzahl führen?

 

Diese Frage beantwortete der Amtssachverständige damit, dass die Batterie bei der GO-Box für eine Lebensdauer von zumindest 5 Jahren ausgelegt sei. Die "Rückrufaktionen" für die GO-Box würden durch die ASFINAG entsprechend rechtzeitig durchgeführt werden. Wenn die Batterie einen zu geringen Ladezustand erreicht, gebe es keine Kommunikation mit dem Mautbalken. Ein Kommunikationsfehler sei aus diesem Grund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

 

Der Vertreter des Bw zweifelte die Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen an und beantragte die Einholung eines ergänzenden Gutachtens zum Beweis dafür, dass ein Systemfehler, welcher in der Sphäre der ASFINAG liegt, vorgelegen sei und dem Bw kein wie immer geartetes Verschulden zur Last gelegt werden könne.

 

Der Verhandlungsleiter lehnte diesen Antrag ab, da ihm die Ausführungen des Sachverständigen schlüssig und erschöpfend erscheinen.

 

Abschließend legte der Bw seine Einkommens-, Vermögens- uns Familienverhältnisse dar und beantragte wie bisher, in eventu die Erteilung einer Ermahnung. Dies im Hinblick auf das Fehlen bzw. der Geringfügigkeit des Verschuldens.

 

8. Ergänzend zur Berufungsverhandlung erstellte der verkehrstechnische Amtssachverständige am 28. September 2010, Zl. Verk-210000/1824/2010-Hag, zur Frage der Euro-Schadstoffklassen ein Gutachten. Darin führte der Sachverständige aus, dass auf der GO-Box bei jeder GO-Box-Vertriebsstelle auf Wunsch des Inhabers seit 1. August 2009 die tatsächliche Schadstoffklasse des Zugfahrzeuges eingestellt werden könne. Je besser die Schadstoffklasse, desto niedriger der Mauttarif. Die 5 Schadstoffklassen seien seit 1. Jänner 2010 für den Tarif relevant (Klasse 1 = größte Schadstoffwerte/höchster Mauttarif). Bei Ausgabe der GO-Box sei "Klasse 1" eingestellt. Diese Schadstoffklasse werde bei der Vertriebsstelle sofort auf Aufforderung nach den Angaben des Lenkers (Inhabers) umgestellt. Bei Fehlen der entsprechenden Nachweise anlässlich der Umstellung erfolge von der ASFINAG eine Aufforderung, diese Nachweise innerhalb Frist vorzulegen. Es gebe keine explizite Aufforderung der ASFINAG, die Schadstoffklasse zwingend zu ändern. Über die konkrete Vorgehensweise bei einer gewünschten Umstellung seien die Zulassungsbesitzer informiert worden.

Wenn die Angabe der Schadstoffklasse auf der gegenständlichen Einzelleistungsinformation nicht mit der tatsächlichen Schadstoffklasse übereinstimme, habe der Zulassungsbesitzer eine Umstellung der Klasse noch nicht veranlasst.

 

9. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

9.1 Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstrecken mit diesen Geräten ausstatten können.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 BStMG haben sich Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden, die Anzahl der Achsen ihres Fahrzeuges und des von diesem gezogenen Anhängers auf dem Gerät zur elektronischen Entrichtung der Maut einzustellen und Nachweise mitzuführen, die eine Zuordnung zu einer Tarifgruppe gem. § 9 Abs. 5 und 6 ermöglichen.

 

Punkt 8.2.2 der Mautordnung besagt, dass bei Ausgabe der GO-Box eine Basiskategorie entsprechend der vorhandenen Achsenanzahl des mautpflichtigen Kraftfahrzeuges eingestellt wird (die Basiskategorie stellt die Untergrenze für eine manuelle Umstellung durch den Nutzer dar). Der Kraftzeuglenker hat vor jedem Fahrtantritt die Kategorie entsprechend Punkt 8.2.4.2 zu überprüfen.

 

Nach Punkt 8.2.4.2 der Mautordnung hat sich der Nutzer vor dem Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes über die Funktionstüchtigkeit der GO-Box durch einmaliges Drücken (kürzer als zwei Sekunden) der Bedientaste zu vergewissern (Statusabfrage). Diese Überprüfungspflicht umfasst jedenfalls auch die korrekte Deklarierung und Einstellung der Kategorie gemäß Punkt 8.2.2.

 

Gemäß Punkt 8.2.4.3.1 der Mautordnung gelten folgende Signale als Information für den jeweiligen Nutzer:

Ein kurzer Signalton: Die Mautentrichtung wird auf Basis der eingestellten Kategorie bestätigt.

Zwei kurze Signaltöne: Die Mautentrichtung hat auf Basis der eingestellten Kategorie ordnungsgemäß stattgefunden, aber das Mautguthaben (nur im Pre-Pay-Verfahren) ist unter den Grenzwert in der Höhe von 30 Euro gefallen (der Nutzer hat für eine rechtzeitige Aufbuchung von Mautwerten zu sorgen), das Mautguthaben verfällt innerhalb der nächsten zwei Monate (nur im Pre-Pay-Verfahren), oder die GO-Box wird zur Kontrolle (zum ASFINAG Maut Service Center oder an die nächste GO Vertriebsstelle) zurückgerufen.

 

Gemäß Punkt 7.1 der Mautordnung besteht für ordnungsgemäß zum Mautsystem und mit einem zugelassenen Fahrzeuggerät ausgestattete Kraftfahrzeuge die Möglichkeit der Nachzahlung der Maut im Falle einer Nicht- oder Teilentrichtung der geschuldeten Maut, die auf ein technisches Gebrechen des zugelassenen Fahrzeuggerätes oder des Mautsystems, auf einen zu niedrigen Pre-Pay-Kontostand, ein gesperrtes Zahlungsmittel oder die Verwendung einer falschen (zu niedrigen) Kategorie zurückzuführen ist; dies jedoch ausnahmslos nur wenn alle in der Mautordnung näher definierten Bedingungen erfüllt werden.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG werden Übertretung gem. Abs. 1 und Abs. 2 straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 Abs. 2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

 

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6).

 

9.2. Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass der Bw als Lenker eine Mautstrecke ohne ordnungsgemäße Mautentrichtung benützt hat, da lediglich eine Abbuchung der Maut für ein Kfz mit 2 Achsen erfolgt ist. Unstrittig ist ferner, dass gem. § 19 Abs. 4 BStMG dem Zulassungsbesitzer die Zahlung einer Ersatzmaut angeboten worden ist, diese jedoch nicht (zeitgerecht) überwiesen wurde.

 

Der Bw behauptet, er habe vor Befahren einer Mautstrecke die korrekte Einstellung der Achsenzahl überprüft. Da lediglich die Kategorie "2" abgebucht worden sei, müsse ein technischer Defekt der GO-Box vorgelegen sein. Der Behauptung eines technischen Defekts der GO-Box zur Tatzeit steht die gutachtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung entgegen, wonach aufgrund der in der Berufungsverhandlung näher dargelegten Arbeitsweise des Mautsystems nur die (vom Lenker) bei der GO-Box eingegebene Kategorie an die Mautbalken weiter gegeben und verarbeitet werden kann und zudem ein selbständiges Verstellen der Achsenzahl bei der GO-Box technisch auszuschließen ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieser gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen, der der Bw auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist, keinerlei Zweifel. Wenn der Bw vorbringt, die Box habe bei jeder Durchfahrt durch ein Mautportal einmal gepiepst, ist zu entgegnen, dass durch akustische Signale der GO-Box nicht auf eine korrekte Einstellung der Kategorie geschlossen werden kann (vgl. Punkt 8.2.4.3.1 der Mautordnung). Gegenteiliges kann auch nicht aus der Behauptung des Bw geschlossen werden, die (eingestellte höchste) Kategorie bei der GO-Box werde nicht umgestellt. Dieser Behauptung stehen zudem auch die vorliegenden Einzelleistungsinformationen entgegen.

Damit ist sowohl die Behauptung des Bw, er hätte seine Lenkerpflichten im Sinne einer korrekten Deklarierung der Kategorie bei der GO-Box erfüllt, als auch die Behauptung eines technischen Defekts der Box widerlegt. Die zusätzliche Durchführung eines Lokalaugenscheins war schon deshalb entbehrlich, da keine zusätzlichen verfahrenswesentlichen Erkenntnisse daraus gewonnen werden könnten.  

 

Der Bw geht von der Auffassung aus, dass es sich bei den im Zeitraum vom November 2009 bis Jänner 2010 angezeigten Delikten des Bw um ein fortgesetztes Delikt handelt und diese deshalb zu einer Tateinheit zusammenzufassen sind.

 

Ein fortgesetztes Delikt ist dann gegeben, wenn eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt, durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden ist. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei sie nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen (vgl. VwGH 2003/05/0201 v. 18.3.2004).

 

Von einem fortgesetzten Delikt kann – abgesehen davon, dass diesfalls Vorsatz vorliegen müsste, was gegenständlich nicht anzunehmen ist – aber jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der Bw – wie im gegenständlichen Fall – durch Abfahren vom mautpflichtigen Straßennetz das jeweilige Delikt abgeschlossen hat. Jedes Abfahren von der Autobahn ermöglicht nicht nur das An- bzw. Abhängen von Anhängern etc. sondern macht deshalb ggf. eine Umstellung (bzw. jedenfalls eine Kontrolle) der eingestellten Achsenzahl bei der GO-Box erforderlich. Mit jeder neuerlichen Auffahrt auf eine mautpflichtige Strecke beginnt somit eine neuerliche Deliktsverwirklichung. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass der Lenker gem. § 8 Abs. 2 BStMG iVm Punkt 8.2.4.2 der Mautordnung vor jeder Fahrt auf einer Mautstrecke u.a. die richtig eingestellte Kategorie (Achsenzahl) zu überprüfen hat.

Schon aus diesen Bestimmungen ist klar, dass eine Überprüfung/Umstellung der Kategorie bei der GO-Box vor jedem (neuerlichen) Auffahren auf eine mautpflichtige Strecke eine Lenkerpflicht darstellt.

 

Der Bw hat am Tattag spätestens um 12.07 Uhr das mautpflichtige Straßennetz verlassen. Dies ist aus der Einzelleistungsinformation eindeutig ersichtlich. Spätestens an diesem Punkt bzw. um diese Zeit wurde das gegenständliche Delikt abgeschlossen und begann bei neuerlicher Auffahrt auf eine Mautstrecke gegebenenfalls ein Neues.

 

Wenn durch die Begehung von gleichen Übertretungshandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils eine Verwaltungsübertretung begangen wird (kein fortgesetztes Delikt vorliegt), hat die Behörde für jedes Delikt eine gesonderte Strafe auszusprechen. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift ist der Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet (vgl. VwGH 2005/02/0015 v. 15.4.2005). Folgerichtig waren gegen den Bw unter Anwendung des Kumulationsprinzips (§ 22 VStG) für die von ihm angesprochenen Verwaltungsübertretungen zwischen November 2009 und Jänner 2010 mehrere Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass auch bei der Annahme von Vorsatz die einzelnen Fahrten nicht als fortgesetztes Delikt zusammenzufassen wären, da – wie bereits ausgeführt wurde – vor jedem (neuerlichen) Befahren einer Mautstrecke die Lenkerverpflichtungen schlagend werden.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend würde eine allenfalls bestehende Unkenntnis der Rechtslage oder der Gebrauchsvorschriften für die GO-Box wirken, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung besteht, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu befolgen hat, ausreichend zu unterrichten (vgl. u.a. VwGH 97/06/0224 v. 18.12.1997). Es ist von Fahrlässigkeit auszugehen, nämlich in dem Sinne, dass der Bw verabsäumt hat, die eingestellte Kategorie bei der GO-Box zu kontrollieren bzw. umzustellen.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass von der Strafbehörde I. Instanz ohnehin die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde. Mitbestimmend für die Angemessenheit der Verhängung der Mindeststrafe ist die fahrlässige Begehungsweise. Im Hinblick darauf, dass zur Unbescholtenheit als weiterer Milderungsgrund die wenigstens teilweise Mautentrichtung tritt (ein Umstand, der auch nach der Mautordnung die Höhe der Ersatzmaut beeinflusst und der regelmäßig zum Aufgriff der Täter führt), erscheint es vertretbar unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 20 VStG) die Strafe auf die Hälfte herabzusetzen. Die Tat bleibt aber nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des   § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre. Der Unrechtsgehalt einer Fehleinstellung der Achsenzahl ist als deliktstypisch und der Schuldgehalt in Form der fahrlässigen Fehleinstellung der GO-Box als nicht geringfügig einzustufen, da die Vorsorge für die korrekte Einstellung der GO-Box im gegebenen Zusammenhang die zentrale Lenkerpflicht darstellt. Ohne rechtliche Relevanz ist, ob die ASFINAG als Serviceleistung den Zulassungsbesitzer über die Mautvergehen informiert hat, da eine solche (zusätzliche) Information der ASFINAG einen Lenker nicht von seinen Lenkerpflichten entbinden kann. Dazu kommt, dass das gegenständliche Delikt – lt. eigenen Angaben des Bw – in einer Reihe weiterer Fälle (vgl. z.B. VwSen-150775) und an anderen Tagen begangen wurde, was auf einen gewissen Mangel im Bemühen bei der Einhaltung der Sorgfaltspflicht schließen lässt und sohin den Grad des Verschuldens mitbestimmt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

 

 

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