Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165516/6/Bi/Kr

Linz, 22.11.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des X, vertreten durch X, vom 2. November 2010 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 15. Oktober 2010, 2-S-1474/10, wegen der Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit einer Übertretung der StVO 1960 als verspätet, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Antrag auf Wiederaufnahme vom 21.9.2010, ausgehend von der Akteneinsicht am 10.9.2010, als rechtzeitig anzusehen ist.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 69 Abs.2 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Antrag des Beschuldigten vom 21. September 2010 auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 – Strafverfügung der Erst­instanz vom 26. Juli 2010 – gemäß § 69 Abs.1 Z1 und Abs.2 iVm § 24 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Strafver­fügung gemäß § 49 Abs.3 VStG zu vollstrecken sei, zumal auch der Antrag des Beschuldigten auf Aufhebung der Strafverfügung von Amts wegen gemäß § 52a Abs.1 VStG als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 19. Oktober 2010.

 

2. Gegen die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages wegen verspäteter Einbringung hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da in der dem Antrag zugrundeliegenden Strafverfügung keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt worden war, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Behörde habe zu Unrecht angenommen, er habe schon zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung am 3.8.2010 "vom vermeintlichen Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt", weil ihm damit das Ausmaß der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung und die gesetzlichen Folgen der Übertretung bekannt geworden seien. Der Wiederauf­nahmeantrag wäre daher spätestens bis 1.9.2010 einzubringen gewesen. Hätte er damals schon von den Wiederaufnahmegründen Kenntnis erlangt, hätte er einen Einspruch gegen die Strafverfügung eingebracht, die damit außer Kraft getreten und das ordentliche Verfahren eingeleitet worden wäre. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung sei ihm gerade nicht bekannt gewesen; dies ergebe sich aus der Strafverfügung mit 61 km/h, könne aber rechnerisch nicht mehr als 51 km/h betragen haben, wobei er die gemessene Geschwindigkeit schon im Wiederaufnahmeantrag bestritten habe und diese Bestreitung nun wiederhole. Die Erstinstanz gestehe selbst einen Fehler bei der Ausfertigung der Strafverfügung ein, wovon er nicht ausgehen habe können. Er sei der Meinung gewesen, ein Laserprotokoll mit ausgewiesener Geschwindigkeit könne nicht erfolgreich angefochten werden. Erst im Zuge der Akteneinsicht am 10.9.2010 habe sich herausgestellt, dass die Anzeige keine Sachbeweise enthalten und als Beweismittel bloß die dienstliche Wahrnehmung der beiden Polizeibeamten angeführt seien. Weder das Lasergerät noch der Eichschein könnten vorgewiesen werden. Auch die Behauptung, man habe den Lenker nicht anhalten können, sei nicht zutreffend, weil er schon bei einer leichten Betriebsbremsung den Pkw beim Standort der Beamten hätte anhalten können. Nur die irreführenden Angaben in der Strafverfügung hätten ihn davon abgehalten, eine nähere Überprüfung des Sachverhalts vorzunehmen, zumal die behauptete Geschwindigkeitsüberschrei­tung jede Verteidigung von vornherein als aussichtslos erscheinen habe lassen. Damit seien die Wiederaufnahmegründe gegeben und er habe unwiderlegt davon am 10.9.2010 davon Kenntnis erlangt. Der Antrag vom 21.9.2010 sei daher rechtzeitig gewesen.

Beantragt wird – außer der Aufhebung der Strafverfügung von Amts wegen und dazu Vorlage des Antrages an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Aufhebung im Rahmen ihres Aufsichtsrechtes – die Einstellung des Verwal­tungs­­straf­verfahrens.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Lenker des Pkw X zur Anzeige gebracht wurde, weil er am 27.6.2010, 14.26 Uhr in Wels, B137, Freilandstraße, "248,7m nördlich des Strkm 2,8" einer Lasergeschwindigkeitsmessung unterzogen und eine Geschwindigkeit von 125 km/h gemessen worden sei, obwohl dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h bestehe. Nach Abzug der vorge­schrie­benen Toleranzen von 3% wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindig­keit von 121 km/h der Anzeige zugrundegelegt.

Aus dem Verfahrensakt lässt sich ersehen, dass im "Kontrollausdruck für die Anzeige" eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h zugrundegelegt wurde. Nach der auf den Bw lautenden Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 der Zulassungsbesitzerin, X, erging gegen den Bw die Strafverfügung vom 26.7.2010, mit der ihm unter Zugrundelegung einer am Übertretungsort erlaubten Höchstge­schwindigkeit von 60 km/h eine Überschreitung um 61 km/h angelastet wurde. Die Strafverfügung wurde laut Rückschein dem Bw eigenhändig am 3.8.2010 zugestellt und erwuchs mit 18.8.2010 in Rechtskraft.

 

Auf dieser Grundlage erfolgte die Einleitung des Verfahrens wegen Entziehung der Lenkberechtigung durch die Ladung des Bw vom 3.9.2010 mit dem Vorwurf der Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 61 km/h und nach Terminverschiebung durch neuerliche Ladung vom 12.10.2010.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 69 Abs.1 Z2 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungs­straf­verfahren anzuwenden ist, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechts­mittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat.

 

Geht man davon aus, dass der Rechtsvertreter des Bw am 10.9.2010 bei der Erstinstanz Akteneinsicht genommen hat – darüber findet sich im vorgelegten Verfahrensakt nichts – ist der Antrag vom 21.9.2010 als innerhalb von zwei Wochen danach eingebracht und damit rechtzeitig anzusehen, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben war.   

 

Zu bemerken ist aber, dass die in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung der Erstinstanz, der Bw hätte bereits mit Zustellung der Strafverfügung vom nun geltend gemachten Wiederauf­nahme­­­­grund Kenntnis erlangen können, geteilt wird. Nach der Judikatur des VwGH muss die Unterlassung möglicher Beweis­anträge, die später als Wieder­aufnahmegrund geltend gemacht werden, der Partei als Verschulden im Sinne des § 69 Abs.1 Z2 AVG zugerechnet werden (vgl E 24.11.1993, 93/02/0272).

Gleich gelagert wie der des Bw ist auch der dem Erkenntnis des VwGH vom 4.7. 1997, 97/03/0058, zugrundeliegende Fall: Auch hier erwuchs die Straf­ver­fügung mangels Erhebung eines Einspruchs in Rechtskraft und wurde später geltend gemacht, der Tatort sei außerhalb des Beschränkungsbereiches. Auch hier führte der VwGH aus, der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs.1 Z2 AVG setze das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel voraus, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Auch hier wurde dem Beschuldigten ein Verschulden dahin­gehend angelastet, dass er die vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel bereits im Verwal­tungs­strafverfahren geltend machen hätte können, weil er sich von diesen Tatsachen und Beweismitteln bei gehöriger Verfolgung seiner Interessen jedenfalls noch vor Ablauf der Frist zur Erhebung des Einspruches gegen die Strafverfügung Kenntnis hätte verschaffen können. Auch hier hat der VwGH in Bestätigung der Abweisung des Wiederaufnahme-Antrages ausge­spro­chen, dass der Beschuldigte mit seiner Verantwortung, er habe auf die Richtig­keit der Angaben in der Strafverfügung vertraut, es wäre von einem einfachen Staatsbürger schlicht zu viel verlangt, wenn er von vornherein Feststellungen der Exekutive zum Tatort und Bestehen einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit überprüfen müsste und es sei zu berücksichtigen, dass gegen ihn ja ohne weitere Anhörung einfach eine Straf­verfügung erlassen wor­den sei und ihm erst anläss­lich einer späteren Dienstfahrt die Unrichtigkeit des Tatvorwurfs aufgefallen sei, den Mangel eines Verschuldens an der Nichtgeltend­machung der ins Treffen geführten Tatsachen und Beweismittel im Verwaltungs­strafverfahren nicht darzu­tun vermag.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

WA-Antrag rechtzeitig -> Behebung (I. Antrag als verspätet eingebracht zurückgewiesen), so abzuweisen gewesen wäre (WA-Grund nicht gegeben)

 

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