Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240777/2/SR/Sta

Linz, 03.11.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geb. am x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, vom 4. Oktober 2010 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. September 2010, GZ 0043261/2008, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen worden ist, zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Juni 2010, GZ 0043261/2008, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen sechs Verwaltungsübertretungen nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), Geldstrafen in der Höhe von je 100 Euro (insgesamt 600 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 5 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag iHv insgesamt 60 Euro vorgeschrieben.

 

Im Straferkenntnis wurde der Bw wie folgt für schuldig befunden:

"Die (Der) Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x mit dem Sitz in x, und somit als nach § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, dass von dieser Firma die Bestimmungen des LMSVG im Umfang der §§ 4, 21 und 38 iVm Art 4 Abs. 2 und Art. 5 VO (EG) 852/2004 (Anhang II Kapitel I, II, III, V, VI, VIII, IX, und XII) von 23.07.2007 bis 14.08.2008 nicht eingehalten wurden.

Bei Kontrollen am 23.07.2007, 07.07. 2008 und 14.08.2008 wurden nachstehende Beanstandungen festgestellt:

1. Bauliche Voraussetzungen: Sowohl im Verkaufsbereich als auch im Produktionsbereich fehlen Fliesen bzw. sind diese beschädigt, im Produktionsbereich sind weiters Teile des Fußbodens, der Wände und die Installationen nicht leicht zu reinigen und zu desinfizieren. Die Schiebetür zum Produktionsbereich ist beschädigt und nicht so ausgeführt, damit ein Eindringen von Schädlingen verhindert wird. Der Schließmechanismus der Kühlraumtüre ist defekt. Das Waschbecken im Produktionsraum verfügt über keinen Seifenspender und eine hygienische Händetrockenmöglichkeit. Reinigungsgeräte werden in Räumen gelagert, in denen mit Lebensmittel umgegangen wird. Das Abflusssystem verfügt über keine Gitter, die vor dem Eindringen von Schädlingen schützen. Insektenschutzgitter fehlen bei den zu öffnenden Fenstern.

2. Gerätespezifische Voraussetzungen: Im Produktionsraum werden Abfälle in einem Papiersack gelagert. Geräte, die nicht zur Speiseeisherstellung benötigt werden, werden im Produktionsraum gelagert. Gegenstände und Flächen sind nicht aus einem glatten, abrieb- und korrosionsfesten Material und daher nicht leicht zu reinigen und zu desinfizieren.

3. Reinigung, Desinfektion, Schädlinge: Der Reinigungszustand des Betriebes ist unzureichend, da der Grad der Verschmutzung (Spinnweben, Verkrustungen, etc.) stetig ansteigt. Zumindest seit 07.07.2008 wurde keine ordentliche Reinigung mehr durchgeführt.

4. Schulung: Hygieneschulungen des Personals werden nicht durchgeführt. Es kann Nachweis darüber vorgelegt werden. Auch kann keine Desinfektionslösung, wie am Reinigungsplan angeführt, nicht vorgewiesen werden.

5. Personalhygiene: Der Umkleidebereich ist verrümpelt – keine Trennung von sauberer und verschmutzter Arbeitskleidung.

6. Eigenkontrolle: Der Betrieb verfügt über kein schlüssiges Eigenkontrollsystem nach den Grundsätzen des HACCP. Keine laufenden Aufzeichnungen über Wareneingangskontrolle, Lagertemperaturen, etc. Kein Reinigungs- und Desinfektionsplan für Produktionsbereich. Keine produktbezogene Gefahrenanalyse, sowie keine Überwachung kritischer Kontrollpunkte. Kein Schädlingsmonitoring. Weder 2007 noch 2008 hat eine Probenziehung durch den Betreiber gemäß der VO (EG) 2073/2005 (5 Proben/Jahr) stattgefunden.

 

Verletzte Verwaltungsvorschrift(en) in der gültigen Fassung:

ad 1 bis 3) Kapitel I, II, und V des Anhang II i.V.m Art 4 der VO (EG) 852/2004

ad 4) Kapitel XII des Anhang II i.V.m Art 4 der VO (EG) 852/2004

ad 5) Kapitel VIII des Anhang II i.V.m Art 4 der VO (EG) 852/2004

ad 6) Art. 5 der VO (EG) 852/2004"

Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw nach Aktenlage am 28. Juni 2010 zugestellt wurde, erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung, das am 13. Juli 2010 per E-Mail und Fax bei der belangten Behörde eingebracht wurde.

In der Berufung führt der Bw - ohne auf Zustellstellmängel und eine allfällige Heilung Bezug zu nehmen - aus, dass er die Beschuldigungen zurückweise. Es sei ihm unerklärlich, dass er als Verantwortlicher der Verwaltungsübertretung beschuldigt werde, obwohl dem Magistrat der tatsächlich Verantwortliche bekannt sei. Der Bw verweist auf ein Schreiben der Lebensmittelaufsicht vom 25. August 2008 und auf die mündliche Stellungnahme des Verantwortlichen selbst gegenüber der Lebensmittelaufsicht sowie auf die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses.

1.2. Da zu diesem Zeitpunkt aufgrund der eindeutigen Aktenlage von einer eigenhändigen Zustellung an den Bw am 28. Juni 2010 auszugehen war, wies der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Beschluss vom 30. Juli 2010, VwSen-240755/3/Sr/Fu/Sta, die Berufung als unzulässig – weil verspätet – zurück.

1.3. Die belangte Behörde hat den Bw mit Schreiben vom 9. August 2010 zur Zahlung der Geldstrafe samt Verfahrenskosten aufgefordert. Entsprechend der Zustellverfügung wurde dem Bw das Schreiben mittels RSb am Sitz der x zugestellt und von einem "Arbeitnehmer" am 26. August 2010 übernommen.

Im Anschluss an die Akteneinsicht hat der Bw, nunmehr vertreten durch x, mit Schriftsatz vom 9. September 2010 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Berufung, eingebracht.

Begründend wurde für den Fall einer Fristversäumung ausgeführt, dass der Bw seit Juli 2009 nicht mehr Geschäftsführer der x sei und sich die Wohnanschrift nicht in x, sondern, wie der belangten Behörde bekannt, in x, befinde.

Im Verwaltungsakt befinde sich ein Rückschein mit einer unleserlichen Unterschrift und das Datum sei diesem nicht zu entnehmen. Tatsache sei, dass er in x, weder wohnhaft noch polizeilich gemeldet sei und zum Zustellzeitpunkt des Straferkenntnisses vom 16. Juni 2010 keine Organfunktion in der vorliegenden Firma mehr gehabt habe. Das Straferkenntnis sei ihm erst am 29. Juni 2010 tatsächlich zugekommen und die Berufung daher rechtzeitig eingelegt worden.

Sollte das Schriftstück tatsächlich bereits am 28. Juni 2010 von einem Mitarbeiter der x übernommen worden sein, stelle dieser Umstand zumindest ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dar, durch das er ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Berufungseinbringung gehindert worden sei. Der Umstand der Fristversäumnis sei ihm erst mit Zustellung des Erkenntnisses des UVS vom 26. August 2010 zur Kenntnis gelangt.  

Mit Bescheid vom 16. September 2010, GZ 0043261/2008, zugestellt am 20. September 2010, hat die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen.  

2. Innerhalb offener Frist hat der Rechtsvertreter des Bw Berufung erhoben und ausgeführt, dass die Zustellung erst am 29. Juni 2010 rechtswirksam geworden sei, die Argumentation der belangten Behörde an der Realität vorbeiginge und das Verschulden bei dieser liege, da sie eine Zustellung an der Adresse des Unternehmens vornehmen habe lassen, obwohl ihr die Meldeadresse in x und die nicht mehr bestehende Organfunktion bekannt gewesen sei.

3. Das Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat mit Schreiben vom 11. Oktober 2010, eingelangt am 20. Oktober 2010, den zugrundeliegenden Verwaltungsakt vorgelegt.

3.1. Der der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

3.1.1. Aufgrund der Angaben des Bw, die dieser erstmals im Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemacht hat, wurde der im Akt einliegende Rückschein einer neuerlichen Begutachtung und Beurteilung unterzogen.

Davon ausgehend, dass der Bw entgegen der Zustellverfügung zum Zustellzeitpunkt in der genannten Firma keine Organfunktion mehr innehatte und in dieser auch nicht mehr beschäftigt war, stellte der Firmensitz für ihn keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes dar. Wie ein eingehender Vergleich der Unterschriften zeigt, ist die Unterschrift am Rückschein der jener des Bw sehr ähnlich, stimmt aber in Teilbereichen mit dieser nicht überein. Somit ist dem Vorbringen des Bw zu folgen und es steht fest, dass das Zustellorgan trotz der angeordneten Zustellung zu eigenen Handen das Straferkenntnis am 28. Juni 2010 an einen Mitarbeiter der genannten Firma ausgefolgt und es aus diesem Grund unterlassen hat, einen Empfängervermerk am Zustellnachweis anzubringen. Weiters kann der Darstellung des Bw nicht entgegen getreten werden, wonach er das Straferkenntnis erst am 29. Juni 2010 ausgefolgt erhalten habe.

3.1.2. Das zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates hat in Kenntnis des nunmehr vorliegenden Sachverhaltes mit Beschluss vom 2. November 2010, VwSen-240755/4/SR/Sta, den Beschluss vom 30. Juli 2010, VwSen-240755/3/Sr/Fu/Sta, von Amtswegen ersatzlos aufgehoben.

3.2. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Nach dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens wurde der Bw mit Schreiben vom 3. Februar 2009 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Fristgerecht brachte der Bw mit Schriftsatz vom 27. Februar 2009 eine Stellungnahme ein und ersuchte dabei um einen Termin für einen Ortsaugenschein.

Ohne weitere Ermittlungen zu pflegen erstellte die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 16. Juni 2010, GZ 0043261/2008. Als Zustelladresse wurde der Sitz des Unternehmens – x – verfügt und eine RSa-Zustellung vorgesehen.

Das Zustellorgan hat die Zustellhandlung am Unternehmenssitz vorgenommen und das Straferkenntnis einem Beschäftigten der x ausgefolgt. Dieser hat die Übernahme des Schriftstückes bestätigt. An wen das Straferkenntnis ausgefolgt wurde, hat der Zusteller nicht vermerkt. Nach Weiterleitung langte das Straferkenntnis am 29. Juni 2010 beim Bw ein.

3.3. Das Vorbringen des Bw ist schlüssig und nachvollziehbar. Die belangte Behörde ist diesem nicht entgegengetreten.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 71 Abs. 1 VStG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in der vorigen Stand zu bewilligen.

4.2. Wie dem Ermittlungsverfahren und darüber hinaus den Feststellungen im Beschluss des Oö. Verwaltungssenates vom 2. November 2010, VwSen-240755/4/SR/Sta, zu entnehmen ist, sind bei der Zustellung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 16. Juni 2010, GZ 0043261/2008, Mängel aufgetreten. Da dem Bw das Straferkenntnis erst am 29. Juni 2010 tatsächlich zugekommen ist, gilt die Zustellung mit diesem Tag als bewirkt. Die am 13. Juli 2010 eingelangte Berufung wurde somit rechtzeitig, da innerhalb der Rechtsmittelfrist, eingebracht.

Im Hinblick darauf, dass der Bw die Berufung rechtzeitig eingebracht hat und keine Frist versäumt wurde, war aus Anlass der Berufung der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Christian Stierschneider

 

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