Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100631/18/Fra/Ka

Linz, 22.03.1993

VwSen - 100631/18/Fra/Ka Linz, am 22.März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des R L, St, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J L und Dr. E W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 30. April 1992, St.5467/91, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach der am 28. Oktober 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Schuldspruch im angefochtenen Umfang wie folgt zu lauten hat:

"Sie lenkten am 30.11.1991 um 3.35 Uhr im Ortsgebiet von L, Bundesstraße 115, etwa 50 m vor dem Straßenkilometer 40.750, den PKW , wobei sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 20 Abs.2 StVO 1960.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt." Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24 und 51 VStG.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 120 S. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages.

Rechtsgrundlage: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit Straferkenntis vom 30. April 1992, Zl. St.5467/91, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach 1. § 20 Abs.2 StVO 1960, 2. § 52 lit.a Z.10a StVO 1960 und 3. § 102 Abs.2 KFG 1967, zu 1. eine Geldstrafe von 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage), zu 2. eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) und zu 3. eine Geldstrafe in Höhe von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er am 30. November 1991 um 3.35 Uhr im Ortsgebiet von L, Bundesstraße 115, etwa 50 m vor dem Straßenkilometer 40.750, den PKW mit einer Fahrgeschwindigkeit von zumindest 105 km/h gelenkt hat, wodurch er 1. unter besonders gefährlichen Verhältnissen (mangelhafte Sicht infolge Dunkelheit, dicht verbautes Ortsgebiet, kurviger Verlauf der Straße, zahlreiche Häuser, Zu- und Abfahrten, mehrere Straßenkreuzungen) die im Ortsgebiet höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 55 km/h überschritten hat. In weiterer Folge hat er 2. das beim Straßenkilometer 40.750 aufgestellte Vorschriftszeichen "70 km/h" mißachtet, weil er die Fahrgeschwindigkeit von zumindest 105 km/h bis etwa 100 m vor dem Straßenkilometer 41,2 beibehielt. Weiters hat er 3. nicht dafür Sorge getragen, daß die hintere Kennzeichentafel des von ihm gelenkten PKW's vollständig sichtbar war, weil sie infolge Verschmutzung nicht innerhalb einer Entfernung von 20 m abgelesen werden konnte.

Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die belangte Behörde nicht Gebrauch gemacht. Sie hat das Rechtsmittel samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Durch die Vorlage wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst. Dieser hat, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 1992 - an diesem Tage wurde auch ein Ortsaugenschein durchgeführt - sowie durch ein ergänzendes Ermittlungsverfahren.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.4.1. Der Beschuldigte bestreitet die Feststellung, daß es sich bei der Fahrstrecke vom Parkplatz D bis zu Straßenkilometer 40.750 um dichtverbautes Ortsgebiet mit Straßenkreuzungen und zahlreichen Haus-, Zu- und Abfahrten handle. Nach der Ausfahrt aus dem Parkplatz D befinde sich die erste Hauszufahrt links der Bundesstraße B 115, welche 23 m von der Parkplatzausfahrt entfernt ist. Diese Zufahrt führe nur zu einem Haus, welches ca. 5 m von der Bundesstraße entfernt sei. Nach weiteren 100 m befinden sich zwei Einmündungen. Weitere 170 m von dieser Stelle entfernt befinde sich eine weitere Einmündung. Es befinde sich somit in diesem Fahrtbereich lediglich eine einzige Hauszufahrt. Die beiden gegenüberliegenden Einmündungen in die Bundesstraße sowie die sich 47 m vor dem Straßenkilometer 40.750 angeführte Einmündung seien Sackgassen. Für die Frage, ob besondere gefährliche Verhältnisse vorliegen, sei auch die Breite der Bundesstraße von Bedeutung. Eine Feststellung hierüber sei nicht getroffen worden. Die E.straße habe auf der gesamten Fahrstrecke eine durchgehende Breite von etwas mehr als 8 m. Sie weise vor dem Strkm. 40.750 auch keinen leicht kurvigen Verlauf auf. Die genannte Strecke sei nur in einem gleichförmig verlaufenden Linksbogen ausgebildet. Für die Beurteilung einer allfälligen Gefährlichkeit dieses Straßenteiles komme es auch ausschließlich auf die Sichtweite an. Diese sei ebenfalls im angefochtenen Straferkenntnis nicht festgestellt worden. Angefangen vom Parkplatz D sei bis zur Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h stets eine Sicht von mindestens 250 m gegeben. Auch sei die Feststellung, daß die Bundesstraße 115 etwa 100 m vor dem Strkm. 41,200 eine Fahrbahnkuppe mit einer Rechtskurve aufweise, unrichtig. Trotz der Änderung des Verlaufes der B 115 sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung sei stets eine Sichtweite von mehr als 200 m gegeben. Es liege auch auf der Fahrstrecke vom Parkplatz D bis Strkm 40.750 kein dichtverbautes Ortsgebiet vor. Zur Tatzeit habe klares Wetter geherrscht. Das Fernlicht eines PKW's sei nun so gestaltet, daß bei Dunkelheit und klarem Wetter die Fahrbahn auf mindest 100 m ausreichend ausgeleuchtet wird. Er hätte daher ohne weiteres innerhalb der ausgeleuchteten Strecke sein Fahrzeug anhalten können. Der Amtssachverständige Ing. K habe aufgrund der vorgegebenen Prämissen eine Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h nach einer Anfahrstrecke von 350 m ermittelt. Die Fahrstrecke von der Abfahrt aus dem Parkplatz D bis zur Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h betrage jedoch nicht 350 m, sondern nur 340 m. Weil er die gefahrene Höchstgeschwindigkeit 50 m vor der Geschwindigkeisbeschränkung 70 km/h erreicht hatte, wäre daher zutreffenderweise zu erheben und zu berechnen gewesen, wie hoch seine Fahrgeschwindigkeit nach einer Fahrstrecke von 290 m war. Nach einer Fahrstrecke von 290 m ergebe sich nach seinen Berechnungen ohne Bedachtnahme auf äußere Einflüsse bei einer Fahrstrecke von 290 m und auch ohne Schaltvorgänge eine erreichbare Geschwindigkeit von 107,6 km/h und bei einer Fahrstrecke von 290 m mit Schaltvorgängen eine erreichbare Geschwindigkeit von 95,36 km/h. Er beantrage daher die Einholung eines Ergänzungsgutachtens des technischen Amtssachverständigen.

I.4.2. Aufgrund des Ergebnisses des vom unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist davon auszugehen, daß der Beschuldigte auf der in Rede stehenden Strecke als Lenker des PKW's die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zwar überschritten hat, doch diesen PKW nicht - wie die Erstbehörde angenommen hat - mit einer Geschwindigkeit von 105 km/h gelenkt hat. Dieses Ergebnis gründet sich auf die am 28. Oktober 1992 durchgeführte Nachfahrt mit dem PKW, VW-Passat, Kennzeichen , wonach festgestellt wurde, daß dieser PKW bei voller Beladung - wie zum Tatzeitpunkt - allerdings mit zwei Personen besetzt, auf einer Strecke von 290 m bei voller Beschleunigung vom Stand weg, eine Geschwindigkeit von 76,1 km/h erreichte. Durch Angleichung der vom techn.Amtssachverständigen gemessenen Geschwindigkeitskurve ist davon auszugehen, daß der PKW mit einer Person eine Endgeschwindigkeit von ca. 80 km/h erreicht hat. Weiters wurden anläßlich des Ortsaugenscheines nachfolgende vom Beschuldigten vorgebrachten Fakten bzw. Umstände verifiziert: Die erste Hauszufahrt nach dem Parkplatz D in Fahrtrichtung des Beschuldigten ist 23 m entfernt und befindet sich auf der linken Fahrbahnseite. Weitere Ausfahrten befinden sich bei 123 m und bei 293 m, gemessen von der Parkplatzausfahrt. Die Bundesstrafe ist im gesamten Bereich in einem guten Zustand und hat eine Breite von 8,3 m. Sie weist keinen kurvigen Verlauf auf, sondern ist in einem gleichförmig verlaufenden Linksbogen ausgebildet. Die Sichtweite beträgt über die ganze Strecke 250 m. Was die Verbauung anlangt, so ist festzustellen, daß sich auf der linken Fahrbahnseite in der Fahrtrichtung des Beschuldigten gesehen, Häuser befinden. Der Gehsteig ist auf der linken Seite durch eine Grünfläche von der Fahrbahn getrennt, auf der rechten Seite ist er am Fahrbahnrand angelegt und reicht bis zur ersten Ausfahrt. Es herrschte zur Tatzeit klare Sicht und die Fahrbahn war trocken. Weiters liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Fahrzeug des Beschuldigten Mängel aufgewiesen hätte oder daß sich der Beschuldigte in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand befunden hätte.

Der oben dargestellte Sachverhalt ist aufgrund der durchgeführten Vergleichsfahrt sowie aufgrund des abgehaltenen Ortsaugenscheines und aufgrund des Akteninhaltes als erwiesen anzunehmen.

I.4.3. Die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes hat zur Folge, daß der Beschuldigte zwar eine Übertretung des § 20 Abs.2 StVO zu verantworten hat, diese Geschwindigkeitsüberschreitung jedoch nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen hat, da die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur geforderten zusätzlichen gravierenden Sachverhaltselemente nicht vorgelegen sind. Wie bereits oben ausgeführt, betrug die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ca. 30 km/h.

I.4.4. Zu dem von der belangten Behörde im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgebrachten Argument, daß der PKW des Beschuldigten vor der Vergleichsfahrt überladen war und bezweifelt wird, daß, wenn der PKW zur Tatzeit gleich überladen gewesen wäre, der Arbeitgeber in Kenntnis dieser Überladung seinen Dienstnehmer zur Begehung einer Verwaltungsübertretung angestiftet hätte, ist festzustellen: Zur objektiven Wahrheitsfindung war es erforderlich, daß der PKW des Beschuldigten mit einem Gewicht zugeladen war, welches sich aus dem erstbehördlichen Akt ergab. Wenn die belangte Behörde nunmehr bezweifelt, daß der Arbeitgeber in Kenntnis der Überladung seinen Dienstnehmer zu einer Begehung einer Verwaltungsübertretung angestiftet hat, so ist sie auf die Zeugeneinvernahme des Dienstgebers vom 31. März 1992 vor der belangten Behörde hinzuweisen, wonach dieser selbst angab, daß die Ladung zum Zeitpunkt 645 kg betrug. Laut Aktenvermerk der belangten Behörde vom 31.3.1992 teilte der Dienstgeber des Beschuldigten mit, daß bei der Zuladung etwa 80 kg bis 100 kg abzuziehen sei. Am 6.4.1992 teilte er der belangten Behörde wiederum mit, daß von den 645 kg 130 kg in Abzug zu bringen seien. Diese genaue Angabe habe er deshalb machen können, weil am 4.4.1992 eine diesbezügliche Testfahrt und Abwaage stattgefunden hat. Von den verbliebenen 515 kg ging sodann auch der techn. Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 16.4.1992 aus. Hätte daher die belangte Behörde bereits im erstinstanzlichen Verfahren einen entsprechenden Lokalaugenschein mit Vergleichsfahrt durchgeführt, wäre ihr diese Überladung auch zu diesem entsprechend früheren Zeitpunkt bewußt geworden. Sie hätte das von ihr vermutete Delikt der Anstiftung zur Überladung eventuell auch noch verfolgen können. Augenscheinlich ist der belangten Behörde aufgrund der Aktenlage diese Überladung jedoch nicht bewußt gewesen. Fachliche Einwände zum Ergänzungsgutachten wurden von der belangten Behörde nicht vorgebracht. Da dieses Gutachten schlüssig ist, wurde es der Entscheidung zugrundegelegt.

I.4.5. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß aufgrund des geänderten Strafrahmens (§ 99 Abs.2 StVO 1960 sieht Strafen von 500 S bis 30.000 S vor, § 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis zu 10.000 S vor) die Strafe dem Unrechtsgehalt der Übertretung entsprechend zu reduzieren war. Darüber hinaus ist festzustellen, daß der Beschuldigte nicht vier einschlägige, sondern drei einschlägige Vormerkungen aufweist. Die verhängte Strafe liegt im unteren Bereich des Strafrahmens und scheint der erkennenden Behörde geeignet, den Beschuldigten in Hinkunft vor weiteren Übertretungen gleicher Art abzuhalten. Mildernde Umstände lagen nicht vor, als erschwerend wurden drei einschlägige Vormerkungen gewertet. Auf die aktenkundigen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten wurde Bedacht genommen.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Die reduzierte Strafe hat zur Folge, daß sich auch der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz entsprechend vermindert und daß für das Berufungsverfahren kein Kostenbeitrag zu leisten ist. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

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