Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420646/4/BP/Ga

Linz, 05.10.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, vom 18. August 2010, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 27. Juli 2010 durch ein dem Polizeidirektor von Linz zurechenbares Organ des X, mit der Dienstnummer X, in Form der um 10:49 Uhr angeordneten und von der Firma X durchgeführten Entfernung des von der Beschwerdeführerin gehaltenen Fahrzeuges X mit dem polizeilichen Kennzeichen: X, das vis a vis des Hauses X, in dem Bereich, in dem ein Halte- und Parkverbot verordnet gewesen sei, allerdings mit der Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit von 07:00 bis 18:00", abgestellt gewesen sei, zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) hat der Beschwerdeführerin die Kosten in Höhe von 737,60 Euro (Schriftsatzaufwand) sowie 45,60 Euro (Eingabegebühren), insgesamt also 783,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 67c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG;

Zu II.: § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Schriftsatz vom 18. August 2010 erhob die Beschwerdeführerin (in der Folge Bf) durch ihre rechtsfreundliche Vertretung Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 27. Juli 2010 durch ein dem Polizeidirektor von Linz zurechenbares Organ des X, mit der Dienstnummer X, in Form der schon vor 10:40 Uhr angeordneten und von der Firma X durchgeführten Entfernung des von der Beschwerdeführerin gehaltenen Fahrzeuges X mit dem polizeilichen Kennzeichen: X, das vis à vis des Hauses X, in dem Bereich, in dem ein Halte- und Parkverbot verordnet gewesen sei, allerdings mit der Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit von 07:00 bis 18:00", abgestellt gewesen sei.

 

1.1.2. Zunächst wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die Bf Eigentümerin des in Rede stehenden Fahrzeuges sei. Am Dienstag dem 27. Juli 2010 sei die Mutter der Bf, die Angestellte in der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters sei, mit dem oa. PKW der Bf kurz vor der angeordneten und nunmehr bekämpften Maßnahme zur Sparkasse auf der Promenade gefahren, wo sie den PKW in der Tiefgarage abgestellt und Erledigungen im Schalterraum getätigt habe. Dies werde durch einen Beleg von 10:38 Uhr nachgewiesen. Anschließend habe sie die Parkgarage um 10:41:13 Uhr verlassen und sei mit dem PKW wieder zur Kanzlei gefahren, um Vorhänge einzuladen, die zu waschen gewesen seien. Sie habe das Fahrzeug vis à vis vom Büro X im Ladetätigkeitsbereich vor dem Speiselokal X bei der ersten Blumenampel abgestellt.

 

Kurz nachdem sie das Fahrzeug abgestellt habe – es seien keine fünf Minuten vergangen – habe sich die Mutter der Bf wieder zum Fahrzeug begeben, wobei sie festgestellt habe, dass ein Strafzettel angebracht worden und das Fahrzeug im Begriff gewesen sei, abgeschleppt zu werden. Der Lenker des Abschleppwagens habe nicht mit sich reden lassen, das Fahrzeug drei Meter weggeschleppt und ein Foto gemacht. Die Mutter der Bf sei zur Unterfertigung eines Zettels genötigt und ihr das Fahrzeug dann wieder überlassen worden; dies trotz des Hinweises, dass sie gerade noch in der Bank gewesen sei und erst wenige Minuten hier gestanden sowie eine Ladetätigkeit durchgeführt habe.

 

Die Mutter der Bf habe sich schließlich ins Wachzimmer X begeben, um mit dem zuständigen Polizisten zu sprechen. Sie habe erneut auf oa. Umstände verwiesen sowie auch darauf, dass sie nicht – wie am Strafzettel angegeben vor X und um 10:40 Uhr – gestanden sei, sondern das Fahrzeug frühestens um 10:43 bzw. 10:44 Uhr vis à vis dem Haus X abgestellt habe. Sie sei aber auch hier auf taube Ohren gestoßen. Der den Strafzettel ausstellende Polizist hätte die Lenkerin des in Rede stehenden Fahrzeuges daher beim Aussteigen sehen müssen, wenn er die 10 Minuten für die Ladetätigkeit berücksichtigt haben würde, was eben nicht geschehen sei. Unabhängig davon seien sowohl Tatzeit als auch Tatort am Strafzettel falsch angegeben.

 

Bereits um 10:52 Uhr sei sowohl die Besprechung mit dem Abschleppdienst als auch die Vorsprache bei der Polizei – X – abgeschlossen gewesen. Der Auftrag zum Abschleppen des Fahrzeuges müsste bereits zu einem Zeitpunkt erteilt worden sein, als es noch gar nicht am Tatort gestanden sei.

 

Ungeachtet dessen befinde sich weder am seitens der Behörde behaupteten noch am tatsächlichen Tatort eine Zusatztafel im Sinne des § 54 Abs. 5 lit. j StVO ("Abschleppzone"), die aber Voraussetzung dafür wäre, dass ein Entfernen des Fahrzeuges im Sinne des § 89a Abs. 2 lit b StVO zulässig sei.

 

Die Vorgangsweise der Behörde sei daher in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig gewesen und habe daher zu Unrecht in das Eigentumsrecht der Bf im Sinne des Art. 5 StGG eingegriffen.

 

Das Fahrzeug sei zudem weder verkehrsbehindernd noch länger als 10 Minuten abgestellt worden.

 

1.1.3. In rechtlicher Hinsicht führt die Bf zunächst aus, dass die Einbringung der Beschwerde jedenfalls rechtzeitig im Sinn des § 67c Abs. 2 iVm § 33 Abs. 2 und 3 AVG erfolgt sei.

 

Es könne sich bei der Vorgangsweise der Behörde nur um einen Irrtum bzw. um eine Verwechslung gehandelt haben. Die Entfernung eines Fahrzeuges sei nur aus den Gründen des § 89a StVO zulässig, der in Abs. 2 ausdrücklich vorsieht, dass ein im Halte- und Parkverbot abgestelltes Fahrzeug, das eine Verkehrsbeeinträchtigung darstellt, nur dann abgeschleppt werden darf, wenn das Halte- und Parkverbot aus Gründen der Sicherheit erlassen und durch das Vorschriftszeichen des § 52 Z. 13b StVO mit einer Zusatztafel "Abschleppzone" kundgemacht worden sei.

 

Die Entfernung des Fahrzeuges durch die belangte Behörde stelle daher eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. VfGH vom 28. September 1993, B 1171/93). Diese habe die Bf in ihrem verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrecht im Sinne des Art. 5 StGG verletzt, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen derartigen Eingriff nicht vorgelegen hätten.

 

1.1.4. Abschließend wird der Antrag gestellt:

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der vorliegenden Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Verwaltungsakt, sohin die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der belangten Behörde durch ein Organ des X, und zwar die am Dienstag dem 27. Juli 2010 vor 10:40 Uhr angeordnete und von der Firma X daraufhin durchgeführte Entfernung des Fahrzeuges der Bf, das tatsächlich vis-à-vis vom Haus X, beim Geschäftslokal X, im Bereich eines geltenden Halte- und Parkverbotes mit der geltenden Zusatztafel: "ausgenommen Ladetätigkeit von 07.00 bis 18.00 Uhr" abgestellt gewesen sei, für rechtswidrig erklären und der belangten Behörde auch den Ersatz der Aufwendungen im verzeichneten Ausmaß (Schriftsatzaufwand 737,60 Euro, Eingabegebühren: 45,60 Euro) binnen 14 Tagen auferlegen.

 

Der Beschwerde sind an Beweismitteln beigeschlossen:

2 Lichtbilder, die die Örtlichkeit zeigen, an der das in Rede stehende Fahrzeug abgestellt war,

1 Zulassungsschein,

1 teilweise geschwärzter Kontoauszug,

1 Verständigung der Polizei,

1 Rechnung der Firma X,

3 Lichtbilder, die das Ausfahren aus der Garage der Sparkasse (Promenade) zeigen.

 

1.2. Mit Schreiben vom 23. August 2010 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und eingeladen bis spätestens 30. September 2010 (Einlangen beim Oö. Verwaltungssenat) eine Gegenschrift zu übermitteln.

 

1.3.1. Mit Schreiben vom 22. September 2010 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt und erstattete eine umfassende Gegenschrift.

 

1.3.2. Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde aus, dass am 27. Juli 2010 die X des öfteren von LKW-Lenkern kontaktiert worden sei, die durch abgestellte Fahrzeuge in der Zufahrt zur Ladezone in der Altstadt gehindert gewesen seien. Als wiederum um 10:40 Uhr eine neuerliche Beschwerde betreffend verparkter Ladezone in der PI eingelangt sei, habe sich ein Organ der Straßenaufsicht an die besagte Örtlichkeit begeben, an der er um 10:45 Uhr eingetroffen sei. Von dem Organ habe festgestellt werden können, dass in der Ladezone X PKWs abgestellt gewesen seien und dadurch LKWs nicht hätten zufahren können. Bedingt durch die Beschwerde eines LKW-Fahrers, der bereits etliche Runden gedreht habe, um eine Ladetätigkeit in der Ladezone verrichten zu können, seien etliche PKWs vom Organ bezettelt und um 10:49 Uhr für 3 abgestellte Fahrzeuge über die Stadtleitstelle der Abschleppdienst angefordert worden. Unter diesen Fahrzeugen habe sich auch jenes der Bf befunden.

 

Das Organ sei bis zum Eintreffen des Abschleppdienstes, welcher gegen 11:00 Uhr die Örtlichkeit erreicht habe, vor Ort geblieben. In diesem Zeitraum habe von dem Organ keinerlei Ladetätigkeit, die beim besagten PKW vorgenommen worden sei, festgestellt werden können. Der betreffende Verständigungszettel sei vom Organ mit 10:40 ausgestellt worden. Dieser Zeitpunkt habe sich auf das Einlangen der Beschwerde durch einen LKW-Fahrer bezogen, was auch bei der Voranzeigevorlage vom 30. Juli 2010 und den dazu ergangenen Anzeigen ersichtlich sei.

 

1.3.3. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 89a Abs. 2 StVO die Entfernung von Fahrzeugen im Sinne dieser Bestimmung vorgesehen sei, wenn diese den Verkehr beeinträchtigen würden. Gemäß § 89a Abs. 2a lit. c sei eine Verkehrsbeeinträchtigung gemäß Abs. 2 leg. cit. gegeben, wenn der Lenker eines Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Weg- bzw. Zufahren ua. zu einer Ladezone gehindert sei. Die belangte Behörde verweist ua. auf ein Erkenntnis des VwGH vom 28. Oktober 1988, 88/18/0091, sowie vom 3. Oktober 1990 zur sogenannten Besorgnisjudikatur.

 

Im vorliegenden Fall sei eine derartige Verkehrsbeeinträchtigung – aufgrund der Beschwerden von LKW-Lenkern, denen das Zufahren zur Ladezone nicht möglich gewesen sei, wie auch die Unaufschiebbarkeit der Entfernung gemäß § 89a Abs. 3 StVO konkret gegeben gewesen.

 

Im vorliegenden Fall stehe auch in Frage, ob es sich hier überhaupt um eine Ladetätigkeit der Mutter der Bf gehandelt habe. Auch ergäben sich Zweifel an den zeitlichen Angaben der Bf, da der Abschleppdienst nachweislich erst um 10:49 Uhr angefordert worden und der Abschleppdienst erst gegen 11:00 Uhr am fraglichen Ort eingetroffen sei, wobei die Bf bis dahin nicht anwesend gewesen sei. Hinsichtlich der Örtlichkeit werde auf die beiliegenden Fotos verwiesen. 

 

1.3.4. Abschließend stellt die belangte Behörde die Anträge, die in Rede stehende Maßnahmenbeschwerde kostenpflichtig ab- bzw. zurückzuweisen sowie die Einvernahme des Mitarbeiters des Abschleppdienstes, des die Abschleppung veranlassenden Organs sowie der Exekutivbeamten X und X.

 

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die eingebrachten Schriftsätze bzw. Beweismittel. Daraus ergibt sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifelsfrei und unwidersprochen. Nachdem die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht dezidiert beantragt wurde, eine solche aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates auch nicht erforderlich war, konnte gemäß § 67d AVG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen. Die von der belangten Behörde beantragten Zeugeneinvernahmen waren insbesondere verzichtbar, da in den jeweils betroffenen Sachverhaltsfragen die Darstellung der belangten Behörde nicht angezweifelt wird. Von geringer Relevanz für das in Rede stehende Verfahren ist die Tatsache, dass die zeitliche Einschätzung der Mutter der Bf hinsichtlich ihres Wiedereintreffens beim Fahrzeug und der Abschleppung realiter wohl zu früh angesetzt sind. Auch die Frage nach der konkreten Ladetätigkeit spielt nur eine untergeordnete Rolle, wobei anzumerken ist, dass Vorhänge einer Kanzlei - also von mehreren Räumen - durchaus nach Art, Gewicht und Umfang beträchtlich sein können.

 

2.2. Der Oö Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Die Bf ist Eigentümerin des in Rede stehenden Fahrzeuges. Am Dienstag den
27. Juli 2010 fuhr die Mutter der Bf, die Angestellte in der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters ist, mit dem oa. PKW der Bf kurz vor der angeordneten und nunmehr bekämpften Maßnahme zur Sparkasse auf der Promenade, wo sie den PKW in der Tiefgarage abstellte und Erledigungen im Schalterraum tätigte. Dies wird durch einen Beleg von 10:38 Uhr nachgewiesen. Anschließend verließ sie die Parkgarage um 10:41:13 Uhr und fuhr mit dem PKW wieder zur Kanzlei. Sie stellte das Fahrzeug vis à vis vom Büro X im Ladetätigkeitsbereich im Bereich der Ladetätigkeitszone X bzw. vor dem Speiselokal X nur wenige Minuten später ab. Diese Zone ist durch ein Verkehrszeichen "Halte- und Parkverbot" mit einer Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit von 07:00 bis 18:00", jedoch ohne Zusatztafel im Sinne des § 54 Abs. 5 lit. j StVO ("Abschleppzone") gekennzeichnet.

 

Am 27. Juli 2010 wurde die PI Landhaus des Öfteren von LKW-Lenkern kontaktiert, die durch abgestellte Fahrzeuge in der Zufahrt zur Ladezone in der Altstadt gehindert waren. Als wiederum um 10:40 Uhr eine neuerliche Beschwerde betreffend verparkter Ladezone in der PI einlangte, begab sich ein Organ der Straßenaufsicht an die besagte Örtlichkeit, an der er um 10:45 Uhr eintraf. Von dem Organ wurde festgestellt, dass in der Ladezone X PKWs abgestellt waren und dadurch LKWs nicht hätten zufahren können. Dass eine konkrete diesbezügliche Situation vorgelegen sei, wurde jedoch nicht releviert.

 

Bedingt durch die Beschwerde des LKW-Fahrers um 10:40 Uhr, der bereits etliche Runden gedreht zu haben angab, um eine Ladetätigkeit in der Ladezone verrichten zu können, wurden etliche PKWs vom Organ bezettelt und um 10:49 Uhr für 3 abgestellte Fahrzeuge über die Stadtleitstelle der Abschleppdienst angefordert. Unter diesen Fahrzeugen befand sich auch jenes der Bf.

 

Einige Minuten später begab sich die Mutter der Bf wieder zum Fahrzeug, wobei sie feststellte, dass ein Strafzettel angebracht worden und das Fahrzeug im Begriff stand, abgeschleppt zu werden. Die Abschleppung fand um ca. 11:00 Uhr statt.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF., entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen. Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die behauptete Maßnahme fand – unbestritten – am 27. Juli 2010 statt. Die Beschwerde wurde am 18. August 2010 zur Post gegeben und ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

3.3. Im vorliegenden Fall behauptet die Bf durch das Abschleppen ihres PKWs in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Eigentum gemäß Art. 5 StGG verletzt worden zu sein.

 

Bei dem einschreitenden Polizeibeamten handelt es sich zweifelsfrei um ein Organ der öffentlichen Aufsicht, das in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben im Rahmen der Aufsichtspflicht nach der StVO einschritt. Dies erfolgte im Stadtgebiet von Linz, somit im örtlichen wie auch im sachlichen Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde, weshalb dieser das Einschreiten des Organs zuzurechnen ist.

 

Weiters ist davon auszugehen, dass hier ein Fall von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, da die Bf – bei Kenntnis der Maßnahme – dieser nicht freiwillig zugestimmt hätte, sondern – wie in derartigen Fällen wohl üblich – staatliche potestas angewendet wird. Unbestritten ist wohl, dass die Bf – im Falle einer rechtswidrigen Entfernung ihres Fahrzeuges durch den kostenpflichtigen Abschleppdienst – in ihren Rechten verletzt wäre. Rechtswidrigkeit läge dann vor, wenn die Maßnahme ohne entsprechende Deckung durch eine Rechtsgrundlage gesetzt worden wäre.

 

Es ist nun also zu prüfen, ob diese Maßnahme eine gesetzliche Deckung findet.

 

3.4.1. Gemäß § 89a Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 52/2005, hat die Behörde die Entfernung eines Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat udgl. der Verkehr beeinträchtigt wird. Die Entfernung ist ferner ohne weiteres Verfahren zu veranlassen

a) bei einem Gegenstand, bei dem zu vermuten ist, dass sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger und

b) bei einem Gegenstand (Fahrzeug, Container udgl.), der im Bereich eines Halte- und Parkverbotes abgestellt ist, das aus Gründen der Sicherheit erlassen worden und durch das Vorschriftszeichen nach § 52 Z. 13b mit einer Zusatztafel "Abschleppzone" (§ 54 Abs. 5 lit. j) kundgemacht ist.

 

3.4.2. Wie in der Beschwerde ausgeführt, könnte die in Rede stehende Maßnahme auf § 89a Abs. 2 lit. b StVO gestützt werden. Dazu ist aber das kumulative Vorliegen mehrerer Tatbestandselemente notwendig:

- das Fahrzeug muss in einem Halte- und Parkverbot abgestellt sein;

- dieses Halte- und Parkverbot muss aus Gründen der Sicherheit erlassen worden sein;

- dieses Halte- und Parkverbot muss durch das Vorschriftszeichen nach § 52 Z. 13b mit einer Zusatztafel "Abschleppzone" (§ 54 Abs. 5 lit. j) kundgemacht sein.

 

Im hier zu beurteilenden Fall steht außer Zweifel, dass das in Rede stehende Halte- und Parkverbot nicht mit einer Zusatztafel "Abschleppzone" kundgemacht wurde, weshalb mangels Vorliegens dieses kumulativ geforderten Tatbestandselements § 89a Abs. 2 lit b StVO nicht in Anwendung gebracht werden kann, um die getroffene Maßnahme rechtlich zu decken. Insofern ist der Beschwerde zu folgen.

 

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass im vorliegenden Fall das "Halte- und Parkverbot" mit einer Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit von 7:00 bis 18:00" versehen war. Eine solche Kennzeichnung führt zur Annahme einer Ladezone (vgl. § 52 lit. a Z. 13b StVO.) Darum wäre die Bestimmung des § 89a Abs. 2 lit b StVO ebenfalls nicht einschlägig.

 

3.4.3. Gemäß § 89a Abs. 2a lit. c StVO ist eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. insbesondere gegeben, wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren oder am Zufahren zu einer Ladezone oder zu einer Garagen- oder Grundstückseinfahrt gehindert ist.

 

3.4.4. Fraglich ist nun, ob diese Hinderung eines konkreten Sachverhalts bedarf oder im Sinne der Besorgnis auch bloß potentiell gegeben sein kann. Dazu ist auf die Judikatur des VwGH vom 28. Oktober 1988, 88/18/0091, zu verweisen.

 

"Der durch die 10.StVO-Novelle, BGBl 1983/174 eingefügte § 89a Abs 2a StVO hat gegenüber der bis dahin bestandenen Rechtslage insofern eine Änderung herbeigeführt, als seither in den in dieser demonstrativen Aufzählung enthaltenen Fällen bei der Umschreibung der Verkehrsbeeinträchtigung unterschiedliche Begriffe verwendet werden, weil in der lit a davon die Rede ist, dass Schienenfahrzeuge nicht unbehindert fahren können, in den lit b bis f hingegen das Wort "gehindert" verwendet und schließlich entsprechend den lit g und h eine Verkehrsbeeinträchtigung (schon) dann vorliegt, wenn ein Fahrzeug ...abgestellt ist. Daraus folgt, dass die in ständiger Judikatur seit dem E 12.5.1977, VwSlg 9320 A/1977 vertretene Auffassung, wonach es für die Rechtmäßigkeit einer Abschleppung nicht erforderlich ist, dass die Verkehrsbehinderung bereits eingetreten ist, sondern dass vielmehr grundsätzlich die begründete Besorgnis genügt, dass eine Verkehrsbehinderung eintreten werde, seit der 10.StVO-Novelle nicht undifferenziert im gesamten Geltungsbereich des § 89a Abs 2 StVO und § 89a Abs 2a StVO angewendet werden darf, sondern in den im § 89a Abs 2a StVO erwähnten Fällen entsprechende Unterschiede gemacht werden müssen."

 

"Die Entfernung und nachfolgende Aufbewahrung eines in einer Ladezone verkehrsbeeinträchtigend abgestellten KFZ entspricht dem Gesetz, wenn bereits ein anderer Lenker am - berechtigten - Zufahren zu der Ladezone konkret gehindert worden ist"

 

"Eine Verkehrsbeeinträchtigung durch ein in einer Ladezone abgestelltes KFZ iSd § 89a Abs 2a lit c StVO ist selbst dann gegeben, wenn in der Ladezone zur selben Zeit durch das Fahrzeug die eingetretene Verkehrsbeeinträchtigung mitverursacht worden ist."

 

3.4.5. Aus dem zitierten Erkenntnis geht somit zunächst hervor, dass eine differenzierte Beurteilung der jeweiligen Tatbestände des § 89a Abs. 2a StVO vorzunehmen ist. Weiters wird deutlich, dass im Fall der Verkehrsbeeinträchtigungen bei Ladezonen eine konkrete, wenn auch nur mitverursachte, Verkehrsbeeinträchtigung gegeben sein muss.

 

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass bei der PI X mehrfach Beschwerden - von an der Zufahrt zur Ladezone gehinderten LKW-Lenkern - bis 10:40 Uhr des in Rede stehenden Tages einlangten, die das einschreitende Organ bewogen sich um 10:45 Uhr an die betreffende Örtlichkeit zu begeben und um 10:49 Uhr den Abschleppdienst anzufordern. Dies könnte als konkrete Verkehrsbeeinträchtigung angesehen werden. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass zum Zeitpunkt der letzten telefonischen Beschwerde um 10:40 Uhr die Mutter der Bf das Fahrzeug nachweislich noch nicht in der Ladezone abgestellt hatte, sondern erst um ca. 10:44 dort eintreffen konnte. Es kann also gar nicht das betreffende Fahrzeug gewesen sein, dass die konkrete Verkehrsbehinderung verursacht hatte. Im Sachverhalt wurden keine Umstände bekannt, dass nach 10:44 Uhr noch weitere derartige Behinderungssituationen konkret vorgelegen wären, sondern dass diese allenfalls potentiell bestanden. Das kann auch durch die Rückdatierung des Strafzettels auf den Zeitpunkt der telefonischen Beschwerde um 5 Minuten nicht ausgeglichen werden.

 

3.4.6. Da also durch das Abstellen des in Rede stehenden Fahrzeuges keine konkrete Verkehrsbeeinträchtigung herbeigeführt wurde (diese bestand bis 10:40 Uhr offensichtlich durch ein anderes Fahrzeug), sondern ab 10:44 Uhr lediglich potentiell, kann die darauffolgende Abschleppung im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur nicht auf § 89a Abs. 2a lit c StVO gestützt werden. Ein Erstrecken der verkehrsbeeinträchtigenden Situation auf ein anderes zuvor in dem betreffenden Bereich abgestelltes Fahrzeug, um die Kontinuität zu wahren, kann aus rechtstaatlichen Überlegungen wohl nicht angedacht werden.

 

Nachdem keine weiteren einschlägigen Bestimmungen für die Zulässigkeit der Abschleppung ausgemacht werden können und auch nicht releviert wurden, war die getroffene Maßnahme rechtlich nicht gedeckt.

 

3.5. Es erübrigt sich somit eine Beurteilung der Frage, ob die Mutter der Bf tatsächlich eine Ladetätigkeit vorgenommen hat oder, ob Vorhänge überhaupt geeignet sind Gegenstand einer Ladetätigkeit zu sein, was im Übrigen je nach Art, Gewicht und Umfang allerdings durchaus zu bejahen sein kann, wie auch die Frage, wie lange die Bf das Fahrzeug tatsächlich bis zur Abschleppung abgestellt hatte.

 

3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Verletzung der Bf in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Eigentum zu erkennen.

 

 

4.1. Gemäß § 79a Abs. 1 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

 

Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 leg.cit. die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

Gemäß Abs. 4 leg.cit. gelten als Aufwendungen gem. Abs. 1:

1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

 

§ 1 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2003, setzt die Höhe der nach § 79a Abs. 5 und Abs. 7 AVG im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten über Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67c AVG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschbeträge wie folgt fest:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

737,60 €

2. Ersatz des Verhandlungsaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

922,00 €

3. Ersatz des Vorlageaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

57,40 €

4. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

368,80 €

5. Ersatz des Verhandlungsaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

461,00 €

 

4.2. Die im Spruchpunkt II angeführte Kostenentscheidung gründet auf die eben dargestellten Rechtsbestimmungen. Nachdem die Bf als obsiegende Partei anzusehen ist, war ihr auch der Kostenersatz für den Schriftsatzaufwand wie auch die Kosten der Gebühren zuzusprechen.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 45,60 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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