Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231139/2/SR/Gru/Sta

Linz, 09.12.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, albanischer Staatsangehöriger, x vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 18. August 2010,            Gz.:S-18.968/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremden­polizeigesetz (FPG), zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs 1 Z 2, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 (AVG);

zu II: §§ 65, 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 18. August 2010, Gz.: S-18.968/10-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 25.03.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 18.12.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültig­keitsdauer bis zu 6 Monaten sind."

Dadurch habe der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31/1 Z. 2-4 u. 6 FPG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe von 1.000,-- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen, verhängt.

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges sowie nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an. Mangels des Vorliegens von Erschwerungsgründen sei die gesetzliche Mindeststrafe zu verhängen gewesen.

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 1. September 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, per Fax am 14. September 2010 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

In der Begründung führte der Rechtsvertreter zur Anwesenheit des Bw im Bundesgebiet aus, dass der Bw im Juni 2001 eingereist sei, sich seitdem ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte und während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Nach einer mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 2009 habe der Asylgerichtshof am 17. Dezember 2009 das Asylverfahren entschieden. Unmittelbar danach habe der Bw durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 beim Magistrat Linz einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung gemäß den §§ 43 und 44 NAG gestellt. Das in der Folge auf § 44 Abs. 4 NAG eingeschränkte Verfahren sei nach wie vor anhängig. Überwiegend sei der Bw in einem sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt gewesen. Seit Februar 2007 sei er als Staplerfahrer tätig und verdiene durchschnittlich 1.900 Euro brutto. Der Bw spreche gut Deutsch, habe den Vorbereitungslehrgang zum externen Hauptschulabschluss besuchen und Prüfungen ablegen können. Strafgerichtlich sei der Bw unbescholten. Abstellend auf dieses Vorbringen sei von einer umfassenden sozialen und persönlichen Integration und einem neun Jahre bestehenden rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich auszugehen.

Aus Sicht des Rechtsvertreters habe die belangte Behörde wesentliche Verfahrensmängel begangen und es liege eine Verstoß gegen § 44a VStG vor. Gemäß § 24 NAG sei der Bw weiterhin rechtmäßig in Österreich aufhältig. Da im vorliegenden Fall alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gegeben seien, lägen die Voraussetzungen für eine Bestrafung nach § 31 Abs. 1 FPG nicht vor. Aus den §§ 43 und 44 NAG sei zwingend das Recht abzuleiten, die Entscheidung über den Antrag im Inland abwarten zu dürfen und schon deshalb liege kein schuldhaftes Verhalten des Bw vor.

Abschließend beantragt der Bw die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. In eventu wird die Anwendung des   § 21 VStG beantragt.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, GZ S-18.968/10, samt Berufungsschrift vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und lediglich Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw ist Staatsangehöriger von Albanien und hält sich seit 2001 in Österreich auf. Am 8. Juni 2001 hat der Bw einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) eingebracht. Die gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes eingebrachte Berufung (in der Folge Beschwerde) wurde vom Asylgerichtshof abgewiesen und das Erkenntnis des Asylgerichtshofes dem Bw am 17. Dezember 2009 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 hat der Bw beim Magistrat Linz einen Antrag auf Erteilung einer "humanitären Aufenthaltsbewilligung" gestellt. Laut Aktenlage ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Bei der Bearbeitung des Fremdenaktes des Bw stellte das fremdenpolizeiliche Referat der belangten Behörde am 25. März 2010 fest, dass das Asylverfahren des Bw seit dem 17. Dezember 2009 rechtskräftig abgeschlossen ist und erstattete daraufhin Anzeige.

Auf Grund der Anzeige vom 25. März 2009, AZ 104298/FRB, hat die belangte Behörde den Bw mit Schriftsatz vom 1. Juni 2010 zur Rechtfertigung aufgefordert und ihm die dem Spruch zugrundeliegende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt. Rechtsfreundlich vertreten hat der Bw eine ausführliche Stellungnahme eingebracht.

 

Nach Einsichtnahme in die FI hat die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3.2. Unstrittig ist, dass der Bw den Aufenthalt im Bundesgebiet auf keinen der im
§ 31 Abs. 1 FPG genannten Gründe stützen kann.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind; sofern sie während des Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen,

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (aufgehoben, BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist (wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen) – auch vom Bw - völlig unbestritten, dass er keinen der  Tatbestände des § 31 Abs. 1 FPG erfüllt, und dass somit der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich gegeben ist.

 

Die Einwendung, eine Bestrafung sei nicht zulässig, da dem Bw - wegen seines gemäß § 44 Abs. 4 NAG gestellten Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund erfolgter Integration am 22. Dezember 2009 – die Tat subjektiv nicht vorwerfbar sei, bedarf allerdings einer näheren Erörterung.

 

Gemäß § 44 Abs. 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden,

1.                wenn der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2.                mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist

 

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

Nach Abs. 5 begründen Anträge gemäß Abs. 4 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über einen solchen Antrag hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.                ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragstellung gemäß Abs. 4 eingeleitet wurde und

2.                die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ gemäß Abs. 4 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des Abs. 4 Z. 1 und 2 jedenfalls vorzuliegen haben.

 

Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Z. 2 hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde vor Durchführung der Abschiebung eine begründete Stellungnahme der Behörde einzuholen. Verfahren gemäß Abs. 4 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

2. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

4.3. Der Asylantrag des Bw wurde mit Bescheid des Asylgerichtshofes am 17. Dezember 2009 abgewiesen. Bereits am 22. Dezember 2009 hat der Bw einen Antrag gemäß § 44 Abs. 4 FPG beim Magistrat Linz eingebracht. Über den Antrag wurde bis dato nicht abgesprochen. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine Antragstellung von Seiten des Bw von vorneherein unzulässig oder unbegründet gewesen wäre.  

Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung eines Antrags gemäß § 44 Abs. 4 NAG (wie oben dargestellt) auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" vor.

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der VwGH dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungs­gerichtshof begründend aus:

"§ 44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs. 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann."

In der Folge hat der VwGH im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, explizit ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen (vgl. auch Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2009/21/2009).

Mit der Novelle des NAG durch BGBl. I Nr. 122/2009 hat der Gesetzgeber in § 44 Abs. 5 NAG jedoch ausdrücklich festgestellt, dass Anträge gemäß § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Bei Vorliegen der dargelegten Voraussetzungen hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten. Verfahren gemäß § 44 Abs. 4 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

4.4. Daraus folgt im Ergebnis, dass dem Bw ab Antragsstellung am 5. Oktober  2009 ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden kann:

Es handelt sich bei einer Verwaltungsstrafe nach dem FPG anders als etwa bei einer Abschiebung um keine fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des § 44 Abs. 5 NAG, weshalb diese Norm hier wohl nicht ins Treffen geführt werden kann.

Im Gegenteil liegt für den Bw gemäß der zitierten Judikatur eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist, eine fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des § 44 Abs. 5 NAG (noch) nicht durchgeführt wurde und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat (vgl. VwSen-231150/BP/Ga vom 11. Oktober 2010).

Da der Bw im vorliegenden Fall ab dem 22. Dezember 2009 berechtigt war, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten, kann ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf der Schuld gemacht werden.

Vom Bw kann nicht verlangt werden, dass er am Tag nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes sofort die Ausreise vornimmt. Da er nicht einmal eine Woche nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes den Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingebracht hat, trifft ihn für den gesamten ihm vorgeworfenen Tatzeitraum kein Verschulden. Aus diesem Grund war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

 

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