Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281283/21/Kl/Pe

Linz, 14.12.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 23.11.2010, Ge96-20/11-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 9, 27, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 23.11.2010, Ge96-20/11-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 27 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 7 Abs.1 und Abs.2 Z4 BauV verhängt, weil er als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der xgesellschaft mbH, x, zu verantworten hat, dass der Arbeitsinspektor, Herr x, anlässlich einer am 7.4.2010 durchgeführten Überprüfung festgestellt hat, dass von drei Arbeitnehmern der Firma xgesellschaft mbH auf der Ost- und Südseite des Objektes E1 (Absturzhöhe ca. 5,60 m bzw. ca. 3,10 m) das Mauerwerk für das erste Obergeschoß hergestellt wurde, wobei jegliche Absturzsicherung fehlte. Die mit der Herstellung des Mauerwerks beschäftigten Arbeitnehmer waren nicht gegen Absturz gesichert. Dadurch wurde § 7 Abs.1 BauV, BGBl. Nr. 340/94, iVm Abs.2 Z4 leg.cit. übertreten, wonach an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen, soferne von diesen ein Abstürzen von mehr als 2 m möglich ist, Absturzsicherungen (§ 8 BauV) oder Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) vorhanden sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin begründend ausgeführt, dass zwar Maurerarbeiten in x, x, Objekt E1 gemacht worden seien, jedoch als Subunternehmer der Firma x, weshalb die xgesellschaft mbH nicht für das Schutzgerüst verantwortlich gewesen sei. Es treffe daher die xgesellschaft mbH keine Schuld und werde daher ersucht, die Strafe aufzuheben.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des „Ortes der Begehung“ muss die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen.

 

Für den Bereich des VStG kommt es in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – und dies wird auch für in Filialen gegliederte Unternehmen angenommen –, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat.

Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, Öffnungszeitengesetz) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften zu treffen gewesen wären (Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1723 ff mit Judikaturnachweisen).

 

Laut Firmenbuchauszug hat die xgesellschaft mbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw ist, ihren Sitz in x, x. Es ist daher der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer und nach außen vertretungsbefugtes Organ der xgesellschaft mbH zum Tatzeitpunkt 7.4.2010 am Sitz der Gesellschaft in x, x, strafbar geworden, weil am Unternehmenssitz jene Vorsorgehandlungen getroffen hätten werden müssen, die zur Hintanhaltung der Verwaltungsübertretung erforderlich gewesen wären. Es hat daher der Bw die gesetzlich geforderten Vorsorgehandlungen am Unternehmenssitz in x unterlassen und ist daher gemäß § 27 VStG Dietach als Tatort anzusehen.

 

Sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.7.2010 als erste und einzige Verfolgungshandlung sowie auch das nunmehr angefochtene Straferkenntnis vom 23.11.2010 beinhalten aber als Tatort „x, x, Objekt E1 (x)“. Dies stellt die Baustelle dar, auf welcher die fehlende Absturzsicherung festgestellt wurde. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Umschreibung der Baustelle zwar notwendiges Tatbestandsmerkmal, ist aber nur Teil der konkretisierten Sachverhaltsumschreibung. Tatsächlicher Tatort ist aber im Sinn der vorzitierten Judikatur der Unternehmenssitz, welcher weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im Straferkenntnis genannt wird. Die Zitierung der Anschrift „x, x“ beim Adressaten der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. beim Straferkenntnis genügt hingegen nicht. Vielmehr geht aus der Adresszitierung nicht hervor, dass es sich um den Sitz der juristischen Person handelt.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Es entbehrt daher der Tatvorwurf im gesamten Strafverfahren sowie auch im Straferkenntnis der näheren Umschreibung des Tatortes. Eine Ergänzung des Tatortes im Spruch des Straferkenntnisses im Berufungsverfahren ist aber nicht möglich, da bereits gemäß § 31 Abs.2 VStG die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist verstrichen ist. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Tatort, Unternehmenssitz, Tatkonkretisierung

Beachte:


Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 12. Juli 2012, Zl.: 2011/02/0029

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum