Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-252607/2/Gf/Mu/Gru

Linz, 05.11.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch die RAe x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 7. September 2010, Zl. SV96-26-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG;§ 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 7. September 2010, Zl. SV96-26-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er am 24. September 2009 auf einer Baustelle in Salzburg zwei ausländische Staatsbürger als Monteure beschäftigt habe, ohne diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gehabt zu haben. Dadurch habe er eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl. Nr. I 83/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerdeführer angelastete Tat von Kontrollorganen des Finanzamtes Salzburg-Stadt festgestellt worden und unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates vom 27. Juli 2010, Zl. VwSen-252524/2/Gf/Mu, daher als erwiesen anzusehen und dem Beschwerdeführer zumindest fahrlässiges Verhalten anzulasten sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen.

1.2. Gegen dieses ihm am 9. September 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. September 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Begründend bringt der Berufungswerber dazu vor, dass es ihm lediglich um die Klärung der Rechtsfrage, ob der gegenständliche Sachverhalt eine Pflichtversicherung für die beiden Beschäftigen begründe oder nicht, gehe. Die darauf bezüglichen Überlegungen der Behörde, ob hier ein Werkvertrag vorliege oder nicht, seien nämlich nach Ansicht des Beschwerdeführers in die falsche Richtung gegangen. Überdies sei der Sachverhalt auch nicht vollständig ermittelt worden. Jedenfalls hätten sich die beiden angetroffenen Personen in keiner wirtschaftlichen oder persönlichen Abhängigkeit zum Rechtsmittelwerbers befunden, weshalb auch keine Versicherungspflicht bestanden habe.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Perg zu Zl. SV96-26-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit der gegenständlichen Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde gerügt wird und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 4 Abs.1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

 

3.2. Nach § 111 Abs. 4 ASVG sind – nur – jene Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, verpflichtet, alle ihnen auf Grund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 111 Abs. 1 ASVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen; gemäß § 111a ASVG haben diese Abgabenbehörden im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung.

 

Gemäß § 3 Abs. 4 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. 18/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 52/2009 (im Folgenden: AVOG), obliegt den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis für ihren Amtsbereich auch die Vollziehung der mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben. Dabei können die zur Aufdeckung einer illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen auch außerhalb des jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereiches vorgenommen werden. Bei der Durchführung dieser Amtshandlungen sind die Exekutivorgane als Organe des jeweils zuständigen Finanzamtes tätig.

 

In der Zwischenzeit, nämlich: bis zur Erlassung der h. Berufungsentscheidung, hat sich die Rechtslage allerdings insoweit geändert, als mit Wirkung vom 1. Juli 2010 das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl.Nr. I 9/2010 (im Folgenden: AVOG 2010), in vollem Umfang an die Stelle des AVOG getreten ist. Nach § 12 Abs. 2 AVOG 2010 können nunmehr die zur Aufdeckung einer illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen von allen Finanzämtern vorgenommen werden; in diesen Fällen steht jenem Finanzamt, das solche Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt  hat, die Parteistellung in den Verwaltungsstrafverfahren zu, wobei sich dieses Finanzamt (nur) zur Wahrnehmung der Parteistellung auch durch Organe anderer Abgabenbehörden vertreten lassen kann.

 

Weil § 30 Abs. 3 AVOG 2010 explizit anordnet, dass § 12 Abs. (1 und) 2 AVOG 2010 mit 1. Juli 2010 in Kraft tritt, ist daher für das gegenständliche Berufungsverfahren bereits diese Neufassung maßgeblich.

 

3.3. Zudem war im gegenständlichen Fall zu beachten, dass im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ein (entsprechend ermittelter und) genau festgelegter Tatzeitraum (insbesondere bezüglich Tatzeitbeginn und Tatende) fehlt. Dort ist nämlich nur der Kontrollzeitpunkt (24. September 2009, um 16.20 Uhr) angeführt. Mit einem derartigen Spruch wird aber im Ergebnis das gesamte rechtswidrige Verhalten von jenem Zeitpunkt an bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses, d.i. bis zum 9. September 2010 (s.o., 1.2.), umgrenzt (sog. „Erfassungswirkung“; vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 1530 f). Auch aus diesem Blickwinkel war daher für den gegenständlichen Fall nicht das AVOG, sondern grundsätzlich bereits das schon mit 1. Juli 2010 in Kraft getretene AVOG 2010 heranzuziehen.

 

3.4. All dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass aus rechtssystematischem Blickwinkel die Bestimmung des § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG gegenüber der allgemeinen, nicht bloß die Belange des ASVG erfassenden Zuständigkeitsanordnung des § 12 AVOG 2010 als lex specialis anzusehen ist, der letztlich der Anwendungsvorrang zukommt.

 

Somit sind für den Bereich des ASVG – nur – jene Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, verpflichtet, alle ihnen auf Grund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 111 Abs. 1 ASVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen; gemäß § 111a ASVG haben – nur – diese Abgabenbehörden im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung.

 

Davon ausgehend, dass die ausländischen Arbeitnehmer im gegenständlichen Fall in Salzburg betreten wurden, kam sohin nach § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG ausschließlich dem Finanzamt Salzburg-Stadt nicht nur die Pflicht zur Anzeige, sondern auch die Parteistellung im Verfahren zu, wobei eine Abtretung dieser Zuständigkeiten an jenes Finanzamt, in dessen Sprengel der Betriebssitz und damit der durch § 111 Abs. 5 ASVG fingierte Tatort gelegen ist – etwa in Analogie zu § 29a VStG oder gemäß § 12 Abs. 2 AVOG 2010, wie eine solche mit der in der Anzeige des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 15. Jänner 2010, Zl. 91/14185/4/2009 enthaltenen Formulierung: "für: Finanzamt Kirchdorf-Perg-Steyr" allenfalls intendiert gewesen sein mag – gesetzlich nicht vorgesehen und somit auch nicht zulässig ist (bzw. im Hinblick auf § 12 Abs. 2 AVOG 2010 – dem jedoch durch § 111 Abs. 4 ASVG derogiert wird – auch erst nach dem 1. Juli 2010 zulässig gewesen wäre).

 

Dessen ungeachtet wurde das Finanzamt Salzburg-Stadt an dem in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Verfahren jedenfalls nicht mehr im gebotenen Umfang beteiligt; ihm wurde zwar die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 29. Juni 2010 (Zl. 91/14185/28/2009) "durch das Finanzamt Kirchdorf-Perg-Steyr" ermöglicht, aber das das Verfahren abschließende Straferkenntnis der belangten Behörde wurde diesem Finanzamt – und nicht dem Finanzamt Salzburg-Stadt – zugestellt, wobei zudem hier auch kein nach dem 1. Juli 2010 ergangener, auf § 12 Abs. 2 letzter Satz AVOG 2010 gestützter Delegationsakt erkennbar ist.

 

Das Finanzamt Salzburg-Stadt ist demnach als übergangene Partei anzusehen, sodass das angefochtene Straferkenntnis schon insoweit mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

 

3.5. Im Übrigen muss nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hat, der Spruch eines Straferkenntnisses die einem Beschuldigten angelastete Tat derart hinreichend konkretisiert werden, dass jener dadurch einerseits in die Lage versetzt wird, spezifische, auf den Tatvorwurf bezogene Gegenweise anzubieten und anderseits wirksam davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine in diesem Zusammenhang unabdingbare Voraussetzung ist nach der insoweit ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes u.a. die Festlegung der Tatzeit.

 

Im gegenständlichen Fall wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses diesen Anforderungen jedoch schon deshalb nicht gerecht, weil daraus, wie bereits zuvor angeführt (s.o., 3.3.), jene zeitliche Dimension, während der der im Straferkenntnis namentlich genannte Dienstnehmer für das gegenständliche Unternehmen beschäftigt war, also der effektive Tatzeitraum, nicht hervorgeht. Im Spruch wurde vielmehr lediglich der Feststellungszeitpunkt des strafbaren Verhaltens am Kontrolltag ("24. September 2009 um 16.20 Uhr") angeführt.

3.6. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesen Gründen stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Eine Einstellung des Strafverfahrens war hingegen mit Blick auf den noch offenen Zeitraum der Verfolgungsverjährung nicht zu verfügen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252607/2/Gf/Mu/Gru vom 5. November 2010

 

§ 111 Abs. 4 ASVG; § 12 Abs. 2 AVOG 2010

 

Grundsätzlich wie VwSen-252591 vom 29. September 2010; darüber hinaus: § 111 Abs. 4 ASVG ist als eine dem § 12 Abs. 2 AVOG 2010 derogierende lex specialis anzusehen.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum