Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281277/7/Kl/Pe

Linz, 21.12.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 16.9.2010, Ge96-55-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I.        Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass

-           das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 147/2006“ und die Bauarbeiterschutzverordnung – BauV mit „BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010“ zu zitieren ist sowie der Ausdruck „und § 22 Abs.1“ zu entfallen hat,

-           die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG „§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG“ zu lauten hat und

-           die Ersatzfreiheitsstrafe „18 Stunden je Arbeitnehmer, insgesamt somit 54 Stunden“ zu betragen hat.

 

II.    Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 300 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 16.9.2010, Ge96-55-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) in drei Fällen eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 54 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG sowie iVm § 87 Abs.3 und § 22 Abs.1 BauV verhängt, weil er zum Zeitpunkt 15.7.2010 handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x und somit gemäß § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen verantwortlich war.

Die x GmbH als Gewerbetreibende für das Baumeistergewerbe und Zimmermeistergewerbe im Standort x, x, hat am 15.7.2010 auf der Baustelle: „Zubau Wohnhaus x“ in x, x, die Arbeitnehmer x, x und x, mit Dacharbeiten (Anbringung der Lattung und Kontralattung) beschäftigt, wobei keine ausreichenden Schutzeinrichtungen wie Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste vorhanden waren. Die Traufenhöhe des Gebäudes, somit auch die Absturzhöhe betrug an der Südostseite ca. 7,0 m und an der Nordwestseite ca. 7,5 m. Die Dachneigung betrug zwischen 25° und 30°. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr gegen Absturz gesichert.

Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m müssen geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in einer sicheren Weise verhindern.

Der Bw hat somit als Auftraggeber nicht dafür gesorgt, dass trotz Absturzgefahr von einem Dach mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m die für die Arbeitnehmer erforderlichen Schutzeinrichtungen vorhanden waren und die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung nicht überwacht.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass ein funktionierendes Kontrollsystem für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzgesetze vorliege. Die x GmbH sei ein ISO-9001 zertifiziertes Unternehmen und habe eine Fülle von Kontrollsystemen, die für ein solches zertifiziertes Unternehmen Standard seien. Die Mitarbeiter werden nicht nur einmal jährlich unterwiesen, sondern auch nach jedem Fehlverhalten. Weiters werden sie auf jeder Baustelle nachweislich kontrolliert. Es wird ein Bautagebuch geführt, auf dessen letzter Seite Formblätter mit der Bezeichnung „Sicherheitstechnische Kontrolle“ angebracht seien. Bei jedem Baustellenbesuch kontrolliere der Bauleiter oder Spartenleiter, ob die Arbeitnehmer- bzw. Bauarbeiterschutzverordnungen eingehalten werden. Sei das nicht der Fall, werde der Mitarbeiter unterwiesen und bestätige dieser mit seiner Unterschrift sein Fehlverhalten auf dem Formblatt „Sicherheitstechnische Kontrolle“. Dieses Formblatt werde abgetrennt, im Lohnbüro aufbewahrt und in eine Ermahnungsliste eingetragen. Nach drei Verstößen werde der Arbeitnehmer von der Geschäftsleitung zur Rechenschaft gezogen. Dies könne auch eine Beendigung des Dienstverhältnisses bedeuten. Es sei daher ein wirksames Kontrollsystem gegeben und seien die Verstöße ohne Wissen oder Willen des Bw erfolgt. Ein Bautagebuch samt sicherheitstechnischer Kontrollblätter, Ermahnungsliste und Kopien der sicherheitstechnischen Kontrollblätter der Baustelle x wurden angeschlossen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die Anzeige und die ihr angeschlossenen Fotos sowie in die vom Bw vorgelegten Schriftsätze und Unterlagen.

Weiters wurde das zuständige Arbeitsinspektorat am Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat beteiligt. Dem Bw wurde zur Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 28.10.2010 Parteiengehör gewährt.

Da eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde und im Übrigen die Berufung lediglich die rechtliche Beurteilung im Hinblick auf ein Verschulden anficht, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG unterbleiben.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Am 15.7.2010 waren x, x und x, alle Arbeitnehmer der x GmbH, auf der Baustelle „Zubau Wohnhaus x“ in x, x, mit Dacharbeiten (Anbringen der Lattung und Kontralattung) beschäftigt. Es waren keine ausreichenden technischen Schutzeinrichtungen wie Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste vorhanden. Auch waren die Arbeitnehmer nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert. Die Traufenhöhe des Gebäudes betrug an der Südostseite ca. 7,0 m und an der Nordwestseite ca. 7,5 m. Die Dachneigung betrug zwischen 25° und 30°.

Eine Jahresunterweisung über Gerüstung und Absturzsicherung erhielten die genannten Arbeitnehmer am 22.1.2010 und bestätigten diese die Teilnahme mit ihrer Unterschrift. Auch unterfertigten die Arbeitnehmer eine Baustellenunterweisung gleichen Inhalts für die Baustelle x. Laut Bautagebucheintragung sind sicherheitstechnische Kontrollen an der Baustelle Hötzinger für 6.7., 12.7., 14.7. und 19.7.2010 nachgewiesen. Daraus ergibt sich, dass am 14.7.2010 ein Schutzgerüst beim Dach vorgesehen war und anlässlich der Kontrolle am 19.7.2010 festgestellt wurde, dass das Dachgerüst um einen Tag später geliefert wurde.

Die Ermahnungsliste der x GmbH weist die Ermahnungen der genannten Arbeitnehmer hinsichtlich der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften aus, allerdings nicht zu der gegenständlichen Baustelle.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Anzeige, die angeschlossenen Fotos und  die vom Bw vorgelegten Listen und Unterlagen. Weiters wurde der Sachverhalt vom Bw zu keiner Zeit im Strafverfahren bestritten. Auch machte der Bw kein weiteres Vorbringen zum Sachverhalt. Es kann daher der festgestellte Sachverhalt als erwiesen zugrunde gelegte werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinander folgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzeinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für Arbeiten an der Traufe wirksam sind.

 

Gemäß § 87 Abs.5 BauV darf bei Arbeiten auf Dächern das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.2 und 3 entfallen, sofern Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sind:

1.            bei geringfügigen Arbeiten wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern oder

2.            Arbeiten am Dachsaum, wenn nicht gleichzeitig oder aufeinander folgend auch an der Dachfläche Arbeiten durchgeführt werden, sowie bei Arbeiten im Giebelbereich.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes hat der Bw den objektiven Tatbestand der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen erfüllt. Wie aus den Fotos ersichtlich ist, waren keine ausreichenden Dachfanggerüste vorhanden. Es wurde auf der Dachfläche und am Dachsaum gearbeitet. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mit persönlicher Schutzausrüstung, also mit Sicherheitsgeschirren gesichert. Darüber hinaus war aber auch die Ausnahmebestimmung gemäß § 87 Abs.5 Z2 BauV nicht heranzuziehen, weil gleichzeitig an der Dachfläche und am Dachsaum bzw. Giebelbereich gearbeitet wurde.

Im Sinn der allgemeinen Bestimmung des § 155 Abs.1 BauV ist aber der Bw als Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass er dafür zu sorgen hat, dass die Vorschriften der BauV sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle eingehalten werden. Dies bedeutet, dass vor Einrichtung der Sicherheitsmaßnahmen nicht mit den entsprechenden Arbeiten begonnen werden darf. Dieser Sorgfaltspflicht hat der Bw nicht entsprochen. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer hat er daher die Verwaltungsübertretungen gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.2. Der Bw macht mangelndes Verschulden geltend, weil seine Arbeitnehmer jährliche Unterweisungen erhalten und auch eine Unterweisung für die Baustelle erhielten sowie auch laufend Kontrollen der Baustelle in sicherheitstechnischen Fragen erfolgen.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reichen die eingewendeten jährlichen Unterweisungen und die bestätigte baustellenspezifische Unterweisung nicht aus, sondern sind vielmehr die konkreten Weisungen auch dahin zu kontrollieren, dass sie auch konkret auf der Baustelle laufend eingehalten werden. Wenn hingegen der Bw zum Kontrollsystem die sicherheitstechnischen Kontrollen der Bauleitung anführt und nachweist, so ist einerseits dazu festzustellen, dass diese nicht lückenlos durchgeführt werden, sondern nur ein- bis zweimal in der Woche. Darüber hinaus ist aus den beigebrachten Formblättern ersichtlich, dass ein Dachgerüst vorgesehen war, dieses aber verspätet geliefert bzw. montiert wurde. Nach der zitierten Judikatur reichen stichprobenartige Kontrollen nicht aus, insbesondere nicht, wenn zu Beginn der konkreten Arbeiten keine Kontrolle der Baustelle hinsichtlich der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen stattgefunden hat. Dass aber vor Beginn der entsprechenden Dacharbeiten eine konkrete Kontrolle des Anbringens der erforderlichen technischen Sicherheitseinrichtung stattgefunden hat, wurde selbst vom Bw nicht behauptet und auch zu keiner Zeit unter Beweis gestellt. Es ist daher die Kontrolle nicht lückenlos erfolgt. Dagegen ist dem Bw auch die jüngere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach es nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind. Vielmehr ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems unter anderem erforderlich, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zu letzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Stichprobenartige Überprüfungen der Baustelle und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften reichen nicht aus, gleiches gilt für eine Verwarnung für einen festgestellten Verstoß (vgl. VwGH vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5).

 

Da der Bw diesen Sorgfaltspflichten nicht in ausreichendem Maß nachgekommen ist, liegt auch Verschulden, nämlich zumindest fahrlässige Tatbegehung, vor.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die persönlichen Verhältnisse mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro und keinen Sorgepflichten geschätzt. Sie hat weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zugrunde gelegt. Mangels einer einschlägigen Vorstrafe ist sie vom niedrigen Strafrahmen bei der Strafbemessung ausgegangen. Der Bw hat auch in seiner Berufung weder Milderungsgründe noch Gründe für eine außerordentliche Milderung bekannt gegeben. Auch hat er seine geschätzten persönlichen Verhältnisse nicht korrigiert. Es konnten daher die Erwägungen der belangten Behörde auch dieser Entscheidung zugrunde gelegt werden. Dabei kann nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Vielmehr war bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, dass die verhängte Geldstrafe je Arbeitnehmer, der gefährdet wurde, im Bereich des unteren Strafrahmens liegt und daher nicht überhöht ist. Darüber hinaus war aber auch der Unrechtsgehalt der Tat zu berücksichtigen, nämlich die doch erhebliche Absturzhöhe und die damit verbundene erhebliche Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer. Es war daher auch die verhängte Geldstrafe von 500 Euro je Arbeitnehmer zu bestätigen. Auch ist die für den Fall der Uneinbringlichkeit vorgesehene Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG je Arbeitnehmer festzulegen und daher mit 18 Stunden je Arbeitnehmer nicht als überhöht zu betrachten. Es war daher auch die verhängte Strafe zu bestätigen.

Ein Überwiegen von Milderungsgründen war hingegen nicht festzustellen, sodass eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht in Betracht zu ziehen ist. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht Gebrauch zu machen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 300 Euro, festzusetzen.

 

7. Die Spruchberichtigungen betreffen die gesetzlichen Grundlagen und sind in den zitierten Gesetzen begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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