Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281272/2/Kl/Pe

Linz, 07.12.2010

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung der Frau x, vertreten durch x Rechtsanwälte OG, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 27.8.2010, Ge96-27-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 27.8.2010, Ge96-27-2010, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.2 ASchG verhängt, weil sie es als verantwortliche Beauftragte der x GmbH, x, x, x, x, zu vertreten hat, dass wie im Zuge einer Arbeitsstättenüberprüfung in der weiteren Betriebsstätte in x, x, durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz am 25.3.2010 festgestellt wurde, die Kassenarbeitsplätze nicht so gestaltet oder mit Einrichtungen (Spiel o.ö.) ausgestattet waren, dass es dem Kassenpersonal möglich ist, zu Kontrollzwecken einen vollständigen Einblick in die Einkaufswagen oder -körbe zu haben, ohne die Sitzposition verändern zu müssen. Dadurch wurde die Bescheidauflage Nr. 3 der vom Arbeitsinspektorat beantragten Bescheidauflagen des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 27.5.2008, Ge20-16-2008/Ea, nicht eingehalten.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Tatbildverwirklichung nicht vorliege und wesentliche Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens vorliegen. Auch wurde keine Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens gegeben. Schließlich liege kein Verschulden vor, weil Anweisung gegeben wurde, Bescheidauflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides einzuhalten und die Anweisungen auch mehrmals kontrolliert worden seien. Es sei ein ausreichendes Kontrollsystem geschaffen worden. Auch die Strafbemessung sei unrichtig und hätte jedenfalls mit einer Ermahnung vorgegangen werden müssen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber bescheidmäßige Vorschreibungen nach diesem Bundesgesetz nicht einhält.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25.2.1992, Zl. 91/04/0268, ausgesprochen, dass der angefochtene Bescheid insofern nicht dem Sprucherfordernis des § 44a lit.a VStG entspricht, wenn der angefochtene Bescheid keine wörtliche Anführung der einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflagen enthält, durch die schon aus dem Spruch die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Dadurch, dass § 367 Z25 GewO 1994 auf die in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, wird das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes. Im Hinblick auf die durch § 367 Z25 GewO 1994 gegebene Verzahnung zwischen dieser Bestimmung und den in Bescheiden enthaltenen Geboten und Verboten bedarf es im Spruch eines auf diese Strafnormen gestützten Straferkenntnisses einer wörtlichen Anführung der einen Teil des Straftatbestandes bildenden, als solche bescheidmäßig bezeichneten Auflagen, um die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale zu ermöglichen (vgl. u.a. Entscheidung 29.3.1994, 93/04/0255). Das zu § 367 Z25 GewO 1994 Gesagte, hat wegen der Gleichartigkeit des normativen Gehaltes auch in Ansehung des § 130 Abs.2 ASchG 1994 zu gelten (VwGH 25.2.2002, 2001/04/0253).

 

Im Sinne dieser Judikatur lässt sowohl der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses als auch der Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29.4.2010 als Verfolgungshandlung in der gesetzlichen sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist eine wörtliche Anführung der einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflage Nr. 3 des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 27.5.2008, Ge20-16-2008/Ea, vermissen. Es ist daher nicht schon aus dem Spruch die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich. Es entspricht daher der Tatvorwurf nicht dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG.

Weil bereits die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfirst verstrichen ist, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: wörtliche Anführung der Bescheidauflage; Tatkonkretisierung

Beachte:

 

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

 

VwGH vom 18. Oktober 2012, Zl.: 2012/04/0020-10 (vormals: Zl. 2011/02/0025)

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