Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522721/7/Kof/Th

Linz, 16.12.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung der X, vertreten durch X gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25. Oktober 2010, VerkR21-759-2010, wegen der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nach der am 13. Dezember 2010 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und

der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 Abs.4 FSG,

   BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) gemäß § 24 Abs.4 iVm. § 8 FSG aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von

-     Kraftfahrzeugen der Gruppe 1  sowie

-     Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen.

 

 

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 2. November 2010 – hat die Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 11. November 2010 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Am 13. Dezember 2010 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher die Bw, deren Rechtsvertreter, sowie der Zeuge und Meldungsleger, Herr GI TH teilgenommen haben.

 

Anmerkung:   Im Folgenden wird der Name der Bw durch die Wendung "Bw"

                      – in der jeweils grammatikalisch richtigen Form – ersetzt.

 

Stellungnahme der Bw:

Am Freitag, dem 3. September 2010 gab es zwischen meinem Ehemann

und mir einen heftigen Streit.

Zur Ablenkung hatte ich vor, Einkaufen zu gehen.

Aber auch diese "Ablenkung" hat mir nichts geholfen.

Ich war immer noch stark verärgert.

 

Da ich grundsätzlich keinen Alkohol trinke und dieser mir auch nicht schmeckt, wollte ich – immer noch zur Ablenkung – einen Joint rauchen.

Ich bin Raucherin, allerdings rauche ich zu Hause in der Wohnung – insbesondere aus Rücksicht auf mein 6-jähriges Kind – nichts.

 

Vom "Hörensagen" war mir bekannt, dass es bei der VÖEST Alpine immer wieder "Typen" gibt, welche Joints verkaufen.

 

Unter "VÖEST Alpine" ist die Haltestelle nahe dem WIFI bzw. dem Hochhaus (glaublich dem "Kremplhochhaus") zu verstehen.

Dort traf ich zufällig einen "Typen" (schwarze Hautfarbe), welchen ich angesprochen habe, ob er mir nicht einen Joint verkaufen könne.

Er gab mir ein "kleines Sackerl" mit Marihuana.

Ich habe dafür 10 Euro bezahlt.

 

Das Marihuana habe ich um ca. 16 bis 17 Uhr gekauft.

Anschließend fuhr ich nach Hause, ging duschen und brachte meine 6-jährige Tochter zu meinen Eltern.

 

Nachdem ich meine Tochter zu meinen Eltern gebracht hatte, ging ich wieder zurück in meine Wohnung und habe dort zwei Joints "gewuzelt".

 

Anschließend kamen meine Bekannten zu mir in die Wohnung.

Da haben wir noch etwas getrunken, wobei ich keine alkoholischen Getränke konsumiert habe.

 

Um ca. 23.30 Uhr sind wir von zu Hause weggefahren zur Stadtwerkstatt.

Gleich nach dem Aussteigen habe ich einen Joint angezündet und 3 bis 4 mal angezogen.

 

Dieser Joint hat "grauenhaft" geschmeckt. Daher habe ich ihn nach 3 bis 4 Zügen sofort an einen meiner Bekannten weitergegeben.

 

Genau zu diesem Zeitpunkt sind zwei Polizisten gekommen.

Diese beiden Polizisten habe sich als Kriminalpolizisten ausgegeben.

Ich habe einen der beiden Beamten den noch nicht fertig gerauchten Joint sowie den noch nicht gerauchten Joint übergeben.

 

Der eine Polizist und ich setzten uns in ein Polizeiauto und ich wurde von
ihm befragt.

 

In der Anzeige ist Folgendes ausgeführt:

"In der Beschuldigtenvernehmung gab die Bw an, dass sie seit ca. 1,5 Jahren
an den Wochenenden Marihuana raucht;

zuletzt eben am 04.09.2010 um 01.10 Uhr."

(richtig wohl: 00.10 Uhr – Anmerkung des Verhandlungsleiters)

 

Dazu gebe ich an, dass ich dies nicht gesagt habe.

Es kann sich dabei nur um ein Missverständnis handeln.

Ich habe allenfalls angegeben, dass ich vor 1,5 Jahren einen Joint Marihuana geraucht habe. Und zwar da nur ein einziges Mal angezogen habe.

 

Am 4. September 2010 ca. um kurz nach Mitternacht habe ich zum zweiten Mal in meinem Leben an einem Joint geraucht.

 

Der Rechtsvertreter der Bw stellt Folgendes fest:

Im Formular "Beschuldigtenvernehmung" vom 04.09.2010 auf Seite 2

ist ausgeführt:

"Ich konsumiere folgende Suchtgifte: Marihuana/Gras seit 1,5 Jahren

 an Wochenenden unregelmäßig, zuletzt am 04.09.2010 um 00.10 Uhr."

 

Über Befragen meines Rechtsvertreters gebe ich an:

Nach dem drei- bis viermaligen Rauchen an dem ersten Joint war mir richtig schlecht.

Ich habe mich gefühlt, als hätte ich mehr als 40 ° Fieber.

Ich war benommen. Ich kann dieses Gefühl nicht näher beschreiben, ich weiß nur eines, dass ich es nie mehr wieder erleben möchte.

 

Das Marihuana, welches ich gekauft habe, war in einem "Sackerl" –

dieses war nicht einmal so groß wie ein "Teesackerl".

 

Als ich die Joints "gewuzelt" habe, habe ich mich vermutlich eher ungeschickt angestellt, da ich bis dahin noch nie einen Joint "gewuzelt" habe.

Ich bin mir daher absolut nicht sicher, ob ich alles richtig gemacht habe.

 

Bei der Vernehmung durch den amtshandelnden Polizeibeamten habe ich – da ich mich so schlecht fühlte – jede Frage mindestens zweimal stellen müssen.

Das Protokoll habe ich ungelesen unterfertigt, ich war zu diesem Zeitpunkt kaum in der Lage, dieses zu lesen.

 

Meinen PKW habe ich übrigens dort stehen lassen.

Ich fuhr mit dem Taxi nach Hause und habe meinen PKW erst am nächsten Tag geholt.

Ich fühlte mich absolut nicht fahrtauglich.

 

Zeugenaussage des Herrn GI TH:

Wir fuhren (zwei Polizisten) zur Stadtwerkstatt, da uns bekannt ist, dass dort Suchtmittel gekauft, verkauft und konsumiert werden.

Als wir die Schulstraße hinunterfuhren haben wir die Bw sowie zwei Männer gesehen.

Ich hatte den Eindruck, dass die Bw an einem Joint angezogen hat.

Wir begaben uns daher zu diesen drei Personen.

Wir waren in Zivil.

Bei der Annäherung hat die Bw offenkundig bemerkt, dass wir Polizisten sind und hat den Joint fallen gelassen.

Ich habe die Bw darauf angesprochen.

Zuerst hat die Bw bestritten, einen Joint geraucht zu haben.

Daraufhin habe ich den Joint aufgehoben und diesen der Bw gezeigt.

 

Ich fragte sie, ob sie noch weitere Suchtmittel eingesteckt hätte.

Daraufhin hat sie mir einen zweiten Joint gezeigt und ausgefolgt.

 

Die beiden Begleiter wurden danach ebenfalls zur Personenkontrolle aufgefordert.

Diese hatten kein Suchtmittel "eingesteckt".

Die Bw hat mir erzählt, dass sie vor dem Fortgehen (dies war bereits der Vortag) bei der VOEST-Haltestelle Suchtmittel gekauft habe.

 

Die Bw hat angegeben, dass sie ihre beiden Bekannten habe mitrauchen lassen.

Dies wurde von den beiden anwesenden Personen (männlichen Personen) bestätigt.

 

Die Beschuldigtenvernehmung mit der Bw habe ich an Ort und Stelle vorgenommen – im Polizeiauto.

 

 Die Bw hat angegeben, was in der Beschuldigtenvernehmung niedergeschrieben wurde:

Ich konsumiere folgende Suchtgifte: Marihuana/Gras seit 1,5 Jahren unregelmäßig an Wochenenden, zuletzt am 04.09.2010 um 00.10 Uhr.

 

Die Bw hat dieses Protokoll unterfertigt.

Ich habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass eine Anzeige erstattet wird.

 

Die Bw hat an der "falschen Stelle" unterfertigt.

Ich habe daher auf dem Protokoll den Pfeil angebracht.

 

Die Bw hat das Protokoll gelesen, bevor dies von ihr unterfertigt wurde.

Dies ist folgendermaßen abgelaufen:

Ich habe das Protokoll vorgelesen und die Bw hat "mitgelesen".

 

Ich habe bei dieser Amtshandlung bemerkt, dass es der Bw sehr schlecht geht.

Allerdings war ich der Meinung, es ginge ihr schlecht, da sie von der Polizei ertappt wurde.

 

Stellungnahme des Verhandlungsleiters:

Die Bw gibt eine Unterschriftenprobe (2-mal) ab.

Es ist ein offenkundiger Unterschied zwischen

-         der jetzt abgegeben Unterschriftenprobe einerseits sowie

-        der Unterschrift auf dem Beschuldigtenvernehmungsprotokoll andererseits erkennbar.

 

Weitere Zeugenaussage des Herrn GI TH:

Die Angabe: Ich konsumiere Marihuana/Gras seit 1,5 Jahren unregelmäßig an Wochenenden, zuletzt am 04.09.2010 um 00.10 Uhr  kam von der Bw.

 

Stellungnahme der Bw:

In der Stadtwerkstätte in Linz-Urfahr war ich bisher 3 bis 4-mal, jedenfalls nur wenn ein Festival veranstaltet wurde.

Ansonsten halte ich mich dort nicht auf und auch nicht in den umliegenden Lokalen.

 

Die Stadtwerkstätte macht auf mich einen "heruntergekommenen" Eindruck.

Ich gehe daher ausschließlich dann dorthin, wenn ein Festival stattfindet und irgendjemand auftritt, dessen Auftritt mir gefällt.  Ansonsten würde ich dieses Gebäude und auch die umliegenden Lokale niemals betreten.

 

Die angebliche Angabe, ich würde seit ca. 1,5 Jahren unregelmäßig an Wochenenden Marihuana/Gras rauchen, führe ich nur auf ein Missverständnis zurück und insbesondere auch darauf, dass es mir bei der Einvernahme sehr schlecht gegangen ist.

Außerdem habe ich bei der Beschuldigteneinvernahme erwähnt, dass ich mich zuvor mit meinem Ehemann gestritten hätte.

 

(Feststellung durch den Verhandlungsleiter):

Der amtshandelnde Polizeibeamte bestätigt dies.

 

Das Beweisverfahren wird einvernehmlich geschlossen.

 

Stellungnahme des Rechtsvertreters der Bw:

Wie das Beweisverfahren ergeben hat, kann davon ausgegangen werden, dass
es sich bei der Beschuldigtenvernehmung im Hinblick auf den Passus

"Ich konsumiere folgende Suchtgifte: Marihuana/Gras seit 1,5 Jahren an Wochenenden unregelmäßig" um ein kommunikatives Missverständnis handelt.

 

Unabhängig davon, ist nach der Judikatur des VwGH ein gelegentlicher Konsum von Cannabis nicht geeignet, die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in Zweifel zu ziehen.

Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der Berufung, insbesondere die dort zitierte Judikatur verwiesen.

 

Beantragt wird, der Berufung stattzugeben und den erstinstanzlichen "Aufforderungsbescheid" aufzuheben.

 

§ 24 Abs.4 FSG lautet auszugsweise:

Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 leg.cit. einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach
§ 24 Abs.4 FSG ist, dass begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass
der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt.  Hiebei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, welche die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen.

Ein Aufforderungsbescheid ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung – im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides – von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen;  ständige Rechtsprechung des VwGH,

zuletzt Erkenntnis vom 02.03.2010, 2006/11/0125 mit Vorjudikatur.

 

Die Bw hat bei der mVh vorgebracht, sie hätte am 4.9.2010 nur deshalb einen Joint geraucht, da sie zuvor einen heftigen Streit mit ihrem Ehemann hatte.

Sie habe erst zum zweiten Mal in ihrem Leben einen Joint geraucht, nur ca. 3-bis 4-mal am Joint "angezogen" und es sei ihr "sehr schlecht geworden".

 

Der amtshandelnde Polizeibeamte – dieser hat bei der mVh einen sehr kompetenten und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen – hat bestätigt, dass bei der Amtshandlung

-         die Bw einerseits einen Streit mit ihrem Ehemann angegeben hat und

-         es der Bw offenkundig sehr schlecht gegangen ist.

 

Insgesamt gesehen wird daher das Vorbringen der Bw, sie sei an Suchtmittel absolut nicht gewöhnt, als glaubwürdig erachtet.

 

Aus § 14 FSG-GV ergibt sich, dass eine geringfügiger Suchtmittelgenuss – wie auch ein geringfügiger Alkoholgenuss ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges – die gesundheitliche Eignung (noch) nicht berührt.

Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen (nicht) mehr beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen;

VwGH vom 13.12.2005, 2005/11/0191.

 

Der VwGH hat in diesem Erkenntnis weiters ausgeführt, dass der Konsum von
ca. 20-mal Cannabis innerhalb eines Zeitraumes von ca. acht Monaten noch keine Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG begründet.

 

Dem Verfahrensakt sowie der mVh ist kein Anhaltspunkt zu entnehmen,
dass die Bw so häufig oder gar noch öfter Suchtmittel konsumiert hat, wie der Beschwerdeführer im oa. VwGH-Erkenntnis.

 

Bei der Bw liegen somit keine begründete Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG vor.

 

Es war daher der Berufung stattzugeben, der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

Beschlagwortung:

KEINE Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG.

 

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