Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300922/2/WEI/Sta

Linz, 28.12.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, X, X, vertreten durch X, Obmann der "X", X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 14. Dezember 2009, Zl. Pol 96-156-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 5 Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 77/2007) zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird in der Schuldfrage insofern Folge gegeben, als im Schuldspruch an die Stelle der zur Tatzeit gemachten Angabe "17:00 – 18:25 Uhr" die Angabe "gegen 18:22 Uhr" zu treten und der letzte Satz gänzlich zu entfallen hat. Im Übrigen wird der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses bestätigt.

 

              Aus Anlass der Berufung wird die Geldstrafe auf 300 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 70 Stunden reduziert.

 

II.              Der Berufungswerber hat im Verfahren erster Instanz einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 30 Euro zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiterer Kostenbeitrags.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; § 64 Abs 1 und 2 und § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben es als Halter der auf dem Areal Ihrer Straußenzucht gehaltenen Strauße zu verantworten, dass diese am 12.08.2009, 17:00 – 18:25 Uhr, in X, X, in einer Weise beaufsichtigt bzw. verwahrt wurden, dass durch ein Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden, indem ein Vogel aus dem umzäunten Gehege entweichen und unbeaufsichtigt herumlaufen konnte. Beim Eintreffen der Polizei befand sich das Tier unbeaufsichtigt im Ortsgebiet von X auf der B144 in Richtung X. Nachdem der Strauß nach mehreren hundert Metern auf der B144 das Ortsgebiet verlassen hat, ist er auf ein Privatgrundstück, X, gelaufen. Dort ist das Tier auf eine beim Haus stehende Pensionistin zugelaufen, welche sich nach einem Gefahrenzuruf der Polizisten im Gebäude in Sicherheit brachte. Es war dadurch eine konkrete Gefährdung von Personen und Straßenverkehrsteilnehmern gegeben."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 700 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 140 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde dem Bw gemäß § 64 VStG der Betrag von 70 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters durch Hinterlegung am 17. Dezember 2009 zugestellt wurde, richtet sich die Berufung vom 17. Dezember 2009, die am 21. Dezember 2009 bei der belangten Behörde rechtzeitig einlangte und mit der sinngemäß die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

Die Berufung führt begründend aus, dass man bei der Umzäunung des Geheges nur Zwischensteher einsetzen müsste. Die Drähte wären dann mehr gespannt und der Zaun kompakter, sodass die Straußvögel nicht mehr so leicht durchbrechen könnten. Der Referent Mag. X hätte dies aber vom Schreibtisch weg streng verboten, weil das Gesetz dies nicht vorsehe. Der Beitrag der Behörde zur Lösung des Problems wären bisher nur Strafverfügungen und Straferkenntnisse gewesen. Dies widerspreche auch den "WOV"-Richtlinien für eine wirkungsorientierte Landesverwaltung Oberösterreichs.

 

Im Straferkenntnis werde der Vorfall auch nur verkürzt beschrieben. Danach wird hinsichtlich des Waffengebrauchs (Tötung eines freilaufenden Straußes) aus dem Bericht der PI X vom 12. August 2009 auszugsweise mit Anmerkungen zitiert. Zum Einkommen wird vorgebracht, dass der Bw eine Alterspension von ca 1.200 Euro beziehe.

 

Die belangte Behörde versuche nicht mit Hilfsbereitschaft sondern mit Reihen-Bestrafung das Problem zu lösen. Bei der Berufungsverhandlung vom 17. November 2009 habe man eine Hofbegehung mit dem Amtstierarzt vereinbart. Um das Klima nicht schon vorher zu vergiften, werde beantragt, die Strafe ersatzlos zu erlassen.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h al t :

 

2.1. Mit Anzeige (GENDIS-Anzeige) der Polizeiinspektion (PI) X vom 21. August 2009, Zl. A1/0000012217/01/2009, wurde der Bw wegen des Verdachts der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung von Tieren nach § 5 Oö. PolStG mit folgender Tatbeschreibung angezeigt:

 

"Tatbeschreibung:

X X verwahrte am 12.8.2009 die von ihm gezüchteten Vogel-Strauß-Tiere in seiner Zuchtfarm so mangelhaft, sodass ein Tier aus dem Gehege entkommen konnte und auf öffentlichen Straßen lief. Um 18:22 Uhr lief ein Strauß auf der X im Ortsgebiet von X in Richtung X und nach dem Ortsgebiet von X weiter auf der X bis es nach einigen hundert Metern die Straße verlies und auf das Privatgrundstück X lief."

 

Der Verdächtige X X hätte angegeben, nicht gewusst zu haben, dass wieder ein Strauß entkommen war. Das passiere halt manchmal. Es sei aber noch nie etwas passiert.

 

Unter "Weitere Mitteilung" heißt es:

 

"Der Tierarzt Dr. X X erstattete am 12.8.2009 gegen 17:10 Uhr die Anzeige, dass sich ein frei laufender Strauß nächst der Fleischhauerei X in X, X befinden würde, das Tier leicht verletzt sei und bei Annäherung von Personen immer wieder weg laufe. Beim Eintreffen der Beamten (GrInsp X X und Insp X X) vor Ort lief das ausgewachsene Tier zwischen den Häusern hindurch und im Ortsgebiet von X auf die X in Richtung X. Der Strauß lief auf der linken Seite der Straße weiter aus dem Ortsgebiet auf die folgende Freilandstraße und lief dann links von der Straße auf das Privatgrundstück X. Beim angeführten Haus lief das Tier auf eine beim Haus stehende Pensionistin zu, die sich nach Gefahrenzuruf der Polizisten in das Haus begab. Das Tier lief hinter dem Haus vorbei und dort in eine offene Baugrube, wo es auf der gegenüberliegenden Böschung wieder hoch lief. Wegen der konkreten Verkehrsunfallgefahr – das Tier befand sich dabei nur wenige Meter abseits der viel befahrenen Freilandstraße und wollte offensichtlich wieder in Richtung Straße laufen – entschloss sich GrInsp X zur Erlegung des Tieres. Als sich der Strauß in optimaler Schusslage befand (keine Gefährdung von Personen und Sachen) erlegte der Beamte den Strauß mit der Dienstpistole. Der nacheilende Tierarzt schläferte das Tier (aus eigenem Antrieb) endgültig ein. Der Besitzer des Tieres, der Straußenfarmer X X wurde wenig später von der Polizei über den erforderlichen Waffengebrauch und die Tötung des Tieres persönlich verständigt und um Abholung des Kadavers ersucht."

 

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. Oktober 2009, dem Rechtsvertreter des Bw zugestellt am 23. Oktober 2009, hat die belangte Behörde dem Bw die Tat genauso wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet. Eine Rechtfertigung wurde in der Folge nicht erstattet.

 

In weiterer Folge hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen und unter Hinweis auf die Anzeige der PI X vom 21. August 2009 betont, dass der angelastete Sachverhalt in eigener dienstlicher Wahrnehmung von Polizeibeamten festgestellt wurde. Von der Möglichkeit zur Rechtfertigung nach entsprechender Aufforderung sei kein Gebrauch gemacht worden. Da keine Tatsachen und Beweismittel zur Verteidigung des Bw bekannt gegeben wurden, sei der zur Last gelegte Sachverhalt als erwiesen anzusehen. Der Bw habe wie schon in zahlreichen Verfahren wieder zu verantworten, dass durch ein Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden. Mit der weiteren Begründung wird im Wesentlichen der im Spruch angelastete Sachverhalt wiederholt.

 

Der Bw habe bereits 12 rechtskräftige Verwaltungsvorstrafen wegen mangelhafter Tierhaltung und Gefährdung oder unzumutbarer Belästigung Dritter nach dem § 5 Oö. PolStG. Geringes Verschulden liege nicht vor.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und dabei unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bw festgestellt, dass der angelastete Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten geblieben ist. Zum Grund warum immer wieder Straußenvögel aus der Straußenfarm des Bw entlaufen, kann auf Grund früherer Strafverfahren Folgendes festgestellt werden:

 

3.1. Dem erkennenden Verwaltungssenat ist aus dem mit h. Erkenntnis vom 27. August 2009, Zl. VwSen-300837/18/WEI/Se (BH Gmunden zu Zl. Pol 96-57-2008), entschiedenen Berufungsverfahren bekannt, dass ein ausgewachsener männlicher Straußenvogel mit einer auffälligen Verletzung im Brustbereich vermutlich von Rangkämpfen mit anderen Hähnen am frühen Nachmittag des 10. März 2008 im nicht umzäunten Garten des X X auftauchte und sich aggressiv verhielt. Dem damaligen Polizeibericht der PI X vom 18. März 2008, Zl. B6/4221/2008-Ste, war eine Lichtbildbeilage 2 vom 27. März 2008 über den damaligen Zustand der Umzäunung der Straußenfarm des Bw angeschlossen. Auf den insgesamt 8 Lichtbildern konnte man morsche und bereits umgefallene Steher und unzureichende Drahtverbindungen erkennen. Bild Nr. 8 zeigt einen freilaufenden Strauß in der Nähe, aber außerhalb des Geheges, der auf Grund der unzureichenden Umzäunung entlaufen konnte.

 

In der damals am 14. Juli 2009 durchgeführten Berufungsverhandlung erläuterte der Amtstierarzt Mag. X der belangten Behörde aus fachlicher Sicht, dass die vom Bw praktizierte Straußenhaltung in einem einheitlichen Gehege ohne Abtrennungen durch Zwischenzäune zwecks Gruppenhaltung unweigerlich zum Problem von Rangkämpfen zwischen den Hähnen und damit zu Verletzungen der Tiere und zur Unruhe innerhalb der Herde führt. Normalerweise muss man die Straußenvögel in verschiedenen Gruppen halten, welche nach Alter und Geschlecht differenziert werden. Weil diese Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Haltung vom Bw nicht erfüllt werden, seien Konflikte vorprogrammiert. Auch die Bodenvegetation innerhalb des Geheges sei im schlechten Zustand, weshalb die Tiere bei Gelegenheit Grünfutter außerhalb des Geheges suchen. Aus diesen Gründen und auch wegen der mangelhaften Umzäunung kommt es immer wieder zu Ausbrüchen von erwachsenen Straußenvögeln.

 

3.2. In dem zuletzt mit h. Berufungsentscheidung vom 9. August 2010, Zl. VwSen-300895/2/WEI/Sta, abgeschlossenen Strafverfahren wegen § 5 Abs 1 Oö. PolStG wurden der Anzeige der PI X vom 24. April 2009, Zl. A1/000005860/01/2009, Farblichtbilder beigelegt, zu denen von der Polizei ausgeführt wurde, dass bei einer Besichtigung an mehreren Stellen des Zaunes festgestellt werden konnte, dass sich der untere erste Draht in einer Höhe von ca. 70 cm befand. Dies wurde mit mehreren Lichtbilder dokumentiert, wobei auf einem Bild auch eine Bodenvertiefung in unmittelbarer Nähe zu sehen war. Diese Situation war nach der dem Oö. Verwaltungssenat zuletzt bekannt gewordenen Darstellung der PI X ein Grund dafür, dass Strauße aus dem Gehege schlüpfen können.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 5 Abs 1 Oö PolStG (idF LGBl Nr. 94/1985 und LGBl Nr. 147/2002) begeht u.A. eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet,

 

wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

 

Den Materialien (vgl AB Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) ist zu entnehmen, dass sich eine landesgesetzliche Regelung betreffend das Halten von Tieren nicht mehr nur auf gefährliche Tiere beschränken sollte und Missstände nicht mehr ortspolizeilichen Regelungen der Gemeinden überlassen bleiben sollten. Vielmehr sprach sich der Ausschuss für allgemeine innere Angelegenheiten des Oö. Landtages dafür aus, eine Beaufsichtigung oder Verwahrung von Tieren, die so mangelhaft erfolgt, dass sie Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft für strafbar zu erklären. Dritte Personen seien dabei alle, die nicht unmittelbar dem Haushalt des Tierhalters angehören.

 

Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB³³, E 18ff zu § 1320; Reischauer in Rummel², Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

 

Dass der Bw als Betreiber einer Straußenfarm auch Halter der Strauße ist, steht außer Frage. Er kommt als Täter der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 Oö. PolStG in Betracht, zumal die belangte Behörde die Ausnahme nach § 8 leg.cit. für das Halten von Tieren im Rahmen der ortsüblichen land- und forstwirtschaftliche Produktion zutreffend verneint hat.

 

Zum Deliktscharakter des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG hat der Oö. Verwatungssenat schon in der Vergangenheit die Ansicht vertreten (vgl VwSen-300417 vom 25.06.2002, VwSen-300442 vom 5.09.2002; VwSen-300518 vom 30.06.2004), dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nach der gewählten grammatikalischen Konstruktion mit Hauptsatz und Folgesatz um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Haltung des Tieres zu einer in der Außenwelt erkennbaren (konkreten) Gefährdung oder zu einer unzumutbaren Belästigung Dritter führen muss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl AB zur Oö. Polizeistrafgesetznovelle 1985, Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) geht auch hervor, dass nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur eine solche, die Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft strafbar sein sollte.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Wie das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats im Erkenntnis vom 9. August 2010, Zl. 300895/2/WEI/Sta, ausführte, war die Umschreibung, dass ein frei laufender Strauß die Fahrbahn einer stark befahrenen Landesstraße mehrmals betreten hatte und den Fahrzeugverkehr stark gefährdete, weil PKW-Lenker dem Vogel gerade noch rechtzeitig ausweichen oder abbremsen konnten, ausreichend und nach den damals gegebenen Umständen noch bestimmt genug, um den Bw in die Lage zu versetzen, ein Vorbringen als Gegendarstellung zu erstatten. Damals waren die Besatzungen von zwei Polizeistreifen vor Ort eingeschritten und versuchten wiederholt, den Strauß ins Feld zu scheuchen, warnten herannahende Fahrzeuglenker vor der gefährlichen Verkehrssituation und sicherten mit Blaulicht die Fahrbahn.

 

Dagegen umschreibt der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die angelastete konkrete Gefährdung von Personen und Straßenverkehrsteilnehmern, die im letzten Satz resümierend behauptet wird, nur ganz unzureichend. So ist etwa keine Rede davon, dass die Polizei den Strauß mehrmals von der Fahrbahn verscheuchen und den herannahenden Fahrzeugverkehr warnen hätte müssen, um besonderen Gefahren für die herannahenden Fahrzeuge vorzubeugen. Auch aus der Anzeige ergibt sich für die unter "Tatbeschreibung" geschilderte Phase des Geschehens nur, dass der Strauß auf der linken Seite der Straße aus dem Ortsgebiet in Richtung X lief und sich dann links auf das Privatgrundstück X begab.

 

Der letzte Satz des Spruches enthält demnach keine zutreffende Schlussfolgerung aus der zuvor gegebenen Darstellung, sondern nur eine Behauptung, die offensichtlich konkrete Umstände einer Gefahrensituation substituieren soll, jedoch an der tatsächlich mangelnden Konkretisierung einer bestimmten Gefahrensituation nichts zu ändern vermag. Eine so pauschale Anlastung nimmt das Ergebnis der Gefährdung vorweg, ohne die für eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal "dass ... dritte Personen gefährdet werden" erforderlichen Sachverhaltselemente anzugeben. Sie erscheint im Strafverfahren auf dem Boden rechtsstaatlicher Grundsätze als unbrauchbar. Deshalb hatte der letzte Satz im Schuldspruch zu entfallen.

 

Auch die Tatzeit ist im Spruch falsch angegeben worden, zumal die Anzeige der PI X unter "Tatbeschreibung" in zeitlicher Hinsicht nur von 18:22 Uhr spricht und der Spruch im Wesentlichen nur diese "Tatbeschreibung" mit geringfügigen Ergänzungen aus "Weitere Mitteilung" wiedergibt. Es handelt sich dabei offenbar um jene Phase des Geschehens, die von den Polizeibeamten nach dem Eintreffen vor Ort selbst wahrgenommen wurde. Deshalb wäre auch zeitlich die Anlastung darauf zu beschränken gewesen. Zeitlich wesentlich früher hatte der Tierarzt Dr. X X gegen 17:10 Uhr die Meldung von einem frei laufenden Strauß gemacht, der leicht verletzt sei und bei Annäherung von Personen immer wieder weg laufe. Über den Zeitraum bis zum Eintreffen der Polizei ist sonst nichts Näheres bekannt geworden. Dass die Anzeige dennoch einen "Begehungszeitraum" von 17:00 bis 18:25 Uhr nennt, kann wohl nur daran liegen, dass sich der Strauß nach Einschätzung der Polizeibeamten während dieses Zeitraums unbeaufsichtigt bewegen konnte. Doch darf deswegen noch nicht für den gesamten Zeitraum von einer konkreten Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung durch das Tier ausgegangen werden, wenn dazu keine konkreten Umstände festgestellt wurden, die auch den ganzen Zeitraum betreffen. Die belangte Behörde hat einfach ungeprüft den bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht nachvollziehbaren "Begehungszeitraum" aus der Anzeige übernommen, inhaltlich aber nur die kurze Phase des Geschehens um den Zeitpunkt 18:22 Uhr herum geschildert. Deshalb war der Spruch auch in Bezug auf die Tatzeit einzuschränken.

 

4.4. Wie der unabhängige Verwaltungssenat schon im Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, VwSen-300869/2/WEI/Sta, betont hat, ist beim Tatbestand des § 5 Abs 1 Oö. PolStG zwischen Gefährdungs- und Belästigungsvariante zu unterscheiden. Im Falle der Gefährdung dritter Personen infolge mangelhafter Verwahrung eines Tieres muss ein Ereignis vorliegen und umschrieben werden, aus dem eine nahe Gefahr für ein persönliches Rechtsgut abgeleitet werden kann. Es wurde oben schon dargelegt, dass jedenfalls aus der gewählten Spruchfassung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung abgeleitet werden können.

 

Allerdings ist auf Grundlage der von der belangten Behörde gewählten Spruchfassung davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 5 Abs 1 Oö PolStG in Bezug auf seine Belästigungsvariante verwirklicht worden ist. Nach dem Empfinden eines objektiven Beobachters (näher dazu VwSen-300869/2/WEI/Sta vom 28.01.2010) ist es als nicht mehr tolerierbare und damit unzumutbare Belästigung der Bevölkerung anzusehen, wenn ein ausgewachsener Strauß im Ortsgebiet von X und entlang der X in Richtung X frei herumläuft und dann auf ein Privatgrundstück und eine dort befindliche Pensionistin zuläuft, auch wenn er nur irritiert war und nicht aggressiv reagierte. Auch die allgemein denkbaren Gefahren für Straßenverkehrsteilnehmer erscheinen unzumutbar. Der Umgang mit einem Straußenvogel ist für die heimische Bevölkerung ungewohnt und das Verhalten eines solchen 80 bis 90 kg wiegenden Laufvogels, der zumindest eine Geschwindigkeit von 60 km/h erreichen kann, ist weitgehend unberechenbar und potentiell gefahrenträchtig (vgl näher das h. Erkenntnis vom 27.08.2009 im Berufungsverfahren VwSen-300837/18 und VwSen-300838/17/WEI/Se). Im Zweifel werden Personen, die durch die Anwesenheit des Straußes in ihrer Nähe betroffen sind, dem Vogel ausweichen und/oder sich in Sicherheit bringen müssen.

 

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats kann daher nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, dass im vorliegenden Fall eine unzumutbare Belästigung dritter Personen vorlag. Insofern war die Tatanlastung zu bestätigen und hatte der Bw gemäß § 5 Abs 1 Oö. PolStG den Tatbestand der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung eines Tieres mit nachfolgender Belästigung dritter Personen über das zumutbare Maß hinaus zu verantworten.

 

Diese Verwaltungsübertretung hat der Bw auch schuldhaft begangen, weil er aus zahlreichen Vorfällen in der Vergangenheit und einschlägigen Vorstrafen (vgl etwa die h. Erkenntnisse vom 26.08.2009, Zl. VwSen-300834/15/WEI/Se, vom 27.08.2009, Zlen. VwSen-300837/18/WEI/Se, 300838/17/WEI/Se, sowie vom 28.01.2010, Zl. VwSen-300869/2/WEI/Sta), bei denen immer wieder Strauße aus seiner Straußenfarm entweichen und andere Personen belästigen oder gefährden konnten, offenbar nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen, die Haltungsbedingungen zur Vermeidung von Rangkämpfen oder der Futtersuche außerhalb des Geheges nicht verbessert und Mängel in der Umzäunung nicht rechtzeitig behoben hat.

 

Im Ergebnis steht daher fest, dass der Bw die dargelegte Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt hat.

 

4.5. Im Rahmen der Strafbemessung war nach der Strafbestimmung des § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG bei einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Oö. PolStG von einer Strafdrohung bis zu 1.450 Euro auszugehen. Die belangte Behörde ging unter Hinweis auf frühere Verwaltungsstrafverfahren zu den persönlichen Verhältnissen des Bw von einer Landwirtschaft mit Einheitswert von 23.000 Euro, keinem weiteren Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Diesen persönlichen Verhältnissen hat der Bw im Verfahren nicht widersprochen. In der Berufung wird noch auf eine Alterspension von 1.200 Euro hingewiesen.

 

Straferschwerend wertete die belangte Behörde 12 einschlägige rechtskräftige Verwaltungsübertretungen wegen § 5 Abs 1 Oö. PolStG und 19 weitere Verwaltungsstrafen nach dem Tierschutzgesetz, die nicht näher spezifiziert wurden. Es ist beim Oö. Verwaltungssenat amtsbekannt, dass es meist um Übertretungen nach § 38 iVm § 24 Tierschutzgesetz (Verstöße gegen Haltungsvorschriften in Tierhaltungsverordnungen) ging. Abgesehen von der Unbestimmtheit hält der erkennende Verwaltungssenat die Nichteinhaltung von Haltungsbedingungen im Verhältnis zu § 5 Oö. PolStG nicht für einschlägig und daher insofern nicht für erschwerend. Strafmildernd war kein Umstand zu werten.

 

Der erkennende Verwaltungssenat hat im gegenständlichen Fall den Schuldspruch in zeitlicher Hinsicht und durch Aufhebung des letzten Satzes eingeschränkt, weil eine Gefährdung dritter Personen durch den entlaufenen Strauß nicht konkret dargestellt wurde. Damit vermindert sich aus rechtlicher Sicht auch das Gewicht des Tatvorwurfs erheblich. Die wesentliche Unrechtsminderung war bei der Strafzumessung entsprechend zu berücksichtigen. Denn im Hinblick auf den eingeschränkten Tatvorwurf war das dem Bw vorwerfbare Verschulden ebenfalls vermindert.

 

Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen erscheint vor allem im Hinblick auf die bisherigen Vorstrafen und die persönlichen Verhältnisse des Bw eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro angemessen und aus präventiven Überlegungen unbedingt erforderlich, um den Bw von einschlägigen weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Die für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß dem § 16 Abs 2 VStG innerhalb von zwei Wochen festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe war im angemessenen Verhältnis zur verminderten Geldstrafe auf 70 Stunden zu reduzieren.

 

5. Im Ergebnis war der Berufung teilweise Folge zu geben, der Schuldspruch wie dargelegt einzuschränken und die Strafe entsprechend zu reduzieren. Im Berufungsverfahren entfiel damit gemäß § 65 VStG ein weiterer Kostenbeitrag.

 

Im erstinstanzlichen Strafverfahren vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG auf den Betrag von 30 Euro (10 % der Geldstrafe).

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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