Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420649/6/BMa/Th

Linz, 29.12.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des X, vertreten durch Dr. X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Vornahme einer Abschiebung zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Beschwerde wird keine Folge gegeben und die Verhaftung des X am 2. August 2010 und dessen Abschiebung am 3. August 2010 als nicht rechtswidrig festgestellt.

 

  II.      Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) Aufwendungen in Höhe von 426,20 als obsiegende Partei binnen 14 Tagen bei sonstigen Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Artikel 129a Abs.1 Z2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm. § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG 1991; § 79a AVG iVm. UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 465/2008


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit einem am 8. September 2010 beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingelangten Schriftsatz vom 4. September 2010 erhob der rechtsfreundlich vertretene Rechtsmittelwerber Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch derzeit unbekannte Organe, vermutlich der Polizeidirektion Linz (Fremdenrechtsabteilung zugehörig), am 3. August 2010 durch Vornahme einer rechtswidrigen Abschiebung.

 

Begründend wurde ausgeführt, der Rechtsmittelwerber sei am 3. August 2010 von der Fremdenpolizei verhaftet und nach Kasachstan abgeschoben worden. Vorausgegangen sei ein Aufenthaltsverbot wegen geringfügiger Delikte. Der Beschwerdeführer sei mit einer EU-Bürgerin (BRD) verheiratet. Diese sei krank und bedürfe der Hilfe und Anwesenheit des Einschreiters. Aus diesem Grund habe der Bf den Antrag auf das humanitäre Bleiberecht an die Oö. Landesregierung gestellt. Dieser Umstand sei der Bundespolizeidirektion Linz telefonisch und per Fax mitgeteilt worden. Aus diesem Grund sei die Abschiebung rechtswidrig gewesen. Als Beweis dafür wurde die Beischaffung des Aktes AZ: 10166177/FRB der Bundespolizeidirektion Linz sowie des Amtes der Oö. Landesregierung beantragt und Kopien der Sendeberichte vorgelegt sowie Dr. X, als Zeuge geführt.

 

Abschließend wurden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge a) gemäß § 67c ff AVG den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig erklären; b) gemäß § 69a AVG iVm. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II 101/499 erkennen, der Bund sei schuldig, dem Einschreiter die durch das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Angeschlossen wurden ein Kostenverzeichnis der Rechtsanwaltskanzlei Dr. X sowie Kopien über die Sendung des Antrages auf Erteilung eines humanitären Visums an das Amt der Oö. Landesregierung mit Sendedatum vom 3. August 2010 11.41 Uhr und mit Sendedatum vom 2. August 2010 15.23 Uhr, jeweils abgesendet von der Postfiliale X an das Amt der Oö. Landesregierung "wegen: humanitäres Visum".

 

1.2. Mit Schreiben vom 13. September 2010 wurde die Bundespolizeidirektion Linz aufgefordert, den bezughabenden Verwaltungsakt vorzulegen. Weiters wurde dem Polizeidirektor von Linz als belangte Behörde die Möglichkeit eingeräumt, eine Gegenschrift zu erstatten.

 

1.3. In der Gegenschrift vom 23. September 2010 teilt die belangte Behörde im Wesentlichen mit, gegen X sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. November 2008 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden und ihm von amtswegen ein Durchsetzungsaufschub von 1 Monat erteilt worden. Dieses Aufenthaltsverbot sei mit 26. November 2008 in Rechtskraft erwachsen. Am 23. Jänner 2009 sei X niederschriftlich zur Kenntnis gebracht worden, dass das Aufenthaltsverbot rechtskräftig und durchsetzbar sei und er Österreich verlassen müsse. Am 5. März 2010 sei X im Beisein seiner Ehegattin und seiner Vertrauensperson Dr. X nochmals eindringlich auf seine Ausreiseverpflichtung aufmerksam gemacht worden, ansonsten müsse er mit seiner Abschiebung rechnen. Weil X bis April 2010 dieser Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, sei zur Sicherung der Abschiebung mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. April 2010 das gelindere Mittel der täglichen Meldepflicht bei der Polizeiinspektion X angeordnet worden. Gegen diesen Bescheid habe X Berufung erhoben, dieses Verfahren ist derzeit noch bei der Sicherheitsdirektion Oberösterreich anhängig.

 

In der Folge wurde von der Bundespolizeidirektion Linz die Abschiebung des X eingeleitet. Aus dem Aktenlauf ergebe sich eindeutig, dass die Antragstellung gemäß § 44 Abs.4 NAG erst am 2. August 2010, also erst nach der Einleitung bzw. Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfolgt sei.

Abschließend wurden die Anträge gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

 

1.4. Die Gegenschrift wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 12. Oktober 2010 unter Setzung einer Frist bis 29. Oktober 2010 zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Der Beschwerdeführer hat sich dazu nicht geäußert.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu 1055177/FRB, sowie durch Einsicht in die Beschwerde und die Gegenschrift.

 

3.1. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. November 2008 wurde gegen X ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihm wurde von amtswegen ein Durchsetzungsaufschub von 1 Monat erteilt. Dieses Aufenthaltsverbot ist mit 26. November 2008 in Rechtskraft erwachsen. Mit Bescheid vom 16. April 2010 wurde dem Rechtsmittelwerber aufgetragen, sich zur Sicherung der Abschiebung bei der Polizeiinspektion Neue Heimat in Linz, Salzburger Straße 247, täglich zu melden. Dagegen hat der Bw berufen und die nur wöchentliche Meldung beantragt. Am 2. August 2010 wurde der Bw zur Abschiebung festgenommen.

Mit Fax vom 2. August und vom 3. August 2010 wurde ein Antrag auf Erteilung eines humanitären Visums an das Amt der Oö. Landesregierung gestellt. Die Abschiebung des Bw erfolgte am 3. August 2010 im Luftweg nach Kasachstan. Diese Abschiebung ist  Gegenstand der am 6. September – und damit rechtzeitig – zur Post gegebenen Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 74 Abs.2 Z3 FPG kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46) erlassen werden soll.

 

Gemäß § 46 Abs.1 FPG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§ 53, 54 und § 10 Asylgesetz 2005) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1.     die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig erscheint oder

2.     sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 Asylgesetz 2005) nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

3.     aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

4.     sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gegen den Bw wurde mit Bescheid vom 10. November 2008 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dies erwuchs in Rechtskraft und der Bw ist nach Rechtskraft des Erkenntnisses nicht aus Österreich ausgereist, daher war auch die Festnahme zur Sicherung der Ausreise notwendig, weil er seiner diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist.

 

Gemäß § 44 Abs.4 NAG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß 11 Abs.1 Z3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" erteilt werden, wenn

1.     der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2.     mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Gemäß Abs.5 leg.cit begründen Anträge kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über einen solchen Antrag hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.     ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragstellung gemäß Abs.4 eingeleitet wurde und

2.     die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" gemäß Abs.4 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des Abs.4 Z1 und 2 jedenfalls vorzuliegen haben. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Z2 hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde vor Durchführung der Abschiebung eine begründete Stellungnahme der Behörde einzuholen. Verfahren gemäß Abs.4 gelten als einstellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

 

Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift auf die Bestimmung des § 44 Abs.5 NAG, wonach mit der umsetzenden Abschiebung dann zuzuwarten ist, wenn ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragstellung gemäß Abs.4 eingeleitet wurde.

Dabei setzt sie dem im Gesetz geregelten Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots gleich.

 

Aus den Materialien zum NAG, 387 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP, zu Z 22 (Art.5 Z 51 der RV), wird auszugsweise folgendes ausgeführt:

"Im neuen § 44 Abs. 5 NAG wird, wie auch in der bisherigen Rechtslage gemäß § 44b Abs. 3 NAG, explizit normiert, dass eine Antragstellung gemäß § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet. Auf Grund der spezifischen Sonderstellung des § 44 Abs. 4 NAG ist in diesen Fällen allerdings in Abweichung des in §§ 21 Abs. 6, 44b Abs. 3 und 69a NAG normierten Grundsatzes, dass

die Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen durch eine Antragstellung nach dem NAG nicht hintangehalten werden kann, mit der auf Grund einer Ausweisung durchzuführenden Abschiebung unter bestimmten Voraussetzungen zuzuwarten. Mit dieser Regelung wird daher weder die Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung oder Aufenthaltsverbot), noch die Erlassung der diesbezüglichen Entscheidung verhindert, sondern ist lediglich die Vollstreckung dieser Entscheidung gegebenenfalls aufzuschieben. Von dieser Ausnahme umfasst sind Fremde, gegen die zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung gemäß § 44 Abs. 4 NAG weder eine Ausweisung vorliegt, noch ein

Ausweisungsverfahren bereits eingeleitet war. Nicht umfasst sind aber Fremde, deren Abschiebung auf Grund eines Aufenthaltsverbotes zu erfolgen hat. Dabei ist es irrelevant, ob das zum Aufenthaltsverbot führende Verfahren bereits vor oder erst nach der Antragstellung gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingeleitet wurde. Damit soll sichergestellt werden, dass Fremde, deren Außerlandesbringung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten ist, nicht von dieser Regelung profitieren. Vgl. dazu auch § 44 Abs. 4 erster Satz NAG, wonach ein Aufenthaltsverbot ohnehin einen Abweisungsgrund darstellt."

 

Daraus ergibt sich, dass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbots eine Antragstellung gem. § 44 Abs. 4 NAG den Vollzug eines Aufenthaltsverbots durch Abschiebung nicht hindert.

 

Die belangte Behörde hat damit nicht rechtswidrig gehandelt, als sie das rechtskräftige Aufenthaltsverbot durch Verhaftung des Rechtsmittelwerbers am 2. August 2010 und anschließende Abschiebung nach Kasachstan am 3. August 2010 vollzogen hat und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs.3 AVG die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen. Es war daher dem Bund als dem Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, auf Antrag (die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung beantragt ) Aufwandersatz gemäß § 79a AVG zuzusprechen.

 

Nach § 1 Z3 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 idF vom 03.03.2010 beträgt der Vorlageaufwand 57,40 Euro und nach § 1 Z4 der Schriftsatzaufwand 368,80 Euro. Dem Bund war daher ein Ersatz in der Höhe von 426,20 Euro zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 24,00 Euro angefallen.

 

Mag. Bergmayr-Mann


 

VwSen-420649/6/BMa/Th vom 29. Dezember 2010

 

Erkenntnis

 

B-VG Art 129a Abs 1 Z 2;

NAG § 44

 

 

Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbots hindert eine Antragstellung gem § 44 Abs 4 NAG den Vollzug eines Aufenthaltsverbots durch Abschiebung nicht.

 

 

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