Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300982/2/Gf/Mu VwSen-300983/2/Gf/Mu

Linz, 23.12.2010

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufungen des x gegen die Straferkenntnisse des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 16. November 2010, Zlen. Pol-116/10 u. Pol-222/10, wegen Übertretungen des EGVG (Winkelschreiberei) zu Recht erkannt:

I. Den Berufungen wird stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren werden eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 16. November 2010, Zlen. Pol-116/10 u. Pol-222/10, wurde über den Beschwerdeführer jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 144 Stunden) verhängt, weil er am 10. Jänner 2010 und am 20. Mai 2010 jeweils
einzelne Personen gewerbsmäßig und gegen Entgelt vor einer bestimmten Behörde bzw. einem bestimmten Gericht vertreten habe, ohne zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt zu sein. Dadurch habe er jeweils eine Übertretung des Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

 

1.2. Gegen diese ihm am 30. November 2010 zugestellten Straferkenntnisse richten sich die vorliegenden, noch am selben Tag – und damit rechtzeitig – per e-mail eingebrachten Berufungen.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Magistrates Steyr zu Zlen. Pol-116/10 u. Pol-222/10; da sich bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im
Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegenden Berufungen hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der in Angelegenheiten, in denen er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, gewerbsmäßig für den Gebrauch vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden schriftliche Anbringen oder Urkunden verfasst bzw. Parteien vor diesen Institutionen vertritt oder eine solche Tätigkeit anbietet (Winkelschreiberei). Diese Bestimmung ist jedoch nach Art. III Abs. 3 EGVG nicht anzuwenden, soweit besondere Vorschriften gegen die unbefugte Parteienvertretung bestehen.

 

Gemäß § 57 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 und 2 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl.Nr. 96/1868, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 141/2009 (im Folgenden: RAO) begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 16.000 Euro zu bestrafen, der unbefugt und gewerbsmäßig eine den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit, im Besonderen eine Parteienvertretung vor einem Gericht oder einer Behörde anbietet oder ausübt. Diese Bestimmungen sind nach § 57 Abs. 3 RAO jedoch nicht anzuwenden, wenn durch eine solche Handlung zugleich der Tatbestand eines gerichtlich strafbaren Deliktes verwirklicht wird.

 

3.2. Schon angesichts des zwischen Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG und § 57 Abs. 2 RAO markant differierenden Strafausmaßes ist es geboten, die Tatbestände dieser beiden Delikte exakt abzugrenzen.

 

In diesem Zusammenhang hat der VwGH in seiner bisherigen Judikatur die Auffassung vertreten, dass sich die Anwendungsbereiche beider Strafdrohungen zwar teilweise überschneiden, jedoch nicht ident sind, ohne gleichzeitig deren jeweiligen Inhalt konkret festzulegen; entscheidend ist nämlich vielmehr, dass die Bestimmung des Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG stets nur subsidiär zum Tragen kommen kann (vgl. VwGH vom 4. Dezember 1998, Zl. 97/19/1553). Wenn daher gegen einen Beschuldigten der Sache nach ein Vorwurf dahin, dass dieser eine im einzelnen genannte Person vor bestimmten Behörden gewerbsmäßig vertreten habe, ohne die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung zu besitzen, so ist dies in erster Linie als eine Verletzung des § 57 Abs. 2 RAO zu qualifizieren; gleichzeitig ist es dadurch der Behörde verwehrt, ein derartiges, von Gesetzes wegen schon von der lex specials  des § 57 Abs. 2 RAO erfasstes Verhalten dem eine wesentlich mildere Strafdrohung nach sich ziehenden Tatbestand des Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG zu unterstellen (vgl. VwGH v. 3. Juni 1996, Zl. 95/10/0123, m.w.N.).

 

3.3. Davon ausgehend erweisen sich die beiden angefochtenen Straferkenntnisse insofern als rechtswidrig, als ihnen jeweils eine unzutreffende Subsumtion zu Grunde liegt.

 

3.4.  Da eine Spruchkorrektur schon angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht mehr in Betracht kam, war den gegenständlichen Berufungen sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, die angefochtenen Straferkenntnisse waren aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren waren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

VwSen-300982/2/Gf/Mu vom 23. Dezember 2010

VwSen-300983/2/Gf/Mu vom 23. Dezember 2010

Erkenntnis

RAO § 57 Abs 2;

EGVG Art III Abs 1 Z 1

 

Die Abgrenzung des Anwendungsbereiches beider jeweils die Winkelschreiberei unter Strafsanktion stellenden Delikte erfolgt primär danach, dass Art III Abs 1 Z 1 EGVG lediglich subsidiär zum Tragen kommen kann: Wenn daher gegen einen Beschuldigten der Sache nach ein Vorwurf dahin erhoben wird, dass dieser eine im einzelnen genannte Person vor bestimmten Behörden gewerbsmäßig vertreten habe, ohne die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung zu besitzen, so ist dies als eine Verletzung des § 57 Abs 2 RAO zu qualifizieren; gleichzeitig ist es damit der Behörde verwehrt, ein derartiges, von Gesetzes wegen schon von der lex specials des § 57 Abs 2 RAO erfasstes Verhalten dem Tatbestand des Art III Abs 1 Z 1 EGVG zu unterstellen (vgl VwGH 3.6.1996, 95/10/0123 mwN).

 

 

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