Linz, 28.12.2010
E R K E N N T N I S
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 64 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 - VStG;
Zu II. § 64 Abs.1 u.2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit dem oben angeführten Straferkenntnis wegen Übertretungen nach § 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 und § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 320 Euro und 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 und 34 Stunden verhängt.
Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe als Lenker des Pkw der Marke Audi, mit dem Kennzeichen X, am 25.07.2010, 11:17 Uhr, im Gemeindegebiet Vorchdorf, auf der Autobahn A1, bei km 210.400 in Fahrtrichtung Salzburg,
1) zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil laut Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,27 Sekunden festgestellt wurde und
Betreffend den Punkt 2. wurde keine Berufung erhoben. Dieser Punkt ist demnach in Rechtskraft erwachsen.
1.1. In der Begründung des Schuldspruches traf die Behörde erster Instanz nachfolgende Erwägungen:
„Gemäß § 99 Abs. 2c Ziffer 4 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs. 1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt.
Gemäß § 18 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.
Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf gem. § 20 Abs. 2 StVO der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren
1.2. Mit diesen Ausführungen ist die Behörde erster Instanz im Recht!
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit folgenden Berufungsausführungen:
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der Inhalte der erstbehördlichen Verfahrensakte im Rahmen der Berufungsverhandlung. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden die mit der Anzeige übermittelten Fotos dem Amtssachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X übermittelt und von diesem nach Beischaffung der Videosequenz sowie deren ausführlichen Erörterung, dies unter Einbeziehung des Mess- u. Auswertungssystems. Der Berufungswerber nahm rechtsfreundlich vertreten an der Berufungsverhandlung persönlich teil. Die Behörde erster Instanz nahm ohne Angabe von Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.
3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.
4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:
Gemäß den Anzeigefakten und dem Ergebnis der Berufungsverhandlung ist gesichert, dass der Berufungswerber zumindest zwölf Sekunden in einem sichtbar gleichbleibenden Abstand zu einem vor ihm befindlichen Pkw sehr knapp aufschließend unterwegs ist. Dies bei einer errechneten und verkehrsfehlerberichtigten Fahrgeschwindigkeit von 149 km/h. Die messtechnische Auswertung ergab unter Berücksichtigung sämtlicher Mess- u. Verkehrsfehler zu Gunsten des Berufungswerbers in der Messphase einen Sicherheitsabstand von ~ elf Meter, was einem zeitlichen Abstand von 0,27 Sekunden entspricht.
Dieser Abstand lässt sich neben dem vom Amtssachverständigen ausführlich erörterten Messsystem, eichrechtlich und zwischenzeitig auch durch die Judikatur gesichert, durchaus auch schlüssig aus der Videodokumentation in visueller Beurteilung plausibel nachvollziehen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dieses Beweisergebnis auf die eichamtlich anerkannte Messmethode mittels dem Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 (kurz VKS 3.0) gestützt ist. Dies wurde vom Sachverständigen anschaulich und durch Fakten belegt aufgezeigt, wobei dieser hervor hob, dass während der hier dokumentierten Wegsstrecke kaum eine Änderung der Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge feststellbar war.
Aus der Gebrauchsanweisung wird an dieser Stelle unter Punkt 1.4.1 zur Genauigkeit der Abstandsmessung Folgendes zitiert:
"Grundlage der Abstandsmessung ist die perspektivische Transformation. Bei der “Passpunkteingabe“ werden acht Transformationsparameter berechnet. Mit diesen Parametern werden dann mit der unten dargestellten Formel anvisierte Videopunkte (Messrasterkoordinaten) in Fahrbahnkoordinaten umgerechnet.
Hierbei sind :
a1 - a8 die Transformationsparameter
X,Y Fahrbahnkoordinaten
x, y Messrasterkoordinaten
Als gemessene Größen gehen die Messrasterkoordinaten in diese Berechnung ein. Sie werden in Form eines Fadenkreuzes/einer Messlinie in das Video projiziert. Für die mit dem Fadenkreuz/der Messlinie anvisierten Punkte werden die entsprechenden Fahrbahnkoordinaten umgerechnet.
Die Genauigkeit des Anvisierens ist abhängig von der Position des Fadenkreuzes/der Messlinie im Video ( siehe Abb. 1.6). Der Verzeichnungseinfluss des Objektivs liegt bei den verwendeten Brennweiten weit unter der Fadenkreuzdicke und ist für die Genauigkeit der Messung vernachlässigbar. Die vom Fadenkreuz oder der Messlinie überstrichene Breite ist abhängig von der Aufnahmeposition, diese Breite wird vom VKS 3.0-Programm situationsbezogen berechnet.
Je weiter das Fadenkreuz die Messlinie im Videobild in Richtung der Passpunkte 2 und 3 bewegt wird, desto größer wird der von der Fadenkreuzbreite/Messlinienbreite verdeckte Fahrbahnabschnitt. Bei jeder einzelnen Abstandsmessung wird die Breite der Messlinie an beiden Messpunkten vom VKS 3.0-Programm berechnet und angezeigt. Bei der Messung wird jeweils der günstigste Wert berücksichtigt.
Im VKS 3.0-Programm müssen mindestens zwei Abstandsmessungen durchgeführt werden, wobei die längste Abstandsmessung zur weiteren Auswertung herangezogen wird.
Bei der Abstandsmessung von zwei aufeinanderfolgenden Fahrzeugen wird der Abstand der Radaufstandpunkte der Vorderachsen gemessen. Mit einer besonderen Funktion bei der Auswertung kann die Fahrzeuglänge berücksichtigt werden. ( siehe 5.9.1 ).
Der auf diese Weise ermittelte Abstand ist erheblich größer als der tatsächliche Abstand."
4.1. Beweiswürdigung:
Dem Vorbringen des Berufungswerbers in seinem Rechtsmittel und auch im Rahmen der Berufungsverhandlung, wonach sich das Vorderfahrzeug kurz vorher vor ihm gesetzt hätte, kann demnach nicht gefolgt werden. Es wurde vielmehr widerlegt. Gemäß den erhobenen Beweisen liegen die Fakten so, dass sich wohl das Vorderfahrzeug mit dem Umspuren nach rechts zu lange Zeit gelassen haben mag, was aber nicht rechtfertigt, über eine Zeitspanne von zwölf Sekunden so knapp Aufzufahren um dadurch das immerhin ebenfalls mit etwa 150 km/h fahrende Fahrzeug zum Umspuren zu bewegen. Da zum Zeitpunkt der Messung das Vorderfahrezug bereits nach rechts umspuren hätte können, ist es an sich begreiflich wenn dies der Berufungswerber durch Betätigung der Lichthube zu beschleunigen versuchte oder damit auch seinen Unmut zum Ausdruck gebracht haben mag. Zu folgen ist dem Berufungswerber darin, dass es im Falle des rechtzeitigen Umspurens des Vorderfahrzeuges zu dieser Messung wohl nicht gekommen wäre.
Andererseits handelt es sich dabei aber durchaus um Fahrverhalten welche unbedachte Handlungen (etwa ein Aufleuchten lassen der Bremslichter oder gar Abbremsen) herbeizuführen oder provozieren können. Dies kann nicht zuletzt auch zu Unfällen mit wohl schwerwiegenden Folgen führen.
Inhaltlich vermochte der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung dieser Faktenlage in der Substanz nicht entgegen treten. An der Richtigkeit des hier vorliegenden Messergebenis kann daher mit Blick auf die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht gezweifelt werden.
Sehr wohl zeigte sich der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung problembewusst und im Ergebnis schuldeinsichtig.
Dies unterstrich er insbesondere auch mit seiner persönlichen Anreise zur Berufungsverhandlung.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Zur Messung an sich ist zu sagen, dass es sich hierbei um ein anerkanntes Messverfahren handelt (vgl. VwGH 21.9.2006, 2006/02/0074, womit etwa ein h. Erk. v. 31.1.2006, Zl. VwSen-161056/6/Br/Se, als rechtmäßig festgestellt wurde).
Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von zumindest 149 km/h ein Abstand von 11 m nur einer Wegzeit von 0,27 Sekunden entspricht, ein wirkungsvolles Reagieren auf eine abrupte Bremsung des Vorderfahrzeug nicht mehr möglich wäre.
Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Situation wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Auffahrunfall, weil selbst bei der kürzest annehmbaren Reaktionszeit von einer halben Sekunde wohl kaum mehr in einer der Verkehrssicherheit gerecht werdenden Wahrscheinlichkeit unfallvermeidend reagiert werden könnte (unter vielen VwGH 30.9.1999, 98/02/0443). Eine Reaktionszeit von nur 0,5 Sekunden ist unter Hinweis auf diesbezüglich gesicherte sachverständige Erkenntnisse nur als theoretisch mögliche, in der Verkehrsrealität gilt jedoch eine Reaktionshandlung unter 0,7 Sekunden als nicht realistisch (s. unten vielen h. Erk. v. 26.2.2008, VwSen-162603/8/Fra/Sta u. vom 16.2.2004, VwSen-109509/7/Br/Be).
Beim Hintereinanderfahren im Sinne des § 18 Abs.1 StVO genügt "in der Regel" ein dem mit einer Sekunde anzunehmenden Reaktionsweg entsprechender Sicherheitsabstand; dies aber nur wenn nicht besondere Umstände einen größeren Abstand geboten erscheinen lassen. Der Reaktionsweg beträgt in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (VwGH 5.5.2006, 2003/03/0299 mit Hinweis auf VwGH 23.10.1986, 86/02/0081).
Nach der o.a. Formel hätte demnach im gegenständlichen Fall der Sicherheitsabstand zumindest 45 m zu betragen gehabt.
6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden
6.1. Betreffend die auf den Tatvorwurf nach § 18 Abs.1 StVO getätigte Strafzumessung kann gesagt werden, dass ein zu knapper Sicherheitsabstand empirisch belegt vielfach unfallursächlich ist. Andererseits ist dieses Fehlverhalten zum teil auch in einer als starrsinnig zu bezeichnenden Fahrweise des Vorderfahrzeuges begründet zu sehen, welchem wohl früher ein Umspuren möglich gewesen wäre, was das nachhaltigere Drängeln des Berufungswerbers gleichsam provoziert haben mag. Dies entschuldigt aber keineswegs, zumal es bloß eines Weggehens vom Gas bedurfte hätte um den Abstand unverzüglich zu vergrößeren.
Dennoch kann angesichts des doch weit überdurchschnittlichen Einkommens des Berufungswerbers, trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, insbesondere mit Blick auf § 19 Abs.2 VStG unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot in Bezug zu einem Durschnittseinkommen, eine Reduzierung der Geldstrafe nicht in Betracht kommen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r