Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165542/7/Br/Th

Linz, 28.12.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Prof. Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, vom 06.10.2010, Zl. VerkR96-6764-2010, nach der am 28. Dezember 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

 

I.       Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.            Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 64 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.     § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 - VStG;

Zu II.    § 64 Abs.1 u.2  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit dem oben angeführten Straferkenntnis wegen Übertretungen nach § 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 und § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 320 Euro und 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 und 34 Stunden  verhängt.

Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe als Lenker des Pkw der Marke Audi, mit dem Kennzeichen X, am 25.07.2010, 11:17 Uhr, im Gemeindegebiet Vorchdorf, auf der Autobahn A1, bei km 210.400 in Fahrtrichtung Salzburg,

1) zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil laut Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,27 Sekunden festgestellt wurde und

2.) dabei die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 19 km/h überschritten wurde.

Betreffend den Punkt 2. wurde keine Berufung erhoben. Dieser Punkt ist demnach in Rechtskraft erwachsen.

 

1.1.       In der Begründung des Schuldspruches traf die Behörde erster Instanz nachfolgende Erwägungen:

Gemäß § 99 Abs. 2c Ziffer 4 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs. 1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf gem. § 20 Abs. 2 StVO der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, la, lb, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist

Der  im Spruch angeführte Sachverhalt stützt sich auf die Anzeige der Landesverkehrsabteilung vom 26.07.2010 und wurde mittels geeichtem Geschwindigkeits- und Abstandsmesssystem VKS 3.0 A 07 dienstlich durch den anzeigenden Polizeibeamten festgestellt.

 

Gegen die daraufhin von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden an Sie ergangene Strafverfügung vom 28.07.2010 haben Sie fristgerecht am 10.08.2010 Einspruch erhoben und sich als Lenker des angeführten Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt identifiziert. Sie führten an, dass Sie die Geldstrafe in Höhe von 50,00 Euro wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bereits zur Überweisung gebracht hätten. Betreffend den angelasteten zu geringen Sicherheitsabstand zum vor Ihnen fahrenden Fahrzeug gaben Sie an, dass dieser Fahrzeuglenker zuvor ein vorschriftswidriges Überholmanöver durchgeführt hätte, wodurch Sie zur Reduktion Ihrer Geschwindigkeit gezwungen waren. Aufgrund dieses Überholmanövers sei es Ihnen nicht möglich gewesen den erforderlichen Sicherheitsabstand einzuhalten, weshalb Sie nur eine geringe Schuld an dieser Verwaltungsübertretung treffe.

 

In weiterer Folge wurde Ihnen ein Foto von der Videomessung übermittelt, woraufhin Sie am 30.08.2010 eine neuerliche Stellungnahme abgaben. Darin berufen Sie sich erneut auf das Überholmanöver des vor Ihnen fahrenden Fahrzeuges. Das sich dieses Fahrzeug laut Foto rechts an der Mittellinie orientiert würde belegen, dass dieser zuvor ein Überholmanöver durchgeführt hat. Da Sie sich durch das zu knappe Überholen dieses Fahrzeuges gefährdet sahen, hätten Sie zuvor auch schon die Lichthupe betätigt.

 

Hierzu hat die Behörde erwogen:

 

Für die Behörde erscheint die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung aufgrund des Messergebnisses und der vorliegenden Bilddokumentation dieser Messung als eindeutig erwiesen.

 

Die Überschreitung der Geschwindigkeitsgrenze sowie der zu geringe Sicherheitsabstand sind aufgrund der vorliegenden Messung objektiv erwiesen.

 

Ihre Einspruchsangaben, der vor Ihnen fahrende Fahrzeuglenker hätte ein vorschriftswidriges Überholmanöver durchgeführt, wodurch Sie den entsprechenden Sicherheitsabstand zu diesem Fahrzeug nicht einhalten hätten können, werden dahingehend entkräftet, als dass es keine Indizien für ein derartiges vorschriftsmäßiges Überholmanöver gibt.

Die Position des vor Ihnen fahrenden Fahrzeuges lässt viel mehr darauf schließen, dass sich dieser durch Ihr mit hoher Geschwindigkeit und geringen Sicherheitsabstand herannahendes Fahrzeug dazu genötigt fühlte auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Da Sie auch die Lichthupe verwendet haben geht die Behörde davon aus, dass Sie damit dem Fahrzeuglenker vor Ihnen signalisieren wollten, dass dieser auf den rechten Fahrstreifen wechseln soll, damit Sie an ihm vorbeifahren können. Zudem wird festgestellt, dass der Lenker eines Fahrzeuges gem. § 7 StVO dazu verpflichtet ist, sich am rechten Fahrbahnrand zu orientieren. Im gegenständlichen Fall hat somit der vor Ihnen fahrenden Fahrzeuglenker keineswegs vorschriftswidrig gehandelt.

 

Bezüglich der angelasteten Geschwindigkeitsübertretung, welche Sie nicht bestritten haben, wird angemerkt, dass davon ausgegangen wird, dass - wie Sie selbst in Ihrer Stellungnahme anfuhren -Sie durch das vor Ihnen fahrende Fahrzeug dazu gezwungen waren Ihre Geschwindigkeit zu drosseln. Daraus lässt sich schließen, dass Sie zuvor noch schneller als die gemessenen 149 km/h gefahren sind.

Sich im gegenständlichen Fall auf ein angebliches, vorschriftswidriges Überholmanöver des vor Ihnen fahrenden PKWs zu berufen, wird von der Behörde als reine Schutzbehauptung angesehen. Sie konnten somit nicht glaubhaft machen, dass Sie nur ein geringes - geschweige denn gar kein -Verschulden an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen trifft.

 

Bei der von Ihnen zum Tatzeitpunkt gefahrenen, stark überhöhten Geschwindigkeit von 149 km/h stellt der von Ihnen eingehaltene Sicherheitsabstand von lediglich 0,27 Sekunden ein enormes Unfallpotential dar, was sowohl für Sie als auch für das vor Ihnen fahrende Fahrzeug und die nachfahrenden Fahrzeuge eine starke Gefahrdung bedeutet.

 

Gemäß § 19 Abs.l VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefahrdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- ­und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Zur Strafbemessung wird deshalb festgehalten, dass das Nichteinhalten des gesetzlich gebotenen Sicherheitsabstandes gemäß § 18 Abs.1 StVO kein Bagatelldelikt darstellt.

Gerade auf Autobahnen und wie in Ihrem Fall bei deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhren zu niedrige Sicherheitsabstände immer wieder zu schweren Auffahrunfällen und in weiterer Folge auch zu Massenkarambolagen. Im konkreten Fall wäre im Fall eines unvermittelten Abbremsen des vor Ihnen fahrenden Fahrzeuges überhaupt keine sinnvolle Reaktion Ihrerseits mehr möglich gewesen, weshalb der Unrechtsgehalt der Übertretung als hoch einzuschätzen ist.

Deshalb ist schon aus generalpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Bestrafung geboten und erscheint die im Spruch angeführte Strafhöhe als angemessen.

Ihre bisherige Unbescholtenheit wird grundsätzlich als strafmildernd bewertet.

Um Ihnen aber die gravierenden Folgen von überhöhter Geschwindigkeit in Verbindung mit einem zu geringen Sicherheitsabstand zu verdeutlichen und Sie in Hinkunft von derartigen

Verwaltungsübertretungen abzuhalten, wurde von der Möglichkeit den Strafbetrag herabzusetzen nicht Gebrauch gemacht.

 

Da Sie keine Angaben zu Ihren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen gemacht haben, wurde, wie im Schreiben vom 16.08.2010 angekündigt, ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.400,00 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten angenommen, wobei aufgrund Ihrer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt grundsätzlich von einem höheren Einkommen ausgegangen werden könnte.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle“.

 

 

1.2.  Mit diesen Ausführungen ist die Behörde erster Instanz im Recht!

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit folgenden Berufungsausführungen:

In der außen bezeichneten Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 06.10.2010

 

Berufung.

 

Ich fechte das vorstehend angeführte Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach an, mache als Berufungsgründe insbesondere Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvor­schriften, aber auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und stelle den

 

Antrag,

 

das gegenständliche Straferkenntnis in Punkt 1) aufzuheben und der Verwaltungsbehörde I. Instanz die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen,

es dahingehend abzuändern, dass das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt eingestellt wird.

 

 

 

Begründung:

 

In meiner Stellungnahme vom 30.08.2010 an die Verwaltungsbehörde I. Instanz habe ich nach Analyse der mir zur Verfügung gestellten Lichtbilder, folgendes vorgebracht:

„Die Bilddokumentation bestätigt meine bisherigen Aussagen, nämlich dass der vor mir fahrende Kleinwagen, hinter dem ebenfalls im Bild sichtbaren Abschleppwagen, zunächst im ersten Fahrstreifen gefahren ist und dann in einem viel zu knappen Abstand vor mir vom rechten in den linken Fahrstreifen gewechselt hat Das ist auch ganz deutlich daran erkennbar, dass einerseits der vor mir fahrende Pkw sich ganz knapp auf der Leitlinie bewegt, andererseits dass man auch auf dem obersten Bild sieht, dass ich die Lichthupe betätigt habe, weil ich das zu knappe Überholen des Abschleppwagens als für mich gefährlich angesehen habe. Es mag sein, dass ich nicht adäquat mit einer Vollbremsung, um den entsprechenden Abstand wieder herzustellen, auf dieses unzulässige Überholmanöver des vor mir fahrenden Pkws reagiert habe und daher während dieser Phase einen zu knappen Abstand eingehalten habe, andererseits konnte ich aber auch davon ausgehen, dass bei einem vorschriftsgemäßen Verhalten des Lenkers des überho­lenden Pkws, dieser unmittelbar nach dem Überholvorgang den linken Fahrstreifen wieder ver­lassen würde, was er aber, wie man auf dem Bild 2 sieht, nicht getan hat."

 

Zum Beweis für dieses Vorbringen habe ich die Vernehmung meiner Beifahrerin und Ehefrau, Dr. X, beantragt.

Verwaltungsbehörde I. Instanz hat diesem Antrag jedoch nicht entsprochen, weshalb das Verfahren mit einem wesentlichen Mangel behaftet ist, der die endgültige Feststellung des Sachverhalts so wie sie von der Verwaltungsbehörde I. Instanz durchgeführt wurde, nicht zulässt.

 

Hinsichtlich der Begründung der Verwaltungsbehörde I. Instanz, wonach aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, dass ich durch Betätigen der Lichthupe nicht auf ein plötzliches Überholmanöver des vor mir fahrenden Pkws reagiert hätte, sondern ihn dazu veranlassen wollte, auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln, ist ergänzend noch folgendes auszuführen:

 

Auf den erstellten Fotos ist genau zu sehen, dass hinter dem im ersten Fahrstreifen fahrenden Klein-Lkw erst mit langem Abstand andere Fahrzeuge folgen, ebenso wie im zweiten Fahrstreifen und ich mich auf dem 1. Foto etwa in gleicher Höhe im zweiten Fahrstreifen, wie der Klein-Lkw im ersten befunden habe und eigentlich auch damit rechnen konnte, dass das vor mir fahrende Fahrzeug, nachdem vor diesem Kleinlaster sich wiederum kein Pkw befand, sich unmittelbar nach dem für mich völlig unvermutet und ohne auf mein Herannahmen (gemeint wohl Herannahen) zu achten, eingeleitetes Überholmanöver wiederum in den rechten Fahrstreifen einreihen würde. Das erscheint auch aufgrund der Länge der Messstrecke, über die die Fotos erfolgt sind, plausibel, sodass die ge­genteiligen Ausführungen der Verwaltungsbehörde I. Instanz nicht nachvollziehbar sind.

 

Zum Beweis dafür, dass meine Ausführungen aus technischer Sicht plausibel und nachvoll­ziehbar sind, beantrage ich auch die Einholung eines Gutachtens eines Verkehrssachverstän­digen.

 

Wien, 15.11.2010/Dr. VW/RH                                                                       Prof. Dr. X“

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der Inhalte der erstbehördlichen Verfahrensakte im Rahmen der Berufungsverhandlung. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden die mit der Anzeige übermittelten Fotos dem Amtssachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X übermittelt und von diesem nach Beischaffung der Videosequenz sowie deren ausführlichen Erörterung, dies unter Einbeziehung des Mess- u. Auswertungssystems. Der Berufungswerber nahm rechtsfreundlich vertreten an der Berufungsverhandlung persönlich teil. Die Behörde erster Instanz nahm ohne Angabe von Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

 

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

 

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

Gemäß den Anzeigefakten und dem Ergebnis der Berufungsverhandlung ist gesichert, dass der Berufungswerber zumindest zwölf Sekunden in einem sichtbar gleichbleibenden Abstand zu einem vor ihm befindlichen Pkw sehr knapp aufschließend unterwegs ist. Dies bei einer errechneten und verkehrsfehlerberichtigten  Fahrgeschwindigkeit von 149 km/h. Die messtechnische Auswertung ergab unter Berücksichtigung sämtlicher Mess- u. Verkehrsfehler zu Gunsten des Berufungswerbers in der Messphase einen Sicherheitsabstand von ~ elf Meter, was einem zeitlichen Abstand von 0,27 Sekunden entspricht.

Dieser Abstand lässt sich neben dem vom Amtssachverständigen ausführlich erörterten Messsystem, eichrechtlich und zwischenzeitig auch durch die Judikatur gesichert, durchaus auch schlüssig aus der Videodokumentation in visueller Beurteilung plausibel nachvollziehen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dieses Beweisergebnis auf die eichamtlich anerkannte Messmethode mittels dem Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 (kurz VKS 3.0) gestützt ist. Dies wurde vom Sachverständigen anschaulich und durch Fakten belegt aufgezeigt, wobei dieser hervor hob, dass während der hier dokumentierten Wegsstrecke kaum eine Änderung der Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge feststellbar war. 

Aus der Gebrauchsanweisung wird an dieser Stelle unter Punkt 1.4.1 zur Genauigkeit der Abstandsmessung Folgendes zitiert:

"Grundlage der Abstandsmessung ist die perspektivische Transformation. Bei der “Passpunkteingabe“ werden acht Transformationsparameter berechnet. Mit diesen Parametern werden dann mit der unten dargestellten Formel anvisierte Videopunkte (Messrasterkoordinaten) in Fahrbahnkoordinaten umgerechnet. 

 

 

 

Hierbei sind :

                 a1 - a8 die Transformationsparameter

                 X,Y Fahrbahnkoordinaten

                       x, y Messrasterkoordinaten

 

Als gemessene Größen gehen die Messrasterkoordinaten in diese Berechnung ein. Sie werden in Form eines Fadenkreuzes/einer Messlinie in das Video projiziert. Für die mit dem Fadenkreuz/der Messlinie anvisierten Punkte werden die entsprechenden Fahrbahnkoordinaten umgerechnet.

Die Genauigkeit des Anvisierens ist abhängig von der Position des Fadenkreuzes/der Messlinie im Video ( siehe Abb. 1.6). Der Verzeichnungseinfluss des Objektivs liegt bei den verwendeten Brennweiten weit unter der Fadenkreuzdicke und ist für die Genauigkeit der Messung vernachlässigbar. Die vom Fadenkreuz oder der Messlinie überstrichene Breite ist abhängig von der Aufnahmeposition, diese Breite wird vom VKS 3.0-Programm situationsbezogen berechnet.

Je weiter das Fadenkreuz die Messlinie im Videobild in Richtung der Passpunkte 2 und 3 bewegt wird, desto größer wird der von der Fadenkreuzbreite/Messlinienbreite verdeckte Fahrbahnabschnitt. Bei jeder einzelnen Abstandsmessung wird die Breite der Messlinie an beiden Messpunkten vom VKS 3.0-Programm berechnet und angezeigt. Bei der Messung wird jeweils der günstigste Wert berücksichtigt.

Im VKS 3.0-Programm müssen mindestens zwei Abstandsmessungen durchgeführt werden, wobei die längste Abstandsmessung zur weiteren Auswertung herangezogen wird.

Bei der Abstandsmessung von zwei aufeinanderfolgenden Fahrzeugen wird der Abstand der Radaufstandpunkte der Vorderachsen gemessen. Mit einer besonderen Funktion bei der Auswertung kann die Fahrzeuglänge berücksichtigt werden. ( siehe 5.9.1 ).

Der auf diese Weise ermittelte Abstand ist erheblich größer als der tatsächliche Abstand."

 

 

4.1. Beweiswürdigung:

Dem Vorbringen des Berufungswerbers  in seinem Rechtsmittel und auch im Rahmen der Berufungsverhandlung, wonach sich das Vorderfahrzeug kurz vorher vor ihm gesetzt hätte, kann demnach nicht gefolgt werden. Es wurde vielmehr widerlegt. Gemäß den erhobenen Beweisen liegen die Fakten so, dass sich wohl das Vorderfahrzeug mit dem Umspuren nach rechts zu lange Zeit gelassen haben mag, was aber nicht rechtfertigt, über eine Zeitspanne von zwölf Sekunden so knapp Aufzufahren um dadurch das immerhin ebenfalls mit etwa  150 km/h  fahrende Fahrzeug zum Umspuren zu bewegen. Da zum Zeitpunkt der Messung  das Vorderfahrezug bereits nach rechts umspuren hätte können, ist es an sich begreiflich wenn dies der Berufungswerber durch Betätigung der Lichthube zu beschleunigen versuchte oder damit auch seinen Unmut zum Ausdruck gebracht haben mag. Zu folgen ist dem Berufungswerber darin, dass es im Falle des rechtzeitigen Umspurens des Vorderfahrzeuges zu dieser Messung wohl nicht gekommen wäre.

Andererseits handelt es sich dabei aber durchaus um Fahrverhalten welche unbedachte Handlungen (etwa ein Aufleuchten lassen der Bremslichter oder gar Abbremsen) herbeizuführen oder provozieren  können.  Dies kann nicht zuletzt auch zu Unfällen mit wohl schwerwiegenden Folgen führen.

Inhaltlich vermochte der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung dieser Faktenlage in der Substanz nicht entgegen treten. An der Richtigkeit des hier vorliegenden Messergebenis kann daher mit Blick auf die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht gezweifelt werden.

Sehr wohl zeigte sich der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung problembewusst und im Ergebnis schuldeinsichtig.

Dies unterstrich er insbesondere auch mit seiner persönlichen Anreise zur Berufungsverhandlung.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Zur Messung an sich ist zu sagen, dass es sich hierbei um ein anerkanntes Messverfahren handelt (vgl. VwGH 21.9.2006, 2006/02/0074, womit etwa ein h. Erk. v. 31.1.2006, Zl. VwSen-161056/6/Br/Se, als rechtmäßig festgestellt wurde).

Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von zumindest 149 km/h ein Abstand von 11 m nur einer Wegzeit von 0,27 Sekunden entspricht, ein wirkungsvolles Reagieren auf eine abrupte Bremsung des Vorderfahrzeug nicht mehr möglich wäre.  

Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Situation wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Auffahrunfall, weil selbst bei der kürzest annehmbaren Reaktionszeit von einer halben Sekunde wohl kaum mehr in einer der Verkehrssicherheit gerecht werdenden Wahrscheinlichkeit  unfallvermeidend reagiert werden könnte (unter vielen VwGH 30.9.1999, 98/02/0443). Eine Reaktionszeit von nur 0,5 Sekunden ist unter Hinweis auf diesbezüglich gesicherte sachverständige Erkenntnisse nur als theoretisch mögliche, in der Verkehrsrealität gilt jedoch eine Reaktionshandlung unter 0,7 Sekunden als nicht realistisch (s. unten vielen h. Erk. v. 26.2.2008, VwSen-162603/8/Fra/Sta u. vom 16.2.2004, VwSen-109509/7/Br/Be).

Beim Hintereinanderfahren im Sinne des § 18 Abs.1 StVO genügt "in der Regel" ein dem mit einer Sekunde anzunehmenden Reaktionsweg entsprechender Sicherheitsabstand; dies aber nur wenn nicht besondere Umstände einen größeren Abstand geboten erscheinen lassen. Der Reaktionsweg beträgt in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (VwGH 5.5.2006, 2003/03/0299 mit Hinweis auf VwGH 23.10.1986, 86/02/0081).

Nach der o.a. Formel hätte demnach im gegenständlichen Fall der Sicherheitsabstand zumindest  45 m zu betragen gehabt.

 

 

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis  35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden

 

 

6.1. Betreffend die auf den Tatvorwurf nach § 18 Abs.1 StVO getätigte Strafzumessung kann gesagt werden, dass ein zu knapper Sicherheitsabstand empirisch belegt vielfach unfallursächlich ist. Andererseits ist dieses Fehlverhalten zum teil auch in einer als starrsinnig zu bezeichnenden Fahrweise des Vorderfahrzeuges begründet zu sehen, welchem wohl früher ein Umspuren möglich gewesen wäre, was das nachhaltigere Drängeln des Berufungswerbers gleichsam provoziert haben mag. Dies entschuldigt aber keineswegs, zumal es bloß eines Weggehens vom Gas bedurfte hätte um den Abstand unverzüglich zu vergrößeren.

Dennoch kann angesichts des doch weit überdurchschnittlichen Einkommens des Berufungswerbers, trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, insbesondere mit Blick auf § 19 Abs.2 VStG unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot in Bezug zu einem Durschnittseinkommen, eine Reduzierung der Geldstrafe nicht in Betracht kommen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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