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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100677/2/Weg/Ri

Linz, 14.09.1992

VwSen - 100677/2/Weg/Ri Linz, am 14. September 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung der T R vom 13. Juni 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 5. Juni 1992, VerkR96-1908/ 1991/Ja, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.1 i.V.m. § 7 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 400 S (im NEF 10 Stunden) verhängt, weil sie sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugt hat, daß der von ihr am 19.März 1991 um 16.50 Uhr in L, G gegenüber dem Haus Nr. 31, gelenkte PKW, Kennzeichen , den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, weil der rechte Vorderradreifen des PKW's einen bis auf die Gewebeschicht reichenden Schnitt aufwies. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 40 S in Vorschreibung gebracht.

2. Diesem Straferkenntnis liegt eine Anzeige des Wachzimmers Stadthafen der Bundespolizeidirektion Linz vom 31. März 1991 sowie ein seitens der Bezirkshauptmannschaft Freistadt als im Wege des § 29a VStG zuständige gewordene Behörde durchgeführtes Ermittlungsverfahren zugrunde. In der Anzeige ist festgehalten, daß die Außenwand des rechten Vorderreifens einen ca. 3 cm langen Schnitt aufwies, welcher bis an die Gewebeschicht reichte. Im Zuge des ordentlichen Verfahrens wurde von einem kfz-technischen Amtssachverständigen ein Gutachten mit der Fragestellung eingeholt, ob dieser Schnitt bewirkt, daß dadurch der Reifen nicht mehr den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen entspricht. Dieses Gutachten vom 2.März 1992 bestätigt, daß ein bis zur Gewebeschicht reichender ca. 3 cm langer Schnitt auf der Außenwand des Vorderreifens bewirkt, daß der Reifen nicht mehr den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen entspricht.

3.Dagegen wendet die Berufungswerberin, vertreten durch ihren Gatten L R, sinngemäß ein, daß die Beschädigung des Reifens durch Anfahren an einen Randstein oder ähnlichem erfolgt sein muß. Es sei auch möglich, daß sie beim Reversieren im Firmengelände C (Verzinkerei), nämlich beim Umkehren oder Zurückschieben des Anhängers dem Reifen diesen Schaden zugefügt hat. Zu Beginn der Fahrt jedenfalls seien die Reifen unbeschädigt gewesen.

4. Die Berufung erwies sich als rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß zur Sachentscheidung die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist, der - weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Die Aktenlage wurde durch ein telefonisch eingeholtes Gutachten, welches am 31.August 1992 vom kfz.-technischen Amtssachverständigen Ing.M abgegeben wurde ergänzt. Die Zulässigkeit dieser Verfahrensführung findet ihre rechtliche Deckung beispielsweise auch im Art. 10 Abs.3 L-VG 1991, wonach die Verwaltung, die sich als Dienst an den Menschen versteht, zu objektivem, sparsamem, wirtschaftlichem und zweckmäßigem Handeln verpflichtet ist. Diese Staatszielbestimmung ist in Zusammenhang mit den in den Verfahrensgesetzen aufgestellten Ökonomiegrundsätzen (vgl. § 39 Abs.2 letzter Satz AVG) direkt anwendbar. Das telefonische Gutachten besagt inhaltlich, daß derartige Schäden auch während der Fahrt unmittelbar vor der Verkehrskontrolle, etwa durch die Berührung einer Bordsteinkante, entstanden sein können.

Damit ergibt sich folgender für die Beurteilung einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.1 i.V.m. § 7 Abs.1 KFG 1967 entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Die Berufungswerberin fuhr mit dem verfahrensgegenständlichen PKW und einem Anhänger, auf welchem eine von der Verzinkerei C lackierte Stiege geladen war, aus dem Firmengelände C offenbar in Richtung nach Hause. Bei der Verkehrskontrolle wurde neben einigen Defekten am Anhänger (diese sind nicht verfahrensgegenständlich) ein 3 cm langer Schnitt an der Außenwand des rechten Vorderreifens festgestellt, wobei dieser Schnitt bis zur Gewebeschicht reichte. Die Gewebeschicht selbst war nicht verletzt. Ein derartiger Schaden am Reifen bewirkt entsprechend dem schriftlichen Gutachten des Amtssachverständigen Ing. F vom 2.März 1992, daß dadurch der Reifen nicht mehr den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht. Wann nun der Reifenschaden entstanden ist, nämlich ob er schon vor Antritt der Fahrt vorhanden war oder erst auf der Fahrt aufgetreten ist, konnte nicht verifiziert werden. Es ist demnach nicht auszuschließen, daß zum Zeitpunkt des Antrittes der Fahrt dieser Reifenschaden noch nicht vorhanden war, sondern allenfalls beim Reversieren im Firmengelände C oder auf der Fahrt von diesem Gelände zum Ort der Kontrolle etwa durch eine Berührung mit einer Bordsteinkante oder ähnlichem. Es kann also der Behauptung der Berufungswerberin, daß vor Antritt der Fahrt die Reifen noch ordnungsgemäß waren, nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren ausreichenden Sicherheit entgegengetreten werden. Es wird deshalb im Zweifel für die Beschuldigte angenommen, daß die Beschädigung erst nach dem Antritt der Fahrt erfolgte.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Kraftfahrgesetz 1967 zuwiderhandelt.

Eine derartige Zuwiderhandlung liegt gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 vor, wenn der Kraftfahrzeuglenker ein Fahrzeug in Betrieb nimmt, obwohl er sich, soweit dies zumutbar ist, nicht davon überzeugt hat, daß dieses Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht.

Die Verpflichtung nach der eben zitierten Gesetzesstelle besteht vor Antritt der Fahrt. Nach einer im Zuge der Fahrt allenfalls spürbaren Kollision mit einer Gehsteigkante etc. besteht zumindest im Sinne des § 102 Abs.1 1. Satz KFG 1967 keine Verpflichtung, anzuhalten, um nach einer etwaigen Beschädigung Ausschau zu halten. Wie oben angeführt, kann der Berufungswerberin (im Zweifel) nur angelastet werden, daß die Beschädigung am Reifen erst nach Antritt der Fahrt entstanden ist und nicht schon vor Antritt der Fahrt vorhanden war.

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Nachdem das objektive Tatbild des § 102 Abs.1 1.Satz KFG 1967 nicht mit ausreichender Sicherheit erwiesen werden konnte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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