Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-120078/11/Ki/Kr

Linz, 18.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X X  und Dr. X X, vom 11. November 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 28. Oktober 2010, VerkR96-8435-2009, wegen einer Übertretung des Schifffahrtgesetzes nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 13. Jänner 2011 zu Recht erkannt:

 

 

 

I.               Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.           Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

zu I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z.1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Straferkenntnis vom 28. Oktober 2010, VerkR96-8435-2009, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 25.08.2009 gegen 17:30 Uhr das Motorfahrzeug O auf dem Traunsee, Höhe Nachdemsee, Nähe Köchergründe, näher als 200 Meter an das Ufer herangefahren (150 Meter vom Ufer entfernt), obwohl kein An- oder Ablegen oder Stillliegen vorgelegen ist und obwohl dies der Seen- und Fluss-Verkehrsordnung widerspricht. Er habe dadurch § 61 Abs.1 Seen- und Fluss-Verkehrsordnung BGBL Nr. 42/90, verletzt. Gemäß § 42 Abs.1 Schifffahrtgesetz wurde über ihn eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 11. November 2010 Berufung erhoben und beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen.

 

In der Begründung wird ausgeführt, der Beschuldigte betreibe in Gmunden einen Bootsfahrdienst und er sei Eigentümer und Halter des verfahrensgegenständlichen Motorbootes. Am 25. August 2009 habe er das genannte Boot gegen 17:30 Uhr von Altmünster kommend auf dem Gewässer des Traunsees in Richtung Traunkirchen gelenkt. Es habe sich um eine gewerbliche Fahrt gehandelt, an Bord hätten sich abgesehen vom Beschuldigten noch zwei Passagiere befunden.

 

Als sich der Beschuldigte von Norden kommend auf Höhe Hollereck (Köchert) befunden habe, habe er einen Uferabstand von etwa 300 m gehabt. Als er Steuerbord Voraus Notzeichen der Besatzung eines ca. 28 ft langen Kajütsegelbootes wahrgenommen habe, habe er auf das Segelboot zugesteuert. Ausschließlich zur Hilfeleistung habe er sich dem gestrandeten Segelboot genähert, welches an einer Untiefe, die dem Beschuldigten bekannt war, es handle sich um eine Steinaufhäufung unter Wasser, unter vollen Segeln und einer Schräglage von ca. 30° gestrandet gewesen sei. Zugleich habe dieses Boot auch die Ankerleine eines am Außenrande einer Uferschutzzone festgemachten Elektrobootes blockiert.

 

Ein weiblicher Passagier auf dem gestrandeten Segelboot habe sich weinend, schreiend und wild gestikulierend an Deck befunden, diese Person sei nahe dem Nervenzusammenbruch und ganz offensichtlich stark geschockt gewesen. Auch der Eigentümer des Elektroboots, dessen Ankerleine vom Segelboot blockiert wurde, habe den Beschuldigten um Hilfe ersucht, weil sich das Segelboot in der Ankerleine des Elektroboots verfangen hatte und er seine Position nicht verlassen konnte.

Der Beschuldigte habe das Steuer seines Bootes an den Fahrgast übergeben und diesen angewiesen, im Nahegebiet auf Standgas Position zu halten. Es habe auffrischender Wind von 3 bis 4 Windstärken geherrscht, der das Kreisen zur Verhinderung der starken Abdrift notwendig machte. Der Beschuldigte selbst habe die Taucherbrille aufgesetzt, sei ins Wasser gesprungen und habe unter der Wasseroberfläche lose von jemanden aufgehäufte Steine umgeschichtet, um den Kiel des Segelbootes frei zu bekommen. Dies sei ihm nach kurzer Zeit gelungen, sodass er nach Befreiung des Segelboots zum Motorboot zurück geschwommen und wieder an Bord gegangen sei.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 23. November 2010 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 13. Jänner 2011. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden teil. Als Zeugen wurden einvernommen, Herr X X, Herr X X und Herr X X.   

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Herrn X X zu Grunde. Dieser gab zu Protokoll, dass er am 25. August 2009 seit ca. 15.00 Uhr nach der Fahrt mit dem Boot von Gmunden mit E-Motor in Eben, Nachdemsee, Köchertgründe, ca. 150 m vom Ufer entfernt, in der gesperrten Wasserfläche zum Baden vor Anker lag.

 

Um ca. 17.30 Uhr habe er ein Mahagoni – Motorboot, vermutlich Marke Boesch, Kennzeichen O, worauf sich ein etwa 20 – 25 jähriger junger Mann mit junger Frau befunden habe, bemerkt. Dieser habe in der gesperrten Wasserfläche im Gleitbetrieb enge Kurven gedreht. Diese Fahrweise habe bei seinem Boot und den anderen vor Anker liegenden Booten starken Wellenschlag ausgeübt. Nach zweimaliger Wiederholung dieser Aktion habe er den jungen Fahrer gewinkt, er solle dies unterlassen und die gesperrte Wasserfläche verlassen.

 

Dieser habe das Boot 40 – 50 m entfernt gestoppt, worauf ein 55 – 65 jähriger, graumelierter, braungebrannter Mann aus dem Wasser das Motorboot bestiegen habe. Dieser sei vorher baden gewesen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat in der Folge ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und die auch im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung eingeladenen Personen zeugenschaftlich einvernommen und letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte der Beschuldigte seine bereits im Berufungsschriftsatz vorgebrachten Argumente und er wies nochmals darauf hin, dass er zur Hilfeleistung verpflichtet war. Außerdem wies er auf eine Prostataerkrankung hin, welche Grund dafür sei, dass er sicherlich nicht Baden wollte, dies auch nicht in Anbetracht der fortgeschrittenen Tageszeit und konkreten Witterungsverhältnisse.

 

Die Zeugen X X (Passagier des Motorbootes) sowie X X (Benützer des vor Anker liegenden Elektrobootes) bestätigten im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung den vom Beschuldigten vorgetragenen Sachverhalt.

 

X X, welcher die gegenständliche Anzeige erstattete, führte bei seiner Einvernahme aus, dass er sich natürlich an den Vorfall noch erinnern könne, er habe sich auch eine Gesprächnotiz über das Ganze gemacht. Er sei damals mit seinem Elektromotorboot in der sogenannten Köchertbucht gelegen. Es seien außer seinem noch mehrere Schiffe zum Vorfallszeitpunkt dort gelegen, auch Segelschiffe. Auf die Frage des Verhandlungsleiters, ob er ausschließen könne, dass Herr X tatsächlich einem in Not geratenen Segelschiff zur Hilfe kommen wollte, erklärte er jedoch, dass er dies nicht ausschließen könne, das habe er aber auch nicht gesehen. Es sei richtig, dass er durch den Wellenschlag auf die Situation aufmerksam wurde, vorher sei sein Boot ruhig gelegen.

 

2.6. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Aussagen der Zeugen bzw. auch die des Beschuldigten der Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Die Angaben entsprechen der allgemeinen Lebenserfahrung und es ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen zur Wahrheit verpflichtet waren. Insbesondere ist zu bemerken, dass der ursprüngliche Anzeiger letztlich nicht ausschließen kann, dass der Beschuldigte tatsächlich einem in Not geratenen Segelschiff zur Hilfe gekommen ist. Auch die Angaben des Beschuldigten im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation sind durchaus glaubwürdig.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 61 Abs.1 der Schifffahrts-Verkehrsordnung für Seen und Flüsse (Seen- und Fluss-Verkehrsordnung) BGBl. Nr. 42/1990 in der derzeit geltenden Fassung, dürfen Motorfahrzeuge auf Seen, ausgenommen zum An- oder Ablegen oder zum Stillliegen, nicht näher als 200 m an das Ufer oder einen dem Ufer vorgelagerten Schilfgürtel heran fahren (Uferzone).

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Beschuldigte tatsächlich diese Verbotszone befahren hat.

 

3.2. Gemäß § 7 Abs.2 leg.cit. ist, sind auf einem Gewässer Menschen oder Fahrzeuge in Gefahr, der Schiffsführer jedes in der Nähe befindlichen Fahrzeuges verpflichtet, unverzüglich Hilfe zu leisten, soweit dies mit der Sicherheit des von ihm geführten Fahrzeuges vereinbar ist. Kann der Schiffsführer nicht selbst helfen, so muss er unverzüglich fremde Hilfe herbeirufen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass nach Maßgabe der vorhandenen Möglichkeit jeder Schiffsführer verpflichtet ist, dann Hilfe zu leisten, wenn Menschen oder Fahrzeuge auf einem Gewässer in Gefahr sind, dies unabhängig davon, ob auch noch andere Hilfemaßnahmen durch andere Personen möglich wären.

 

Der Beschuldigte begründet sein dem Verfahren zu Grunde liegendes Verhalten damit, dass er feststellen musste, dass sich ein in der Nähe situiertes Segelboot, auf welchem sich zwei Personen befanden, in einer Notsituation befunden hat, bzw. dass die auf dem Segelboot sich befindlichen Personen so verhalten haben, dass auf eine Notsituation geschlossen werden konnte. Darüber hinaus wurde durch dieses Segelboot noch ein in der Nähe liegendes Elektroboot gefährdet, zumal die Gefahr eine Kollision bestand. Der Berufungswerber, der mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut war und der auch entsprechende nautische Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt, hat sich dieser Notfallsituation entsprechend korrekt verhalten bzw. kann ihm Gegenteiliges nicht nachgewiesen werden, sodass in diesem Falle das Verbot des § 61 Abs.1 der Seen- und Flussverkehrsordnung nicht einzuhalten war bzw. die Vorgangsweise objektiv betrachtet keine Rechtswidrigkeit darstellt.

 

3.3. Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Das durchgeführte Berufungsverfahren hat ergeben, dass trotz Vorliegen sämtlicher Beweise – die Besatzung des den Vorfall auslösenden Segelbootes konnte nicht eruiert werden – die Angaben des Beschuldigten, er habe einem in Not geratenen Segelschiff Hilfe geleistet, nicht widerlegt werden können. Die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung kann daher nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit erwiesen werden, weshalb – zumindest nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" – von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen war. Gleichzeitig war der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

VwSen-120078/11/Ki/Kr vom 18. Jänner 2011

Erkenntnis

 

Seen- und Fluss-Verkehrsordnung § 7 Abs 2 und § 61 Abs 1

 

Für den Fall, dass auf einem Gewässer Menschen oder Fahrzeuge in Gefahr sind, ist der Schiffsführer jedes in der Nähe befindlichen Fahrzeuges verpflichtet, unverzüglich Hilfe zu leisten, soweit dies mit der Sicherheit des von ihm geführten Fahrzeuges vereinbar ist. Daraus ist abzuleiten, dass im Falle einer Notsituation im Sinne des § 7 Abs.2 Seen- und Fluss-Verkehrsordnung das Befahren der Uferzone (näher als 200 m an das Ufer oder einem den Ufer vorgelagerten Schilfgürtel) nicht rechtswidrig ist.

 

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