Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231216/2/Gf/Mu

Linz, 25.01.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 23. November 2010, Zl. S-41961/10-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 23. November 2010, Zl. S-41961/10-2, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage; Verfahrenskostenbeitrag: 100 Euro) verhängt, weil er sich seit dem 1. Jänner 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG) i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und 6 FPG begangen, weshalb er nach § 120 Abs. 1  FPG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das Asylverfahren negativ beendet und er mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 ausgewiesen worden sei sowie, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als legal anzusehen.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten und davon auszugehen gewesen, dass keine Sorgepflichten bestünden und er kein Einkommen beziehe.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 24. Dezember 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. Jänner 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass es zwar zutreffe, dass sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Allerdings habe er sich darum bemüht, seinen Aufenthalt durch Erlangung eines humanitären Bleiberechts zu legalisieren, indem er einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) gestellt habe. Das diesbezügliche Verfahren sei noch nicht abgeschlossen und im Hinblick auf den Beschluss des VwGH vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, sei eine Abschiebung jedenfalls unzulässig, solange die zuständige Behörde über seinen auf § 43 Abs. 2 NAG  gestützten Antrag noch nicht entschieden habe. In diesem Zusammenhang wird zwar zugestanden, dass ein solche Antragsstellung zwar weder ein formelles Aufenthaltsrecht noch einen Abschiebungsaufschub nach sich ziehe, aber es müsse ihm zugute gehalten werden, dass insgesamt besehen eine entschuldigende Notstandssituation mit einem unauflöslichen Interessenskonflikt i.S.d. § 6 VStG vorliege bzw. sein Verschulden auf Grund dieser Umstände jedenfalls geringfügig sei.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. S-41961/10-2; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ und der Berufungswerber lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde behauptet, den von dieser ermittelten Sachverhalt aber unbestritten gelassen hat und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wendet sich der Rechtsmittelwerber nicht dagegen, dass er sich jedenfalls seit dem 1. Jänner 2010 widerrechtlich in Österreich aufhält. Er bringt allerdings auf der Ebene des Verschuldens vor, dass ihn deshalb kein Schuldvorwurf treffen könne, weil er am 21. April 2010 bei der zuständigen Behörde gemäß § 43 Abs. 2 NAG einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt habe, dem gleichsam eine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Vollstreckung der Ausweisungsentscheidung zukomme; zudem liege eine entschuldigende Notstandssituation mit einem unauflöslichen Interessenskonflikt i.S.d. § 6 VStG vor bzw. könne ihm bloß ein geringfügiges Verschulden angelastet werden.

 

Dieser Einwand vermag jedoch schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es offensichtlich ist, dass er seit seiner Einreise im Jänner 2005 mehr als ausreichend Zeit gehabt hätte, sich über die für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblichen Rechtsvorschriften rechtzeitig bei der zuständigen Behörde zu informieren. Indem er dies allerdings über Jahre hinweg offensichtlich konsequent – wenngleich im Hinblick auf eine allfällige positive Erledigung seines Asylverfahrens; eine derartige, schon von vornherein bloß unsichere Chance vermag freilich die eben angesprochene, schon seit der Einreise und in der Folge auf Dauer bestehende Informationspflicht nicht zu sistieren – unterlassen und überdies erst am 21. April 2010 und somit vier Monate nach dem negativen Abschluss seines Asylverfahrens versucht hat, ein humanitäres Bleiberecht zu erlangen, stellt sich die Situation insgesamt vielmehr so dar, dass er jene (überdies bloß formalen) Fakten (nämlich: die Antragstellung gemäß §§ 43 oder 44 NAG), die seinen Schuldausschluss bewirken sollen, erst lange nach dem Beginn des ihm angelasteten strafbaren Verhaltens gesetzt hat. Von einer – noch dazu berücksichtigungswürdigen – Notstandssituation oder gar einem Wohlverhalten kann daher keine Rede sein, im Gegenteil: Der Umstand, dass eben auch die Antragstellung erst lange Zeit nach dem Inkrafttreten der Neufassung der §§ 43 und 44 NAG erfolgte, belegt insgesamt zweifelsfrei, dass es dem Rechtsmittelwerber offenbar nur darum geht, jede sich bietende Gelegenheit – wozu insbesondere auch die ultimativ späte Einbringung von Anträgen und/oder Rechtsbehelfen zählt – dazu zu nützen, um die Beendigung seines faktischen Aufenthalts in Österreich so lange als möglich hinauszuzögern.

 

Gesamthaft betrachtet ist ihm sohin unter verwaltungsstrafrechtlichen Gesichtspunkten zumindest ein grob fahrlässiges (wenn nicht sogar mutwilliges und damit vorsätzliches) und somit auch schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

 

Seine Strafbarkeit ist daher grundsätzlich gegeben.

 

3.3. Auf der Ebene des Verschuldens ist jedoch unter einem zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer sogar nach den eigenen Angaben der belangten Behörde bereits im Jänner 2005 in das Bundesgebiet eingereist ist und umgehend einen Asylantrag gestellt hat; er befindet sich somit faktisch bereits seit 6 Jahren ununterbrochen in Österreich.

 

In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof jüngst mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, B 950/10, ausgesprochen, dass die Ausweisung eines Fremden – selbst wenn sich dieser rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält – dennoch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt, wenn er infolge seiner langen tatsächlichen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits einen hohen Grad an sozialer Integration aufweist und nicht der Fremde das Asylverfahren mutwillig verschleppt hat, sondern dessen unangemessen lange Dauer ausschließlich auf die Ineffizienz der staatlichen (Asyl-)Behörden zurückzuführen ist.

 

Liegen solche Voraussetzungen vor, dann kann dem Fremden unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK insgesamt aber i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG auch kein bzw. allenfalls lediglich ein derart geringes Verschulden angelastet werden, dass in der Folge eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG geboten ist.

 

Ob solche Umstände hier gegeben sind, kann dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt aber nicht einmal ansatzweise entnommen werden, weil diese – offensichtlich in (unverschuldeter) Unkenntnis der vorgenannten Entscheidung des VfGH – keinerlei in diese Richtung weisenden Erhebungen durchgeführt hat.

 

Vom Oö. Verwaltungssenat können diese fehlenden Ermittlungen jedoch schon deshalb nicht substituiert werden, weil diesem nicht die Funktion einer Strafverfolgungsbehörde zukommt – ganz abgesehen davon, dass ein Teilbereich des Tatzeitraumes zwischenzeitlich bereits verjährt ist.

 

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis auszuheben.

 

Eine Einstellung des Strafverfahrens war hingegen im Hinblick auf die zumindest teilweise noch offene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zu verfügen; ob und bejahendenfalls in welchem Umfang dieses weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-231216/2/Gf/Mu vom 25. Jänner 2011

wie VwSen-231203/2/Gf/Mu vom 17. Jänner 2011

 

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