Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231217/2/Gf/Mu

Linz, 21.01.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 29. Dezember 2010, Zl. Sich96-1068-2010, wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das zu Spruchpunkt 2. geführte Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 29. Dezember 2010, Zl. Sich96-1068-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber zum einen eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag 100 Euro) verhängt, weil er sich als passpflichtiger Fremder vom 25. bis zum 28. Oktober 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe; zum anderen wurde ihm eine Ermahnung erteilt, weil er am 28. Oktober 2010 verschwiegen habe, dass er im Besitz eines gültigen
Reisepasses sei, diesen aber nicht mitgeführt bzw. nicht in einer solchen Entfernung von seinem jeweiligen Aufenthaltsort verwahrt habe, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen habe können. Dadurch habe er einerseits eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), und anderseits eine Übertretung des § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG begangen, weshalb er im ersten Fall gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zu bestrafen und im zweiten Fall
nach § 21 VStG zu ermahnen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sein Asylantrag mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25. Oktober 2010, Zl. C14300716-1/2008/5E, rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig seine Ausweisung angeordnet worden sei sowie, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als legal anzusehen. Zudem habe er als passpflichtiger Fremde die belangte Behörde getäuscht, indem er den Besitz seines Reisepasses verschwiegen habe. Da er sich aber mit einer – wenngleich ungültigen – Aufenthaltsberechtigungskarte ausweisen habe können und sich daraufhin seine Identitätsangaben bewahrheitet hätten, habe sich die Erstbehörde insoweit mit der Erteilung einer Ermahnung begnügen können.

1.2. Gegen dieses ihm am 30. Dezember 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 11. Jänner 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird zunächst hinsichtlich des Verschweigens des Besitzes des Reisepasses vorgebracht, dass er bei seiner behördlichen Vorsprache am 28. Oktober 2010 tatsächlich noch gar nicht über einen Reisepass verfügt hätte, weshalb ihm weder angelastet werden könne, dass er dessen Besitz verschwiegen noch diesen nicht mitgeführt habe. Es treffe zwar zu, dass sein Reisepass am 12. Oktober 2010 ausgestellt wurde, allerdings hätte er dieses Dokument erst am 16. November 2010 erhalten. Zudem bringt der Beschwerdeführer vor, dass bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28. Oktober 2010 eine nicht gerichtlich beeidete Dolmetscherin beigezogen worden sei; deren Deutschkenntnisse seien sohin mangelhaft gewesen, weshalb er das ihm vorgelegte Formular nicht ausgefüllt habe. Er sei nämlich der Ansicht gewesen, dass noch weitere Erhebungen durchzuführen wären. Daher liege kein tatbildmäßiges Verhalten vor.

Bezüglich der Geldstrafe wird abschließend eingewendet, dass deren Ausmaß überhöht sei, obwohl im vorliegenden Fall auf Grund der hervorgekommenen Umstände nur ein geringes Verschulden vorliege.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich96-1068-2010; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

Gemäß § 121 Abs. 3 Z. 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 FPG begeht derjenige Fremde eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro zu bestrafen, der sein Reisedokument nicht mit sich führt oder dieses nicht in einer solchen Entfernung von seinem Aufenthaltsort verwahrt, dass dessen Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

3.2. Im gegenständlichen Fall bestreitet der Rechtsmittelwerber nicht, über keine Aufenthaltsberechtigung zu verfügen.

Somit hat er tatbestandsmäßig i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG gehandelt.

3.3. Auf der Ebene des Verschuldens ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits – wie sich aus dem im Akt einliegenden fremdenpolizei­lichen Erledigungen, insbesondere aus deren Aktenzahlen ergibt – im Jahr 2005 in das Bundesgebiet eingereist ist und umgehend einen Asylantrag gestellt hat; er hält sich somit tatsächlich seit zumindest 51/2  Jahren in Österreich auf.

In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof jüngst mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, B 950/10, ausgesprochen, dass die Ausweisung eines Fremden – selbst wenn sich dieser rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält – dennoch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt, wenn er infolge seiner langen faktischen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits einen hohen Grad an sozialer Integration aufweist und nicht der Fremde das Asylverfahren mutwillig verschleppt hat, sondern dessen unangemessen lange Dauer ausschließlich auf die Ineffizienz der staatlichen Behörden zurückzuführen ist.

Liegen solche Voraussetzungen vor, dann kann dem Fremden aber unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG insgesamt auch kein bzw. allenfalls lediglich ein derart geringes Verschulden angelastet werden, dass in der Folge eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG geboten ist.

Ob solche Umstände hier gegeben sind, kann dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt aber nicht einmal ansatzweise entnommen werden, weil diese – offensichtlich in (unverschuldeter) Unkenntnis der vorgenannten Entscheidung des VfGH – keinerlei in diese Richtung weisenden Erhebungen durchgeführt hat.

Vom Oö. Verwaltungssenat können diese fehlenden Ermittlungen jedoch schon deshalb nicht substituiert werden, weil diesem nicht die Funktion einer Strafverfolgungsbehörde zukommt (wobei im gegenständlichen Fall zudem darauf hinzuweisen ist, dass der VwGH in ständiger Rechtssprechung davon ausgeht, dass dem aus § 44 Z. 1 VStG resultierenden Konkretisierungsgebot nur dann entsprochen ist, wenn im Spruch des Straferkenntnisses sämtliche der in § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 7 FPG angeführten Alternativen – in verneinender Weise – angeführt sind; vgl. z.B. statt vieler VwGH v. 30. Mai 2001, Zl. 2000/21/0009, m.w.N.).

3.2.2. Hinsichtlich seines mit 12. Oktober 2010 datierten Reisepasses bringt der Beschwerdeführer vor, dass ihm dieser erst am 16. November 2010 zugestellt wurde, sodass er diesen anlässlich seiner Vorsprache bei der belangten Behörde am 28. Oktober 2010 faktisch noch gar nicht besessen habe.

Da diese Verantwortung einerseits nicht gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt und somit zumindest denkmöglich erscheint und andererseits gegenteilige Ermittlungsergebnisse nicht vorliegen, muss dieses Vorbringen im Ergebnis als zutreffend unterstellt werden.

Davon ausgehend war aber schon jener dem Rechtsmittelwerber mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides angelastete Deliktstatbestand nicht erfüllt, sodass insoweit auch keine Strafbarkeit vorliegt.

3.3. Aus allen diesen Gründen war der gegenständlichen Berufung daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das zu Spruchpunkt 2. geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

Bezüglich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses war hingegen im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist eine Einstellung des Strafverfahrens nicht zu verfügen; ob und bejahendenfalls in welchem Umfang dieses weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-231217/2/Gf/Mu vom 21. Jänner 2011

wie VwSen-231202/4/Gf/Mu vom 19. Jänner 2011

 

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