Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522685/7/Ki/Sic/Gr

Linz, 02.12.2010

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 16.9.2010 gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15.9.2010, AZ: 10/355953, wegen nachträglicher Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung bis 7.7.2015 sowie verschiedener Auflagen zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die erteilte Befristung bis 7.7.2015 sowie die Auflagen, sich bis spätestens 7.7.2015 einer amtsärztlichen Nachuntersuchung zu unterziehen sowie sich in Abständen von 2 1/2 Jahren einer ärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen und spätestens am 7.1.2013 und am 7.7.2015 der Behörde die angeordneten Befunde vorzulegen aufgehoben wird.

Betreffend die Auflage, beim Lenken eine geeignete Brille zu tragen, wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und die Auflage des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs. 4 iVm 67a Abs. 1 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm § 24 Abs. 1 Z 2 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid hat die Bundespolizeidirektion Linz die Herrn X erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B nachträglich eingeschränkt durch eine zeitliche Befristung bis 7.7.2015 sowie durch die Auflagen, dass bis zu diesem Datum eine amtsärztliche Nachuntersuchung (unter der Vorlage von Befunden über Kontrolluntersuchung diabetes mellitus, insulinpflichtig, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit mit st.p. Myocardinfarkt und Stentimplantation 2009 durch einen Facharzt für Innere Medizin samt Herzecho und HbA1c lt. amtsärztlichem Gutachten sowie durch einen Facharzt für Augenheilkunde, Augenhintergrund und Dämmerungssehen lt. amtsärztlichem Gutachten) sowie alle 2 1/2  Jahre eine ärztliche Kontrolluntersuchung (Befund hinsichtlich diabetes mellitus, insulinpflichtig, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit mit st.p. Myocardinfarkt und Stentimplantation 2009 durch einen Facharzt für Innere Medizin samt Herzecho und HbA1c lt. amtsärztlichem Gutachten) durchgeführt und die Befunde darüber bei der Behörde abgegeben werden. Als weitere Auflage wurde angeordnet, dass eine geeignete Brille beim Lenken zu tragen ist.

Die Bundespolizeidirektion Linz stützt die Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 7.7.2010, wonach festgestellt wurde, dass derzeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Fahrzeugen unter Einhaltung der im Spruch angeführten Befristung und Auflagen gegeben sei.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 16.9.2010. Es wird der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge den bekämpften Bescheid zur Gänze aufheben. Im Wesentlichen verweist der Berufungswerber auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach keine allgemeine Notorietät dahingehend bestehe, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss, wovon auch § 11 FSG-GV nicht ausgehe.

Der Bw sei seit ca. 5 Jahren Diabetiker Typ II und, wie aus dem im ärztlichen Gutachten festgestellten HbA1c-Wert ersichtlich, gut eingestellt. Es bestünden keine diabetischen Veränderungen an den Augen. Sowohl der Augenarzt als auch der Internist würden demnach keine Einwände gegen die Eignung um Lenken von Kfz sehen. Eine Befristung oder Auflage würde fachärztlich nicht empfohlen.

Der Internist habe auch eine Stabilisierung der Herzerkrankung bestätigt. Nach den Stellungnahmen der Fachärzte sei auch keine Verschlechterung zu befürchten. In einem solchen Fall sei bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung unter Auflage von Kontrolluntersuchungen und Nachuntersuchungen unzulässig.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung einer  ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Amtsarztes. Diese Stellungnahme vom 25.10.2009, wurde dem Berufungswerber zur Kenntnis gebracht und es hat sich dieser mit E-Mail vom 19.11.2010 dazu im wesentlichen wie in der Berufung geäußert.

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde aufgrund der vorliegenden Gutachtenslage für nicht notwendig erachtet (§ 67d Abs. 1 AVG).

Beim Berufungswerber (in der Folge: Bw) besteht seit ca. 5 Jahren ein Diabetes mellitus, welcher seit April 2010 insulinpflichtig ist. Aufgrund dessen wurde der Bw mit Bescheid vom 29.4.2010 zur amtsärztlichen Untersuchung gem. § 8 FSG aufgefordert, welcher sich der Bw in der Folge unter gleichzeitiger Vorlage der notwendigen fachärztlichen Gutachten unterzog.

In seinem amtsärztlichen Gutachten vom 7.7.2010 erachtete der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Linz den Berufungswerber als geeignet zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klassen A und B. Es wurden jedoch die Befristung der Lenkberechtigung bis 7.7.2015 sowie die Erteilung von Auflagen, nämlich die Verwendung einer Brille sowie die Anordnung der gegenständlichen Kontrolluntersuchungen, vorgeschlagen.

Der Amtsarzt begründete diesen Vorschlag mit einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, wobei er jedoch feststellte, dass der Blutzuckerlangzeitkontrollwert HbA1c bei der internistisch-fachärztlichen Untersuchung nahezu im Idealbereich lag. Es wurden laut augenfachärztlichem Befund auch keine diabetischen Folgeschäden an den Augen festgestellt und ergab sich ein mit Brillenkorrektur ausreichender Visus sowie keine Einschränkung des Dämmerungssehens. Weiters wurden Bluthochdruck sowie eine koronare Herzkrankheit mit st.p. Myocardinfarkt und Stentimplantation 2009 angeführt. Der Blutdruck sei medikamentös ausreichend reguliert und die Herzleistung derzeit stabil. Es wurde eine Befristung auf vorerst 5 Jahre sowie – neben der Verwendung einer Brille zum sicheren Erreichen des erforderlichen Visus – die Auflagen in Form der angeführten Kontroll- und Nachuntersuchung beim Fach- bzw. Amtsarzt zwecks "rechtzeitiger Erfassung einer ev. eignungseinschränkenden oder gar ausschließenden Krankheitsverschlechterung" empfohlen.

Der Amtsarzt wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich um Stellungnahme ersucht, inwiefern konkret tatsächlich mit einer Verschlechterung der Erkrankung gerechnet werden musste. In seiner Stellungnahme vom 25.10.2010 ergänzte er sein Gutachten dahingehend, dass im konkreten Fall mehrere Leiden bestünden.

Nach einem Myocardinfarkt sei durchwegs mit einer Defektheilung und damit mit zumindest erhöhter Wahrscheinlichkeit mit einer künftig maßgeblichen Verschlechterung der Herzleistung zu rechnen.

Diabetes mellitus würde auch bei zufriedenstellender Stoffwechselführung auf lange Sicht als fortschreitend anzusehen sein, wobei es als typische Folgeerscheinungen zu Wandschädigungen bzw. Lichtungseinengung großer und kleiner Gefäße mit entsprechenden Durchblutungsstörungen komme. Daraus ergebe sich wiederum eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Funktionseinschränkungen bis zum Totalausfall in sämtlichen Organen und Geweben (insbesondere Nieren-, Nerven- und Netzhautschädigung).

Zu konkret beim Berufungswerber zu befürchtenden Verschlechterungen wurden keine weiteren Ausführungen gemacht.

 6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (z.B. gesundheitliche Eignung gem. § 3 Abs.1 Z 3 FSG) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

     1. die Lenkberechtigung zu entziehen; oder

     2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

 

Nach Abs.4 ist dabei vor ... der Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 ... einzuholen."

 

Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen (§ 8 Abs.2 FSG).

 

Gemäß § 11 der FSG-GSV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden. Zuckerkranken, die mit Insulin behandelt werden müssen, darf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nur in außergewöhnlichen, durch die Stellungnahme eines zuständigen Facharztes begründeten Fällen und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt oder belassen werden.

 

Im vorliegenden Falle ist nun zu prüfen, ob beim Berufungswerber eine fortschreitende Erkrankung, welche eine Einschränkung der Lenkberechtigung begründen würde, vorliegt. Fortschreitende Erkrankungen werden im § 3 Abs.5 FSG‑GV allgemein geregelt, Bestimmungen zur Zuckerkrankheit finden sich in § 11 FSG‑GV. Hinsichtlich fortschreitender Erkrankungen enthält die Bestimmung des § 11 FSG‑GV keine vom § 3 Abs.5 FSG‑GV abweichende Spezialbestimmung.

 

Diesbezüglich hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (Änderung vom 26.1.2005) in einem Durchführungserlass hingewiesen, dass keine allgemeine Notorietät dahingehend besteht, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit (auch nicht im Falle eines insulinabhängigen Diabetes mellitus) mit einer Verschlechterung gerechnet werden muss, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließt oder einschränkt.

Der amtsärztliche Sachverständige hat darzulegen, ob und warum im konkreten Fall mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden (bzw. einschränkenden) Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen zu rechnen ist, wobei dies grundsätzlich sogar auch auf jene Fälle zutrifft, wo es bereits zu Sekundärschäden gekommen ist. Umso mehr muss dies für den vorliegenden Fall ohne festzustellende Diabetesschäden gelten.

Um eine bloß befristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar noch in ausreichendem Maße, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Der bloße Hinweis auf einen "grundsätzlich progredienten Verlauf" der Grunderkrankung reicht nicht aus, um die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen (VwGH 15.09.2009, 2007/11/0043, mit weiteren Hinweisen).

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Auch diesbezüglich wäre also zu begründen, warum eine konkrete Verschlechterung zu erwarten ist (VwGH 15.09.2009, 2007/11/0043, mit weiteren Hinweisen).

Im vorliegenden Falle hat der Amtsarzt die Befristung auf 5 Jahre sowie die angeführten Kontroll- und Nachuntersuchungen zwecks "rechtzeitiger Erfassung einer ev. eignungseinschränkenden oder gar ausschließenden Krankheitsverschlechterung" empfohlen. Woraus sich diese Verschlechterungen konkret ergeben könnten und in welchem Zeithorizont mit diesen zu rechnen sei, wurden weder im Gutachten noch in der ergänzenden Stellungnahme vom 25.10.2010 ausgeführt. Wohl hat der Amtsarzt erläutert, dass die beim Berufungswerber vorliegenden Erkrankungen fast durchwegs mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zukünftig zu Verschlechterungen führen. Es konnte von ihm jedoch nicht konkret dargelegt werden, warum es sich auch im vorliegenden Falle um eine fortschreitende Erkrankung iSd § 3 Abs.5 FSG-GV handeln könnte bzw. auf welche bestimmte Zeit die gesundheitliche Eignung noch in ausreichendem Maß gegeben sein wird. Es konnte (offenbar auch vom amtsärztlichen Sachverständigen) nicht festgestellt werden, inwieweit die getroffenen allgemeinen Aussagen auch auf den Berufungswerber zutreffen bzw. warum davon auszugehen ist, dass auch seine Krankheit den sich mit "erhöhter Wahrscheinlichkeit" ergebenden Verlauf nehmen wird.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt – insbesondere auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin vom 24.6.2010, laut welchem aus internistischer Sicht derzeit kein Einwand zur Erteilung einer Lenkberechtigung besteht - daher die Auffassung, dass das Gutachten des Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Linz als Begründung für die als notwendig erachtete Anordnung der Kontrolluntersuchung zu wenig Aussagekraft hat. In diesem Sinne konnte der Berufung teilweise Folge gegeben werden.

Bezüglich der Auflage, eine Brille, mit der die erforderliche Sehschärfe erreicht wird, zu tragen, ist dies insbesondere auch auf den vorliegenden augenfachärztliche Befund zu stützen und wird die Berufung in diesem Punkt daher abgewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 24,00 Euro angefallen.

 

Mag. Kisch

 

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