Linz, 17.01.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RA Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 30.11.2010, Zl.: VerkR96-48418-2009-A/Pi, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden ermäßigt wird.
II. Die Kosten für das erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigen sich demnach auf 10 Euro.
Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen:
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).
4. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte angesichts des Ergebnisses der im Vorfeld einer Berufungsverhandlung bereits aktenkundigen Fakten und dem darauf gewährten Parteiengehör, in Verbindung mit der Mitteilung vom 17.1.2011 auf eine Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtet wurde, unterbleiben.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Eingangs ist festzustellen, dass der Behörde erster Instanz in deren Rechtsausführungen im vollem Umfang zu folgen ist.
Insbesondere ist sie mit ihren Hinweisen auf die Judikatur im Recht.
Die Berufungsbehörde verwies auch im Rahmen des Parteiengehörs auf diesbezüglich klare Judikatur, wonach gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960, die in Abs.1 genannten Personen - diese sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen - die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen haben. Eine solche Verständigung darf unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben (VwGH 23.7.1999, 99/02/0087);
Sinn der Verständigungspflicht des § 4 Abs. 5 StVO ist es, gerade im Falle, dass ein gegenseitiger Identitätsnachweis zwischen den Beteiligten an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden - aus welchen Gründen auch immer - nicht zu Stande gekommen ist, den/die Unfallbeteiligten in die Lage zu versetzen, durch Nachfrage bei der Polizei die Daten des Unfallgegners für einen allfälligen Schadenersatz in Erfahrung zu bringen (VwGH 11.5.2004, 2004/02/0064).
Gegen dieses Schutzziel wurde vom Berufungswerber, wie dieses aufwändig geführte Verfahren geradezu illustrativ aufzeigte und selbst vom Berufungswerber die unterbliebene Meldung mit Blick auf vermeintliche Kosten dezidiert eingeräumte, klar zuwider gehandelt. Das dieses von bloß geringem Verschulden umfasst war und sich der Berufungswerber angesichts des wohl unverständlich unkooperativen Verhaltens seines Unfallgegners diesbezüglich über die gebotene Verhaltensweise nicht gänzlich im Klaren gewesen sein mag, ist wohl bei der Verschuldensprüfung von Relevanz, entschuldigt aber in der Sache nicht.
Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Als Verkehrsunfall gilt jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.4.2001, 99/02/0176 u.a.).
Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt – da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367, VwGH 14.09.1983, 82/03/0144). Selbst eine nach dem Unfall dem Zulassungsbesitzer des gegnerischen Fahrzeuges erfolgte fernmündliche Bekanntgabe des Namens und Anschrift des Lenkers ist kein Nachweis der Identität gemäß § 4 Abs.5 StVO (VwGH 24.2.1982, 3848/80 mit Hinweis auf VwGH 8.4.1964, 895/63, VwSlg 6291 A/1964 und VwGH 22.9.1969, 275/69, VwSlg 7640 A/1969).
Zum Nachweis der Identität erfordert die gesetzliche Bestimmung vielmehr, dass die Identität durch Vorweisung amtlicher Unterlagen nachgewiesen wird (VwGH 22.9.1969, 0275/69).
Der Beschwerdeführer irrt daher, wenn er der Auffassung nachzuhängen schien, bei nur einseitigem Identitätsnachweis treffe die Meldepflicht des § 4 Abs.5 StVO 1960 nur denjenigen, der seine Identität nicht nachgewiesen hat (s. insb. VwGH 30.4.1992, 92/02/0101).
Wenn demnach der Unfallgegner dies verhinderte bleibt offenbar nur der Weg zur nächsten Polizeidienststelle um den Pflichten nach einem Verkehrsunfall nachzukommen.
Ob diese Rechtsauslegung als praxisnah zu bezeichnen ist hat dahingestellt zu bleiben.
Übersehen wird vom Berufungswerber jedoch offenkundig auch, dass es nicht Aufgabe dieses Verfahrens sein kann die Verschuldensfrage des Verkehrsunfalls zu klären. Seine umfassend gestellten und von der Behörde erster Instanz in deren Bescheidbegründung wieder gegebenen Beweisanträge lassen auf die diesbezüglich ebenfalls irrige Rechtsansicht des Berufungswerbers schließen. Vor allem ist unerfindlich in welchem Zusammenhang er die hier nicht verfahrensgegenständliche Frage des an ihm negativ verlaufenen Alkotests betreffenden Beweisanträge erledigt sehen will. Darin könnte allenfalls eine Beschwerde über das Verhalten des Meldungslegers erblickt werden. Darüber ist jedoch nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu befinden.
Letztlich wurde hier seitens der Rechtsvertreterschaft die Berufung im Ergebnis auf das Strafausmaß und die Lösung der Rechtsfrage eingeschränkt.
6. Zur Strafzumessung:
Grundsätzlich ist auch diesbezüglich auf die rechtlichen Ausführungen der Behörde erster Instanz zu verweisen. Das Verschulden kann hier jedoch als geringfügig bezeichnet werden, weil der Berufungswerber offenkundig zum Identitätsnachweis offensiv bereit gewesen wäre. Das es dazu nicht gekommen mag durchaus in der unsachlichen Haltung seines Unfallgegners begründet gewesen sein. Sein Verschulden kann daher als hinter jenem Umfang, welcher typischer Weise mit einer Unterlassung dieser Verpflichtung einhergeht, zurückbleibend angesehen werden. Dennoch sind aber für den Unfallgegner und – wie insbesondere dieses Verfahren zeigt – die mit der Unterlassung verbundenen Folgen als doch recht gravierend zu bewerten.
Auch die Länge des Verfahrens von zwischenzeitig immerhin 1 ½ Jahren kann hier ebenfalls schon als Strafmilderungsgrund ins Treffen geführt werden.
Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Rechtsmittelwerber relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005).
Nicht eine Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR). Für die bloße Befragung des Unfallgegners hätte es nicht 1 ½ Jahren bedurft. Die Erlassung der Strafverfügung erst vier Monate nach dem Vorfall ist auch nicht gerade als zügig zu bezeichnen.
Unter all diesen Aspekten scheint hier auch mit der Geldstrafe von € 100,-- das Fehlverhalten schuldangemessen geahndet. Auf das nunmehr mit 1.500 Euro bezifferte Einkommen wurde ebenfalls Bedacht genommen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r