Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300984/6/BMa/Th

Linz, 31.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X vom 13. Dezember 2010, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 30. November 2010, S-19.040/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG (LGBl. Nr. 36/1979 idF LGBl. Nr. 77/2007), zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 eingestellt.

 

  II.      Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2010, iVm §§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2010

zu II.: § 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 09.03.2010 um 21.00 Uhr in Linz, Stockbauernstraße, vor der Einfahrt zur Landessportschule Linz den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie gegenüber den anwesenden Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger, den sog. "Stinkefinger" gezeigt und die Zunge herausgestreckt haben.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 1 Abs.1 Oö. Pol. StG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von         falls diese uneinbringlich ist,         Gemäß

                            Ersatzfreiheitsstrafe von

70 Euro                                   48 Stunden                                         § 10/1/a Oö. Pol. StG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

7 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

            77 Euro."

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 6. Dezember 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 13. Dezember 2010, die am selben Tag zur Post gegeben wurde.

 

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Einsicht genommen in den vorgelegten Verwaltungsakt und am 28. Jänner 2010 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Vertreter der belangten Behörde, Mag. X gekommen ist. Als Zeuge wurde Insp. X einvernommen.

 

 

 

 

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

 

Am 9. März 2010 um 21.00 Uhr waren Fans eines Fußballspiels vor der Einfahrt zur Landessportschule Linz – Stockbauernstraße unterwegs. Diese Fans wurden von einer Gruppe von Polizisten beobachtet. X, der sich ebenfalls dort befand, hat um 21.00 Uhr den im Dienst befindlichen Beamten den linken Mittelfinger gezeigt und dabei die Zunge herausgestreckt. Das gleiche Verhalten hat er am 9. März 2010 um 21.10 Uhr etwa 100 m nach der Einfahrt zur Landessportschule Linz wiederum gezeigt.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass außer den im Dienst befindlichen Beamten, die alle an dieser Amtshandlung beteiligt waren, weitere Personen das Verhalten des X wahrgenommen haben und daran Anstoß genommen hätten.

 

3.2. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und den glaubwürdigen Aussagen des Insp. X anlässlich der mündlichen Verhandlung am 28. Jänner 2009, die auch mit den Angaben in der Berufung nicht in Widerspruch stehen.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Pol. StG begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs.1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

In diesem Sinne wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen.

 

Wie der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom 25. November 1991, 91/10/0207, ausgeführt hat, ist das Tatbild der "Ordnungsstörung" durch zwei Elemente gekennzeichnet:

Zum ersten muss der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen.

Zum zweiten muss durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Die Beurteilung, ob einem Verhalten die objektive Eignung zur Ärgerniserregung zukommt, ist nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden; von einem Ärgernis wird man dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen (dem Täter zur Schande Gereichenden) hervorzurufen geeignet ist. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört ist, ist es erforderlich, dass dieses unmittelbar oder mittelbar die Schaffung eines Zustandes zur Folge hat, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, also eines Zustandes, der die gewöhnlichen Verhältnisse in wahrnehmbarer Weise negativ verändert. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört worden ist, ist es nicht erforderlich, dass das Verhalten zu Aufsehen oder zu einem Zusammenlauf von Menschen führt. Es genügt viel mehr, dass etwa mehrere Personen an dem Verhalten Ärgernis genommen haben. Das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung ist nur verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar betroffenen und den intervenierenden Gendarmeriebeamten wahrgenommen werden konnten. 

Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wurde in keiner Weise darauf eingegangen, ob der Vorfall von weiteren Personen wahrgenommen werden konnte und es wurden weitere Personen auch nicht in der Begründung angeführt. Vielmehr wurde nach den Feststellungen der belangten Behörde das dem Bw zur Last gelegte Verhalten nur von den Polizeibeamten wahrgenommen.

 

Auch in der mündlichen Verhandlung vom 28. Jänner 2010 konnte nicht festgestellt werden, dass das Verhalten von anderen Personen als den intervenierenden Polizeibeamten wahrgenommen werden konnte.

 

Zwar ist die vorzitierte Judikatur zur alten Rechtsvorschrift des Artikel 9 Abs.1 Z1 EGVG ergangen, diese ist aber auch auf den Gesetzestext des § 1 Abs.1 Oö. Pol. StG anwendbar.

 

Die belangte Behörde hat den Sachverhalt, der für die Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 1 Oö. Pol. StG erforderlich ist, nicht im Sinne des § 44a Z1 VStG anhand der Umstände des Einzelfalls ausreichend konkretisiert. Im Bezug auf das wesentliche Kriterium der Öffentlichkeit sind nur die verba legalia (arg.: "den öffentlichen Anstand verletzt") angeführt, ohne die öffentliche Art und Weise der Begehung nachvollziehbar zu umschreiben.

 

Es konnte aufgrund der durchgeführten Ermittlungen nicht bewiesen werden, dass das Verhalten des Bw von anderen als den intervenierenden Polizisten wahrgenommen werden konnte.

 

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels zutreffend angelasteter Anstandsverletzung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-300984/6/BMa/Th vom 31. Jänner 2011:

siehe VwSen-300833/2/BMa/Se vom 15.10.2008

 

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