Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231146/3/WEI/Sic/Ba

Linz, 02.02.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, armenischer Staatsangehöriger, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. August 2010, Zl. S - 24.573/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

zu II: § 66 Abs 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. August 2010 wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie am 14.04.2010, um 18.10 Uhr anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 23.02.2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu 6 Monaten sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG" als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

1.2. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw mangels österreichischer Staatsbürgerschaft ein Fremder iSd Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG und halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Vom Fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Linz wurde mit Bescheid vom 29. Juni 2010 gegen den Bw die Ausweisung angeordnet. Durch die Erhebung der Berufung gegen den Ausweisungsbescheid habe er keinen Aufenthaltstitel erworben. Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Verwaltungsstrafverfahrens sei festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits eindeutig entschieden habe, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig sei. Insbesondere würden auch Anträge nach § 44 Abs. 3 und 4 NAG kein Aufenthalts- und Bleiberecht begründen.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw am 2. September 2010 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 7. September 2010 und damit rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung. Der Bw beantragt darin, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu von einer Strafverhängung abzusehen.

Begründend stellt der Bw zunächst fest, dass er zum Zeitpunkt 13. April 2010 über eine aufrechte Beschäftigungsbewilligung verfügt habe. Er legt dazu den Bescheid des AMS X vom 3. November 2009, Zl. X/ABB-Nr. X, vor, aus dem sich ergibt, dass der X X X GmbH die Beschäftigungsbewilligung für den Bw als Raumpfleger für die Zeit vom 4. November 2009 bis 3. November 2010 erteilt bzw verlängert worden ist.

Weiters ergebe sich eine Aufenthaltsberechtigung aus den Gründen des § 31 Abs. 1 Z 7 FPG, nämlich aus § 44 Abs 3 NAG in Zusammenschau mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH).

Gemäß Beschluss des VwGH zu Zl. AW 2009/21/0149-5 vom 14. September 2009 sei selbst bei Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung eine Abschiebung unzulässig, solange eine behördliche Entscheidung über einen auf §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 3 bzw. 44 Abs. 4 NAG gestützten Antrag noch nicht erfolgte. Den Antragstellern komme durch eine solche Antragstellung quasi eine aufschiebende Wirkung zu.

Nach dem  negativem Abschluss seines Asylverfahrens habe der Bw schon am 9. März 2010 einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" gemäß § 44 Abs 3 NAG (laut Fremdeninformationsdatei § 44 Abs 4) gestellt. Es wäre daher keine Strafbarkeit gegeben. Die Begründung der Behörde sei nicht zutreffend bzw. nachvollziehbar. Die Behörde hätte allenfalls von unbedeutenden Folgen der Tat ausgehen müssen. Zudem sei gegen den Ausweisungsbescheid vom 30. Juni 2010 rechtzeitig Berufung erhoben worden, über die bisher nicht entschieden worden sei.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat ihren Verwaltungsstrafakt, Zl. S-24.573/10-2, samt Berufungsschrift - ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 29. September 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche   S a c h v e r h a l t:

Der Bw, ein Staatsangehöriger von Armenien, reiste im Jahr 2002 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit 22. Februar 2010 rechtskräftig abgewiesen wurde. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz hatte er laut Fremdeninformationsdatei seit 1. August 2002.

Die Polizeiinspektion Ottensheim erstattete am 14. April 2010 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtskräftig negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhielte bzw. nur eine Aufenthaltsberechti­gungskarte mitführte.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte den Bw mit Schreiben vom 22. Juni 2010 zur Rechtfertigung auf, wobei ihm vorgeworfen wurde, sich seit 23. Februar 2010 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten. Mit Stellungnahme vom 30. Juni 2010 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in der Berufung.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Die Bundespolizeidirektion Linz ordnete mit Bescheid vom 29. Juni 2010, Zl. 1014256/FRB/10 die Ausweisung des Bw aus dem Bundesgebiet an, da er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Diesen Ausweisungsbescheid hat der Bw mit Berufung an die Sicherheitsdirektion vom 14. Juli 2010 bekämpft.

Der Bw hat am 9. März 2010 (ca. 2 Wochen nach dem die negative Asylentscheidung rechtskräftig wurde) aus humanitären Gründen einen Antrag auf Erteilung einer quotenfreien Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs 4 NAG beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gestellt. Über diesen Antrag wurde bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht entschieden.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG (BGBl. I. Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.     wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.     wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.     wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufent­haltstitels sind;

4.     solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.     soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischen­staatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6.     wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäfti­gungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.     soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.2. Bis zur rechtskräftig negativen Abweisung seines Asylantrags am 22. Februar 2010, war der Bw aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Aufenthalt des Bw seit dem 23. Februar 2010 lässt sich jedoch auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen. Auch begründet nach § 44b Abs 3 NAG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009) der Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Damit hat der Bw objektiv tatbestandsmäßig gehandelt, woran auch der noch nicht rechtskräftige Ausweisungsbescheid nichts ändert.

4.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehor­samsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung des Antrags auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung am 9. März 2010 vor.

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs 4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungsgerichtshof begründend aus:

"§44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits - wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist - aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' - auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) - völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge - u.a. - nach § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen und woraus sich ergibt, dass gegen Antragsteller nach dieser Bestimmung eine Ausweisung zulässig ist, kann demnach nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Drittstaatsangehöriger während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder bei Bestehen einer Ausweisung - abgeschoben werden könnte."

Dieser Rechtsansicht folgend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs 2, 44 Abs 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten sei, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen. Der Antragsteller darf daher während dieses Verfahrens grundsätzlich nicht abgeschoben werden.

4.4. Dem Bw kann ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, weil dem vom Verwaltungsgerichtshof postulierten "Bleiberecht nach dem NAG" zwangsläufig auch ein über den Abschiebeschutz hinausgehender Inhalt zukommt. Für den Bw liegt nämlich eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat. Der Antrag wurde auch nicht offenkundig unrechtmäßig gestellt, zumal jedenfalls die Voraussetzungen des § 44 Abs 4 Z 1 und 2  NAG erfüllt scheinen: Der Bw ist seit 2002 (vorläufige Aufenthaltsberechtigung lt. FI seit 01.08.2002) durchgängig im Bundesgebiet aufhältig und dieser Aufenthalt war zum Großteil aufgrund des anhängigen Asylverfahrens auch rechtmäßig.

Da der Bw im vorliegenden Fall ab dem 9. März 2010 berechtigter Weise davon ausging, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen, kann ihm jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Schuldvorwurf gemacht werden. Daran ändert auch der Ausweisungsbescheid vom 29. Juni 2010 nichts. Was den übrigen Zeitraum vom 23. Februar bis zum 9. März 2010 betrifft, vertritt der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht, dass den Bw insoweit ebenfalls kein Verschulden trifft, weil es dem Bw auch nicht zumutbar war, noch am selben Tag, mit dem die Abweisung des Asylantrages rechtskräftig wurde, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Vielmehr muss ihm auch zur Erfüllung der Ausreiseverpflichtung ein gewisser angemessener Zeitraum zur Regelung seiner Verhältnisse und zum Organisieren der Ausreise zugebilligt werden. Innerhalb dieser angemessenen Zeit kann der Bw auch einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung einbringen. Da der Bw gegenständlich innerhalb der kurzen Frist von bloß 15 Tagen einen solchen Antrag gestellt hatte, war nicht davon auszugehen, dass er den Zeitraum einer angemessenen Überlegungsfrist überschritten hat.

Damit liegt für den gesamten Tatzeitraum vom 23. Februar 2010 bis zum 18. August 2010 kein Verschulden des Bw vor, weshalb der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Das Strafverfahren gegen den Bw war gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil entschuldigende Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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