Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231222/2/SR/Sta

Linz, 31.01.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, pakistanischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwältin x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 30. Dezember 2010, Zl. 2-S-10.254/10/S, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz (FPG), zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 66. VStG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 30. Dezember 2010, Zl. 2-S-10.254/10/S, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie sind Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 und haben sich im Zeitraum von 21.10.2009 bis 14.5.2010 im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten, da Sie laut Anzeige des Fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Wels vom 14.5.2010 weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt waren, nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels waren, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukam und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz waren."

 

Dadurch habe der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 FPG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe von 1.000,-- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen, verhängt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass dem Bw mit Ladungsbescheid vom 26. Mai 2010 die Tat vorgeworfen und diesbezüglich das Parteiengehör gewahrt worden sei. In diesem Schreiben lautete der Tatvorwurf: "Sie halten sich, wie laut Anzeige des Fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Wels vom 14.5.2010 festgestellt wurde, seit 21.10.2009 nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl am 21.10.2009 rechtskräftig abgewiesen wurde und Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind."

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw Fremder im Sinne des Fremdengesetzes sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG. Überdies würden nur Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG einen Aufenthaltstitel darstellen, wenn diese für einen Zeitraum von nicht länger als 6 Monaten ausgestellt wurden. Der Bw halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Im Verfahren vermeinte der Bw, dass er sich nicht unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, da im Asylverfahren keine Ausweisung erlassen worden wäre. Der Bw gehe seit Jahren einer geregelten Tätigkeit als Zeitungskolporteur nach und könne sich seinen Lebensunterhalt selbständig verdienen.

Bei der Bemessung der Strafe habe die belangte Behörde auf § 19 VStG Bedacht genommen. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden; straferschwerende Umstände seien nicht hervorgekommen. Die Anwendung des § 21 VStG sei nicht in Betracht gekommen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen seien.

2. Gegen dieses der Rechtsvertreterin des Bw am 3. Jänner 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 17. Jänner 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

In der Begründung führte die Rechtsvertreterin nach einer umfassenden Darstellung des Privat- und Familienlebens des Bw aus, dass ihn kein Verschulden an der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung treffe. Der negative Ausgang des Asylverfahrens sei nicht vorhersehbar gewesen. Jedenfalls habe er unmittelbar nach Abschluss des Asylverfahrens einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei noch keine Ausweisungsentscheidung gegen ihn vorgelegen. Mittlerweile sei das Ausweisungsverfahren bei der Sicherheitsdirektion Oberösterreich anhängig. Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes, seiner Integration, seines Familienlebens, seiner Sprachkenntnisse und seiner beruflichen Tätigkeit in Österreich könne der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht von vornherein als offensichtlich aussichtslos eingestuft werden. Es müsse ihm daher das Abwarten der Entscheidung im Inland zugebilligt werden. Diese Ansicht werde auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt. Da dem Bw ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden könne, liege auch keine Verwaltungsübertretung vor.

Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt beantragt die Rechtsvertreterin die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

3. Die Bundespolizeidirektion Wels hat den Verwaltungsstrafakt Zl. 2-S-10.254/10/S samt Berufungsschrift vorgelegt.

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt. Da im Verfahren bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Verwaltungsakt aufzuheben ist, entfiel gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Wesentlichen unwidersprochen gebliebenen -  unter den Punkten 1 und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

4.  Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind; sofern sie während des Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen,

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (aufgehoben, BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der vorgeworfene Tatzeitraum laut Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses von 21. Oktober 2009 bis 14. Mai 2010 erstreckt. Die Bescheiderlassung erfolgte mit 3. Jänner 2011.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung
(§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß Abs. 2 leg. cit. 6 Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

4.3. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das Ende des strafbaren Verhaltens mit 14. Mai 2010 festgelegt.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Verfolgungshandlung unter den Gesichtspunkten des § 44a VStG entsprechend konkretisiert sein.

 

Als erste Verfolgungshandlung ist fraglos der Ladungsbescheid vom 26. Mai 2010 zu werten. Darin lautete der Tatvorwurf: "Sie halten sich, wie laut Anzeige des Fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Wels vom 14. Mai 2010 festgestellt wurde, seit 21. September 2009 nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl am 21. Oktober 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde und Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind." Die Tatanlastung in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. Juni 2010 ist ident mit jener vom 26. Mai 2010 im angesprochenen Ladungsbescheid.

 

4.4. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Fall einer Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes – wie im vorliegenden Fall – die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FrG bzw. FPG genannten Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2007/21/03/03). Ein Spruch eines Straferkenntnisses, der diesen Anforderungen nicht genügt, entspricht nach diesem Erkenntnis nicht dem Maßstab des § 44a VStG.

 

4.5. Im Sinne der oa. Judikatur wird deutlich, dass die im Ladungsbescheid und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vorgeworfene Tat nicht den Erfordernissen einer ausreichenden Konkretisierung entsprechen. Bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte diese Konkretisierung nicht. Von einer dem Konkretisierungsmaßstab genügenden Tatumschreibung ist also erst mit 30. Dezember 2010 (Abfertigung des Straferkenntnisses) auszugehen.

 

Dieser Zeitpunkt wiederum liegt aber außerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, die sich lediglich bis Ablauf des 14. November 2010 erstreckte.

 

4.6. Es war daher der Berufung stattzugeben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den § 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde, noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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