Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231214/2/Fi/Fl/Ga

Linz, 25.01.2011

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung der X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion der Stadt Wels vom 28. Dezember 2010, GZ 2-S-12.406/10/S, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

        

          Der Berufungswerberin wird unter Hinweis auf ihr rechtswidriges und schuldhaftes Verhaltens vom 4. Dezember 2009 bis zum
3. Jänner 2010 eine Ermahnung erteilt
.

II.              Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 21, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion der Stadt Wels (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28. Dezember 2010, GZ 2-S-12.406/10/S, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG 2005) verhängt.

Der Bw wird vorgeworfen, wie vom fremdenpolizeilichen Referat der belangten Behörde am 11. Juni 2010 festgestellt worden sei, Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG 2005 zu sein, und sich von 4. Dezember 2009 bis 11. Juni 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten zu haben. Dies deshalb, weil die Bw weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: NAG) noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, kein vom Vertragsstaat ausgestellter Aufenthaltstitel gegeben sei, bzw. der Bw eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme. Ebenfalls habe sie keine Beschäftigungsbewil­ligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbe­schäftigungsgesetz inne.

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Tat durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Bediensteten des fremdenpolizeilichen Referats der belangten Behörde und der hierüber vorgelegten Anzeige vom
11. Juni 2010 sowie aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen sei. Hiebei wird u.a. darauf hingewiesen, dass weder durch die Erhebung einer Berufung gegen einen Ausweisungsbescheid ein Aufenthaltstitel noch durch die Stellung eines Antrages gemäß § 44 Abs. 4 NAG ein Aufenthalts- oder Bleiberecht erworben werde. Die Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bw am 30. Dezember 2010 zugestellt wurde, richtet sich die am 13. Jänner 2011 bei der belangten Behörde eingelangte – und damit jedenfalls rechtzeitige – Berufung vom 12. Jänner 2011, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 13. Jänner 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt die Bw im Wesentlichen aus, dass sie einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG gestellt habe und sie die Entscheidung über diesen – über den noch nicht rechtskräftig entschieden wurde – im Inland abwarten dürfe. Die Bw bestreite nicht, dass der Straftatbestand des § 120 Abs. 1 Z 2 FPG 2005 iVm § 31 Abs. 1 FPG 2005 erfüllt sei, weise aber darauf hin, dass ihr die Tat subjektiv nicht vorwerfbar sei, sodass keine Verwaltungsübertretung vorliege. Die Bw stelle daher den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstbehörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und im Wesentlichen nur Rechtsfragen zu klären waren, konnte gemäß § 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG) von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Aus den angeführten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Die Bw ist X Staatsbürgerin. Die Bw reiste am 18. Mai 2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23. Mai 2003 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 9. Juli 2003 gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 negativ beschieden. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 10. September 2009 abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom
1. Dezember 2010 ab.

Am 4. Jänner 2010 stellte die Bw bei der zuständigen Niederlassungsbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juli 2010 wurde die Ausweisung der Bw gemäß § 53 FPG 2005 ausgesprochen. Gegen diesen Bescheid erhob die Bw Berufung an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich.

Die Bw hält sich - im vollen Wissen über diesen Umstand - ohne eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem NAG noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene im Bundesgebiet auf. Die Bw ist nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, ihr Asylantrag wurde negativ beendet, und sie ist nicht Inhaberin einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2. Gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 FPG 2005, BGBl. I 100 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit näher festgelegter Geldstrafe, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG 2005 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG 2005 definiert Fremde als Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

3.3.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass die Bw nicht österreichische Staatsangehörige und somit Fremde im Sinne des FPG 2005 ist. Unstrittig ist ebenfalls, dass die Bw über keinen der in § 31 Abs. 1 Z 2-4 und 6 FPG 2005 genannten Aufenthaltstitel verfügt.

Der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts ist daher zweifellos als erfüllt anzusehen.

3.3.2. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist § 120 FPG 2005 als Unge­horsamsdelikt im Sinne des § 5 VStG anzusehen, da zur Vollendung der Tat kein Erfolg eintreten muss. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwal­tungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwal­tungs­übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und die Täterin nicht glaubhaft macht, dass sie an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat die Bw initiativ alles darzu­legen, was für ihre Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Die Bw hat in dieser Hinsicht nichts vorbringen können, was ihre Verantwortung für die Verwaltungsübertretung hindern würde. Auch auf der Verschuldensebene teilt der Unabhängige Verwaltungssenat damit im Ergebnis die Ansicht der belangten Behörde.

3.3.3. Bezüglich des vorgeworfenen Tatzeitraumes gilt es allerdings, die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu beachten. Mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass aus dem Recht zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung "zwingend das Recht abzuleiten [ist], die Entscheidung im Inland abwarten zu dürfen". Wenn es im genannten Erkenntnis zwar nicht um die Strafbarkeit des Beschwerdeführers, sondern um die Rechtmäßigkeit der Ausweisung desselben ging, ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des Gerichtshofes doch auch auf Strafverfahren umzulegen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass ab dem Zeitpunkt der (zulässigen) Beantragung einer humanitären Niederlassungsbewilligung kein Verschulden der Bw hinsichtlich eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vorliegt. Wenn die Bw nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Erledigung ihres Antrages im Inland abwarten darf, dürfte eine Bestrafung dieses Verhaltens den Grundsätzen des Rechtsstaates wohl widerstreiten.

3.3.4. In concreto hat die Bw am 4. Jänner 2010 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingebracht. Ab Antragstellung ist der Bw somit das inkriminierte Verhalten nicht mehr subjektiv vorwerfbar.

Der Tatzeitraum, der der Bw von der belangten Behörde angelastet wurde, reicht vom 4. Dezember 2009 bis zum 11. Juni 2010. Wie unter Punkt 3.3.3. dargelegt, hätte die belangte Behörde jedoch aufgrund der Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG am 4. Jänner 2010 den Tatzeitraum entsprechend zu beschränken gehabt. Was den übrigen vorgeworfenen Tatzeitraum – 4. Dezember 2009 bis zum 3. Jänner 2010 – betrifft, ist das Verhalten der Bw vorwerfbar.

3.4. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden der Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten der Täterin hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Norm bleibt das tatbildliche Verhalten hier in einem Ausmaß zurück, das – gerade noch – die Anwendbarkeit des § 21 VStG rechtfertigt, bedenkt man, dass die Bw kurz nach der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylantrages einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG stellte.

Es bedurfte daher aus Gründen der Spezialprävention keiner Geldstrafe und konnte mit einer Ermahnung unter Hinweis auf die Rechtswidrig- und Schuldhaftigkeit ihres Verhaltens das Auslangen gefunden werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte daher von der Verhängung einer Strafe abzusehen und die Ermahnung auszusprechen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Johannes Fischer

 

 

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