Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165311/8/Zo/Jo

Linz, 13.01.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der X, vertreten durch X, vom 05.08.2010 gegen die Punkte 2), 3) und 4) des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 13.07.2010, Zl. VerkR96-10464-2009, wegen Übertretungen des KFG und des FSG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11.01.2011 und sofortiger Verkündung der Entscheidung zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung gegen die Punkte 2), 3) und 4) des Straferkenntnisses wird stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.          Bezüglich der Punkte 2), 3) und 4) des Straferkenntnisses entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat der Berufungswerberin in den angefochtenen Punkten des Straferkenntnisses vorgeworfen, dass sie am 11.10.2009 um 15.10 Uhr das Kraftrad mit dem Kennzeichen X, Aprilia, in Ostermiething auf der L 501 bei km 32,225 gelenkt habe, wobei mit diesem Kraftfahrzeug eine Geschwindigkeit von 76 km/h erreicht werden konnte. Dieses Fahrzeug gelte daher nicht mehr als Motorfahrrad sondern als Kleinmotorrad, weshalb

sie das Kraftfahrzeug verwendet habe, obwohl es nicht richtig zum Verkehr zugelassen war;

sie das Kraftrad verwendet habe, obwohl die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht bestanden habe;

sie das Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl sie nicht im Besitz einer Lenkberechtigung für Motorräder gewesen sei.

 

Die Berufungswerberin habe dadurch zu 2) eine Verwaltungsübertretung nach § 36 lit.a KFG, zu 3) eine solche nach § 36 lit.d KFG sowie zu 4) eine Übertretung des § 1 Abs.3 FSG begangen, weshalb Geldstrafen in Höhe von zweimal 45 Euro gemäß § 134 Abs.1 KFG bzw. von 181,50 Euro (zu 4)) gemäß § 37 Abs.1 FSG verhängt wurden. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages (bezüglich dieser Punkte) in Höhe von 27,15 Euro verpflichtet.

 

Anzuführen ist, dass die Berufungswerberin auch wegen Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit im Ortsgebiet sowie wegen Nichtmitführen des Mopedausweises bestraft wurde (Punkte 1) und 5) des Straferkenntnisses). Diese Punkte wurden nicht bekämpft.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin zusammengefasst aus, dass es richtig sei, dass sie eine Geschwindigkeit von 76 km/h eingehalten habe. Diese Geschwindigkeit habe sie aber nur deshalb erreichen können, weil die Straße in diesem Bereich ein erhebliches Gefälle aufweise. In diesem Bereich könne man sogar mit einem Rennrad die gleiche Geschwindigkeit erreichen. Sie habe die Geschwindigkeit von 76 km/h daher nicht wegen einer technischen Manipulation am Motorfahrrad erreicht, sondern ausschließlich wegen des Gefälles. Das Motorfahrrad weise lediglich eine Bauartgeschwindigkeit von 48 km/h auf, was auch wenig später durch eine Überprüfung bei der Landesregierung festgestellt worden sei. Die Behörde hätte dazu ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. Jänner 2011. An dieser haben die Berufungswerberin, ihr Vater und ihr Rechtsvertreter teilgenommen und es wurde ein Sachverständigengutachten erstellt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin lenkte zur Vorfallszeit das angeführte Kraftfahrzeug auf der L 501. Diese Straße weist in Annäherung an die Messstelle vorerst auf einer Länge von ca. 300 m ein Gefälle von 10 m und daraufhin auf einer Länge von ca. 150 m ein weiteres Gefälle von 10 m auf (entsprechend dem beigeschafften Ortho-Foto). Die Berufungswerberin wollte auf dieser Fahrt ausprobieren, welche Geschwindigkeit sie mit dem Kraftfahrzeug erreichen kann. Nach ihren unwiderlegbaren Angaben fuhr sie die gesamte Strecke gegenüber mit "Vollgas" und nahm eine möglichst windschlüpfrige Position ein, um eben eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen.

 

Zu der festgestellten Geschwindigkeit von 76 km/h führte der Sacherständige zusammengefasst Folgendes aus:

 

Bei der Typisierung eines Motorfahrrades darf eine Bauartgeschwindigkeit von 45 km/h nicht überschritten werden. Unter Berücksichtigung sämtlicher Messtoleranzen ist es denkbar, dass ein Motorfahrrad, welches mit einer Bauartgeschwindigkeit von 45 km/h genehmigt ist, tatsächlich eine Geschwindigkeit von 52 km/h erreichen kann. Bei der Feststellung der Bauartgeschwindigkeit wird eine normale Fahrposition eingenommen. Aus Fahrversuchen ist bekannt, dass durch das Einhalten einer aerodynamisch besonders günstigen Position eine Erhöhung der Geschwindigkeit um bis zu 6 km/h erreicht werden kann. Dies bedeutet, dass bei einem als Motorfahrrad typisierten Kraftfahrzeug auf gerader waagrechter Fahrbahn bei Windstille bei Einhaltung einer besonders windschlüpfrigen Körperhaltung eine tatsächliche Geschwindigkeit von 58 km/h erreicht werden kann.

 

Im konkreten Fall ist weiters zu berücksichtigen, dass die Fahrtstrecke der Berufungswerberin in Annäherung an die Messstelle auf einer Strecke von ca. 450 m einen Höhenunterschied (Gefälle) von ca. 20 m aufweist. Vor Beginn dieses Gefälles wird die theoretisch maximal erreichbare Geschwindigkeit von 58 km/h zugrunde gelegt, woraus sich am Ende dieser Gefällestrecke rechnerisch eine maximale Geschwindigkeit von 82 km/h ergibt. Von dieser ist jedoch wieder der Luftwiderstand abzuziehen, welcher mindestens 6 km/h betragen muss. Es ist daher aus technischer Sicht theoretisch möglich, mit dem Kraftfahrzeug in der konkreten Situation (Gefälle, besonders windschlüpfrige Haltung, maximale Beschleunigung) eine Geschwindigkeit von 76 km/h zu erreichen, obwohl mit dem selben Kraftfahrzeug auf einer geraden waagrechten Fahrbahn bei Windstille lediglich eine Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht werden kann.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 Z14 KFG gilt als Motorfahrrad ein Kraftrad mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h, dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von nicht mehr als 50 cm³ hat (Kleinkraftrad iSd Richtlinie 2002/24/EG).

 

Als Bauartgeschwindigkeit gilt gemäß § 2 Abs.1 Z37a KFG jene Geschwindigkeit, hinsichtlich der aufgrund der Bauart des Fahrzeuges dauernd gewährleistet ist, dass sie auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille nicht überschritten werden kann.

 

5.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass es unter Berücksichtigung des Gefälles sowie des nicht widerlegbaren Fahrverhaltens der Berufungswerberin (aerodynamisch besonders günstige Körperhaltung) möglich ist, dass das von der Berufungswerberin gelenkte Kraftfahrzeug auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille tatsächlich nur eine Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht, obwohl an der Messstelle unbestritten eine Geschwindigkeit von 76 km/h eingehalten wurde. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit bewiesen werden, dass beim gegenständlichen Kraftfahrzeug die Bauartgeschwindigkeit tatsächlich mehr als 45 km/h beträgt. Es kann damit auch nicht bewiesen werden, dass das konkrete Kraftfahrzeug nicht mehr als Motorfahrrad anzusehen war.

 

Da sich die Tatvorwürfe in den Punkten 2), 3) und 4) jedoch genau auf diesen Umständen gestützt haben, war der Berufung in diesen Punkten stattzugeben.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

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