Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281255/20/Kl/Pe

Linz, 31.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Michaela Bismaier, Berichterin Dr. Ilse Klempt, Beisitzer Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. x, xgasse, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 23.6.2010, Ge96-21-9-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21.10.2010 zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verhängte Geldstrafe „3 x 1.000 Euro“ und die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe „3 x 23 Stunden“ zu lauten hat und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ und die Bauarbeiterschutzverordnung – BauV mit „ BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ zu zitieren ist.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 600 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 23.6.2010, Ge96-21-9-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 3.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 iVm 118 Abs.3 ASchG iVm §§ 87 Abs.3 und 88 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x & Co GmbH mit Sitz x, x, und somit das gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten hat:

Am 29.6.2009 haben auf der Baustelle Seniorenheim x in x, drei Arbeitnehmer der Firma x & Co Gesellschaft m.b.H., Herr x, Herr x und Herr x, Zimmereiarbeiten auf der ca. 35° geneigten nord- und westseitigen Dachfläche bei einer Absturzhöhe von etwa 6 bis 8 m ohne entsprechende Schutzeinrichtungen durchgeführt. Dies obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. In der Begründung wurde im Wesentlichen mangelndes subjektives schuldhaftes Verhalten angeführt und die Strafhöhe bekämpft. Der für die Baustelle bestellte Bautechniker x sei zur Bauleitung bestellt und daher auch für die Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäß zu bewerkstelligenden Schutzeinrichtungen zuständig. Er verfügte über die erforderlichen Fachkenntnisse und Ausbildungen. Mit der Betrauung eines bisher zuverlässigen und fachlich entsprechend ausgebildeten Bautechnikers mit der Bauleitung einer Baustelle, hätte der Beschuldigte seinen gesetzlichen Verpflichtungen zur Gewährleistung der fachgerechten Installierung der gesetzlich erforderlichen Schutzeinrichtungen bzw. der diesbezüglichen Überwachung und Kontrolle vollinhaltlich entsprochen. Schulungen betreffend Arbeitnehmerschutz werden in der Regel einmal jährlich vom Zimmermeister x durchgeführt, wobei die Teilnehmer die Anwesenheit auch mit Unterschrift bestätigen müssen. Auch finden Schulungen für neue Geräte im Anlassfall statt und auch Schulungen jedes neuen Lehrlings. Allen Zimmerern werden vom Zimmermeister x die Vorschriften in schriftlicher Form übergeben und muss die Übernahme dieser Vorschriften bestätigt werden. Die vorgenannten Schulungsmaßnahmen inkludieren auch die Bestimmungen der §§ 87ff BauV. Auch gebe der Zimmermeister x den Zimmerern und Vorarbeitern entsprechende Unterweisungen, deren Einhaltung im konkreten Fall ständig von dem für die jeweilige Baustelle zuständigen jeweiligen Baustellenleiter auch tatsächlich jeweils an Ort und Stelle kontrolliert werden müsse. x sei fachlich entsprechend ausgebildet und bislang äußerst zuverlässig gewesen. Da aber auch Baustellenleiter naturgemäß nicht ununterbrochen an der von ihnen betreuten Baustelle anwesend sein können, sei ohne dies jeweils der hiefür zuständige Vorarbeiter oder Polier durchgehend anwesend und ebenfalls mit den Arbeitnehmerschutzbestimmungen vertraut gemacht. Der Vorarbeiter x habe entgegen der Anweisung des Baustellenleiters x an der gegenständlichen Dachbaustelle auf der nord- und westseitigen Dachfläche mit Arbeiten beginnen lassen, obwohl das auf der Baustelle ohnedies vorhandene Schutzgerüst (Dachfanggerüst) noch nicht von den anderen Seiten des Hauses abgebaut und an den nord- bzw. westseitigen Wänden des Hauses angebracht war. Es liegt daher kein persönliches subjektives Verschulden des Beschuldigten vor. Dass es in einem Einzelfall zum Versagen eines grundsätzlich wirksamen und bis dahin auch jeweils funktionierenden Kontrollsystem kommt, weil – wie im gegenständlichen Fall – der für die Kontrolle der Baustelle konkret zuständige Baustellenleiter x seinen Kontroll- und Überwachungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, rechtfertigt keinesfalls die Annahme eines subjektiven Verschuldens des Beschuldigten. Vielmehr habe sich der Beschuldigte auf das tadellose Verhalten des zuständigen Baustellenleiters verlassen können und war daher der Beschuldigte nicht nochmals auch selbst rechtlich verpflichtet, den für die gegenständliche Baustelle im Rahmen des betrieblichen Kontrollsystems zuständigen und bislang äußerst zuverlässigen Kontrolleur x auch selbst nochmals zu kontrollieren.

Schließlich wurde auch die Höhe der verhängten Strafe bekämpft und dazu vorgebracht, dass der Vorarbeiter entgegen den Anweisungen des Baustellenleiters mit den Arbeiten begonnen hat, obwohl noch kein Schutzgerüst aufgebaut war. Auch liege kein Wiederholungsfall vor, weil zum Tatzeitpunkt das genannte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10.11.2009 noch nicht vorgelegen habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Übertretung zu keinem Unfall geführt habe, also ohne Folgen geblieben ist.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die Zuständigkeit einer Kammer des Oö. Verwaltungssenates, zusammengesetzt aus drei Mitgliedern gemäß § 51c VStG gegeben. Die Zusammensetzung ergibt sich aus der geltenden Geschäftsverteilung.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.10.2010, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates geladen wurden und erschienen sind. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen x, x, x und x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x & Co GmbH mit dem Sitz in x, x. Als solcher ist er hauptsächlich für kaufmännische Belange und die Organisation zuständig. Seit etwa zwei Jahren ist er auch gewerberechtlicher Geschäftsführer für den Bereich Hochbau für Baumeistergewerbe. Der Betrieb ist in vier Bereiche gegliedert, nämlich in Hochbau, Tiefbau, Zimmerei und Sägewerk. Der Bw hat ca. 115 Mitarbeiter in seinem Betrieb. Dem Bw direkt unterstellt sind die Baustellenleiter. Für jede Baustelle ist ein Baustellenleiter bestellt und ist dieser für seine Baustelle vom Anfang bis zum Schluss verantwortlich. Er muss sie überwachen und auch abrechnen. Er ist auch zuständig für den Arbeitnehmerschutz. Bei dieser Tätigkeit ist er selbständig. Der Bw kontrolliert die Baustellenleiter, indem er die Abrechnungen kontrolliert, ob sie auch rechtzeitig erfolgen. Gelegentlich kontrolliert er die Baustellen vor Ort, diese im Zuge von Hochbauarbeiten, für die der Bw zuständig ist. Auf der konkreten Baustelle war der Bw nicht. Im Betrieb gibt es zehn Baustellenleiter. Alle sind technisch ausgebildet. Im Juni ist Hochsaison und laufen schätzungsweise sicher 50 Baustellen gleichzeitig. Die Baustellenleiter sind Techniker. Herr x ist HTL-Ingenieur und gelernter Zimmerer. Die Baustellenleiter sind verantwortlich für die Gerüstung, konkret für die Ausrechnung der Statik und für Anweisungen hinsichtlich der Herstellung der Gerüste. Leiter der Zimmerei ist Herr x. Er ist Zimmerermeister. Er erstellt die Angebote und teilt die Bauleiter für die Baustellen ein. Als Leiter der Zimmerei ist er auch unmittelbarer Vorgesetzter des Herrn x. Herr x als Leiter der Zimmerei ist dann direkt dem Bw unterstellt.

Herr x ist bei der Firma x & Co GesmbH seit August 2005 als Bautechniker bzw. Bauleiter beschäftigt. Seine Erfahrung hat er schon bei anderen Firmen erworben. Der Baustellenleiter hat die Holzbau-HTL besucht, bei Unternehmenseintritt zunächst mit seinem Vorgesetzten Herrn x die Baustellen gemeinsam betreut und betreut jetzt seit ca. zwei Jahren selbständig die Baustellen. Er wird von Herrn x als unmittelbaren Vorgesetzten stichprobenartig auf Baustellen kontrolliert. Auf dieser Baustelle war Herr x nicht, weil x zuständiger Baustellenleiter war und dies keine Baustelle des Herrn x war. Vor dem 29.6.2009 war dieser nicht auf der Baustelle und wurde der Baustellenleiter daher nicht kontrolliert. Er war verantwortlicher Baustellenleiter für diese Baustelle und auch dafür geschult. Er erhielt auch regelmäßig Schulungen in der Firma x. Er hat den Vorarbeiter x auch vor Beginn der Baustelle hinsichtlich Schutzeinrichtungen bei diesen Arbeiten eingeschult und ihm Anweisung gegeben, dass er vor Beginn der Arbeiten das Schutzgerüst aufstellen muss. Auch wurde Anweisung gegeben, dass das Schutzgerüst, welches an der Süd- und Ostseite verwendet wurde, vor Beginn der Arbeiten an der Nord- und Westseite umgestellt werden muss. Es wurde auch Anweisung gegeben, dass vor dem Umstellen des Gerüstes nicht mit den Arbeiten begonnen werden dürfe. Die Anweisung lautete derart, dass, wenn das von der Baufirma vorhandene Konsolgerüst abgebaut wird, das Gerüst von der Südseite auf der Nordseite aufgestellt werden muss. x hat dem Vorarbeiter gesagt, dass er nicht weiter arbeiten darf, bevor nicht das Gerüst umgestellt ist. Kontrolliert wurde die Einhaltung dieser Anweisung – konkret für die Nordseite – durch den Baustellenleiter nicht. Auch hat er keine Anweisung dahingehend gegeben, dass sich der Vorarbeiter bei Beginn der Arbeiten an der Nordseite melden muss bzw. anrufen soll, bevor die Arbeiten auf der Nordseite aufgenommen werden. Vielmehr ging der Baustellenleiter davon aus, dass die von ihm gegebenen Anweisungen auch vom Vorarbeiter und den Arbeitern ausgeführt werden.

Der Baustellenleiter kommt regelmäßig einmal wöchentlich auf die Baustelle, nämlich anlässlich der Baubesprechung. Dabei werden auch Kontrollen durchgeführt und wird auch die Verwendung der Schutzeinrichtung kontrolliert. Bei der letzten Baubesprechung vor dem 29.6.2009, glaublich am 23.6.2009, wurde der Vorarbeiter auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Entfernung des Konsolgerüstes der Baufirma das Leitergerüst, welches seitens der Firma x bei der Baustelle vorhanden war, verwendet werden muss. Zu diesem Zeitpunkt war das Konsolgerüst noch montiert. Vermutlich wurde es dann am 25.6.2009 abmontiert.

Der auf der Baustelle zuständige Vorarbeiter x war seit Mai 2009 im Betrieb der Firma x beschäftigt und war dies seine erste Baustelle als Vorarbeiter bei der Firma x. Erfahrungen hat er schon bei anderen Firmen für Dacharbeiten gesammelt. Er hat vom Baustellenleiter eine Einschulung bekommen und bei Baustellenbeginn wurde er konkret für diese Baustelle vom Baustellenleiter eingeschult. Er hat die Baustelle mit dem Baustellenleiter gemeinsam betreut. Auf der Baustelle wurde bereits seit etwa vier Wochen gearbeitet. Zunächst wurde an der Süd- und Ostseite des Gebäudes gearbeitet und ein von der Firma aufgestelltes Schutzgerüst (Leitergerüst) verwendet. Dies sollte nach Abbau des Konsolgerüstes an der Nord- bzw. Westseite aufgebaut werden. Weil infolge eines mehrere Tage dauernden Regens der Boden so aufgeweicht war, wollte der Vorarbeiter den schmutzigen Boden nicht betreten und das Gerüst nicht umstellen. Es wurde daher ohne Gerüst mit den Arbeiten an der Nordseite begonnen und wurden diese Arbeiten etwa zwei Tage bis zur Kontrolle durchgeführt. Material für ein weiteres Gerüst war auf der Baustelle nicht vorhanden und wurde vom Vorarbeiter auch nicht angefordert.

 

Am 29.6.2009 wurden bei der Kontrolle des Arbeitsinspektorates an der Nord- und Westseite der Dachfläche der Baustelle Seniorenheim x in x, x, Zimmereiarbeiten durchgeführt, wobei die Dachfläche 35° geneigt war und die Absturzhöhe zwischen 6 m bis 8 m betrug, je nachdem ob im Traufen- oder Giebelbereich gearbeitet wurde. Es wurden die Zimmereiarbeiten von den Arbeitnehmern x, x und x durchgeführt. Schutzeinrichtungen wie ein Dachfanggerüst oder Dachschutzblenden waren an der Seite, wo gearbeitet wurde, nicht vorhanden.

 

Anhand von Protokollen ist ersichtlich, dass durch den Baustellenkoordinator am 5.5.2009, 26.5.2009 und 10.6.2009 Baustellenkontrollen durchgeführt wurden, wobei jedes Mal festgestellt wurde, dass die Dacharbeiten westseitig bzw. nord- und ostseitig nicht ohne vereinbarte Schutzgerüste durchgeführt werden dürfen. Bei den Kontrollen am 5.5. und 26.5.2009 waren auch nachweislich Vertreter der Firma x anwesend.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich einwandfrei aus den glaubwürdigen und widerspruchslosen Zeugenaussagen sowie auch aus den im Akt befindlichen Fotos. Die Zeugen erschienen glaubwürdig und sie legten den Sachverhalt schlüssig nachvollziehbar dar. Es konnte daher dieser Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Auf Grund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 29.6.2009 an der nord- und westseitigen Dachfläche Zimmereiarbeiten durch die Arbeitnehmer x, x und x der Firma x & Co GmbH durchgeführt wurden, wobei die Dachneigung ca. 35° und die Absturzhöhe 6 m bis 8 m betrug. Absturzsicherungen bzw. Schutzeinrichtungen gegen Absturz waren nicht an der Nord- und Westseite vorhanden. Entgegen den Anweisungen des Baustellenleiters x wurde das an der Südseite vorhandene Leitergerüst nicht vor Beginn der Arbeiten an die Nordseite umgestellt. Das von der Baufirma vorhandene Konsolgerüst war bereits vor Beginn der Zimmereiarbeiten abmontiert worden. Weitere Elemente für die Aufstellung eines weiteren Gerüstes waren nicht vorhanden.

 

Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Baustellenleiter und der Vorarbeiter jedes Jahr in Sicherheitsbestimmungen geschult und unterwiesen werden und die Vorschriften auch in schriftlicher Form überreicht bekommen. Es reicht auch nicht aus, dass zu Beginn der Baustelle eine Anweisung an die Arbeitnehmer seitens des Baustellenleiters ergeht. Insbesondere reicht auch nicht die alleinige Anweisung aus, dass der Vorarbeiter ein entsprechendes Dachfanggerüst aufzustellen hätte. Vielmehr wäre es auch erforderlich gewesen, dass dann die Einhaltung der Anweisungen, also auch die konkrete Ausführung des Dachfanggerüstes kontrolliert wird. Das Beweisverfahren hat aber eindeutig ergeben, dass weder der Baustellenleiter noch der Zimmermeister das verwendete Gerüst je nach Fortschritt der Dacharbeiten und bei Umstellung des Gerüstes kontrolliert hätte. Vielmehr hat die Zeugeneinvernahme gezeigt, dass trotz seiner Anweisung ohne die Errichtung des erforderlichen Schutzgerüstes bzw. Dachfanggerüstes die Arbeiten fortgesetzt wurden und dies nicht kontrolliert wurde. Es wurde daher vom Bw nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, welche Maßnahmen er konkret getroffen hat, dass die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften bzw. die Einhaltung der Anweisungen mit gutem Grund erwartet werden kann. Stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen sowie die Durchführung von Schulungen allein reichen aber für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht aus. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur mehrmals darauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317). Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Vorarbeiter – auf eigenen Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Dass konkret keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, ist unerheblich, weil die Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsstrafrechtlich strafbar ist und schon deshalb kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH vom 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127-9/). Vielmehr ist es dem Bw nicht gelungen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in diesem Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

Es war daher auch vom Verschulden, nämlich zumindest von sorgfaltswidrigem, das heißt fahrlässigem Verhalten des Bw auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die geschätzten persönlichen Verhältnisse dem Bw vorgeworfen, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro und keine Sorgepflichten. Die belangte Behörde verwies auf ein Straferkenntnis vom 10.11.2009, mit welchem für eine gleichartige Übertretung eine Strafe verhängt wurde. Sie begründete die Geldstrafe damit, dass lediglich 7 % des Strafrahmens ausgeschöpft wurden.

Hinsichtlich der nunmehr bereits rechtskräftig verhängten Vorstrafe ist hingegen auszuführen, dass zum Tatzeitpunkt diese Bestrafung noch nicht rechtskräftig war und daher nicht als einschlägige Vorstrafe straferschwerend von der belangten Behörde verwendet werden durfte. Es war daher nicht von einem Wiederholungsfall auszugehen. Allerdings ist bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, dass die konkreten Dacharbeiten schon einige Zeit ausgeführt wurden. Es hat daher eine ordnungsgemäße Schutzeinrichtung an der Nordseite nie stattgefunden. Auch war zu berücksichtigen, dass drei Arbeitnehmer konkret gefährdet wurden. Die Absturzhöhe war mit 6 bis 8 m beträchtlich und es war auch die Dachneigung (35°) erhöht, sodass ein höheres Gefährdungspotenzial vorhanden war. Es war daher auch die Uneinsichtigkeit des Bw entsprechend zu berücksichtigen. Auch wenn vom niedrigeren Strafrahmen bis 7.250 Euro auszugehen war, ist die konkret verhängte Geldstrafe von je 1.000 Euro im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt und angesichts der doch erheblichen Gefährdung von drei Arbeitnehmern gerechtfertigt. Auch ist sie im Hinblick auf die überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse des Bw und im Hinblick darauf, dass keine Sorgepflichten vorliegen, nicht überhöht. Es kann daher seitens des Oö. Verwaltungssenates nicht erkannt werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Es war daher auch die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

Wenn auch seitens des Bw die Unbescholtenheit zum Tatzeitpunkt angeführt wird, so ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Überwiegen der Milderungsgründe bei Vorliegen des einzigen Milderungsgrundes der Unbescholtenheit nicht vorlag. Es war daher nicht von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch nicht von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG Gebrauch zu machen. Dass trotzt Vollendung der Tat kein Schaden herbeigeführt worden ist, stellt im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0149, keinen Milderungsgrund gemäß § 34 Abs.1 Z13 StGB dar, weil bei einem Ungehorsamsdelikt dieser Milderungsgrund nicht in Betracht kommt.

 

Hingegen konnte das Vorbringen des Bw, dass der Vorarbeiter anweisungswidrig gehandelt hätte und eigenmächtig vorgegangen sei, nicht schuldmildernd wirken und daher auch keine Herabsetzung der Strafe bewirken. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verschulden und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird hingewiesen.

 

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist aber bei Dacharbeiten von mehreren Arbeitnehmern Leib und Leben jedes Arbeitnehmers gefährdet und für jeden namentlich genannten Arbeitnehmer ein gesondertes Delikt anzunehmen und daher eine gesonderte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen. Entsprechend dieser Judikatur war daher die verhängte Gesamtgeldstrafe bzw. Gesamtersatzfreiheitsstrafe auf die drei Arbeitnehmer zu gleichen Teilen aufzuteilen. Eine Verschlechterung des Bw erfolgte daher nicht. Hingegen ist aber im Grunde der Verhängung von einer Geldstrafe von 1.000 Euro je Delikt (je Arbeitnehmer) der gesetzliche Strafrahmen bis zu 7.000 Euro nur geringfügig ausgeschöpft und daher nicht von einer überhöhten Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe auszugehen. Vielmehr war bei der Tat zu berücksichtigen, dass eine höhere Dachneigung gegeben war und insbesondere auch die Absturzhöhe vom Giebelbereich 8 m betrug. Das Gefährdungspotenzial der Arbeitnehmer war daher sehr hoch.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 600 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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