Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281256/23/Kl/Pe

Linz, 28.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. x, xgasse, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 23.6.2010, Ge96-23-8-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21.10.2010 zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ und die Bauarbeiterschutzverordnung – BauV mit „BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ zu zitieren ist.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 200 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 23.6.2010, Ge96-23-8-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm §§ 87 Abs.3 und 88 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x & Co GmbH mit Sitz in x, x, und somit als gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten hat:

Am 18.6.2009 wurden auf der Baustelle beim landwirtschaftlichen Anwesen in x, x, durch Arbeitnehmer der Firma x Dacharbeiten, nämlich Aufstellung eines Dachstuhles, ohne Schutzeinrichtungen bzw. mit mangelhafter Schutzeinrichtung durchgeführt. Die Absturzhöhe von der Traufe betrug ca. 5,5 m und die Dachneigung ca. 40°. Dies obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass ein subjektives schuldhaftes Verhalten des Beschuldigten nicht vorliege. Im Rahmen der Betriebsorganisation wären der Bautechniker x und der angestellte Zimmermeister x zuständig, insbesondere auch zur Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäß zu bewerkstelligenden Schutzeinrichtungen. Diese hätten über die für die Bauleitung dieser Baustelle erforderlichen Fachkenntnisse und Ausbildungen verfügt. Mit der Betrauung eines bislang zuverlässigen und fachlich entsprechend ausgebildeten Bautechnikers mit der Bauleitung einer Baustelle, nämlich des Bautechnikers x und dem Zimmermeister x, sei der Beschuldigte seinen gesetzlichen Verpflichtungen zur Gewährleistung der fachgerechten Installierung der gesetzlich erforderlichen Schutzeinrichtungen bzw. der diesbezüglichen Überwachung und Kontrolle vollinhaltlich nachgekommen, sodass ihn diesbezüglich kein eigenes Verschulden treffe. Auch werden im Unternehmen des Beschuldigten Schulungen betreffend Arbeitnehmerschutz in der Regel einmal jährlich vom Zimmermeister x durchgeführt, wobei die Teilnehmer die Anwesenheit auch mit Unterschrift bestätigen müssen, und auch Schulungen für neue Geräte im Anlassfall durchgeführt werden und auch jeder neue Lehrling unterwiesen wird. Allen Zimmerern werden vom Zimmermeister x die Vorschriften in schriftlicher Form übergeben und muss die Übernahme dieser Vorschriften bestätigt werden. Bei Änderung der Bestimmungen erhalten die Zimmerer die neuen Vorschriften. In den Schulungsmaßnahmen sind die Bestimmungen der §§ 87ff BauV inkludiert. Es werden daher die entsprechenden Unterweisungen erteilt und die Einhaltung im konkreten Fall ständig von dem für die jeweilige Baustelle zuständigen Baustellenleiter des Unternehmens, bei der gegenständlichen Baustelle auch vom Zimmermeister x selbst tatsächlich jeweils an Ort und Stelle kontrolliert. Ein Baustellenleiter könne aber naturgemäß nicht ununterbrochen an der von ihm betreuten Baustelle anwesend sein, sodass der zuständige Vorarbeiter oder Polier durchgehend anwesend ist und ebenfalls mit den Arbeitnehmerschutzbestimmungen vertraut gemacht ist und daher Mängel nicht vermeidbar gewesen seien. Der Vorarbeiter x habe entgegen der diesbezüglichen wiederholten Anweisung des Zimmermeisters und des Baustellenleiters an der gegenständlichen Dachbaustelle nicht rechtzeitig die jeweils auf der Baustelle ohnedies vorhandenen Schutzrichtungen, nämlich den vorhandenen Bauzaun und die vorhandenen Dachschutzblenden montiert bzw. von den ihm unterstellten Zimmerarbeitern montieren lassen. Dass ein grundsätzlich bislang funktionierendes Kontrollsystem in einem konkreten Einzelfall insoferne versagt, als der hiefür im Rahmen des Kontrollsystems zuständige Baustellenleiter seine Kontroll- und Überwachungspflichten nicht entsprechend wahrnimmt, lässt noch nicht den Schluss zu, das eingerichtete Kontrollsystem sei für eine wirksame Kontrolle ungeeignet gewesen. Dass es in einem Einzelfall zum Versagen eines grundsätzlich wirksamen und bis dahin jeweils auch funktionierenden Kontrollsystems kommt, weil der für die Kontrolle der zuständigen Baustelle konkret zuständige Baustellenleiter x und der angestellte Zimmermeister des Unternehmens x ihren Kontrollpflichten offenbar nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, rechtfertigt keinesfalls die Annahme eines subjektiven Verschuldens des Beschuldigten. Dieser könne nicht persönlich selbst jede der vielen gleichzeitig betriebenen Baustellen kontrollieren, sondern durfte die Überwachungen und Kontrollen der vielen gleichzeitig betriebenen Baustellen an für die jeweilige Baustelle zuständige Baustellenleiter delegieren. Die zuständigen Baustellenleiter seien tadellos ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nachgekommen und hätten niemals ihre Kontrollpflichten verletzt. Es habe sich daher der Beschuldigte darauf verlassen können, dass sie auch hier ihrer Überwachungs- und Kontrollpflicht tatsächlich nachkommen.

Schließlich wurde auch die Höhe der verhängten Strafe bekämpft. Bis zum Zeitpunkt der Übertretung sei der Beschuldigte verwaltungsstrafrechtlich völlig unbescholten gewesen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Vorarbeiter anweisungswidrig gehandelt hat. Auch könne nicht von einem Wiederholungsfall ausgegangen werden, weil zum Tatzeitpunkt das zitierte Erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10.11.2009 noch nicht vorgelegen habe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.10.2010, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter geladen wurden und erschienen sind. Die geladene belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters hat das zuständige Arbeitsinspektorat an der Verhandlung teilgenommen. Es wurden die Zeugen x, x, x und x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x & Co GmbH mit dem Sitz in x, x. Als solcher ist er hauptsächlich für kaufmännische Belange und die Organisation zuständig. Seit etwa zwei Jahren ist er auch gewerberechtlicher Geschäftsführer für den Bereich Hochbau, Baumeistergewerbe. Der Betrieb ist in vier Bereiche gegliedert, nämlich in Hochbau, Tiefbau, Zimmerei und Sägewerk. Der Bw hat ca. 115 Mitarbeiter in seinem Betrieb. Dem Bw direkt unterstellt sind die Baustellenleiter. Für jede Baustelle ist ein Baustellenleiter bestellt und ist dieser für seine Baustelle vom Anfang bis zum Schluss verantwortlich. Er muss sie überwachen und auch abrechnen. Er ist auch zuständig für den Arbeitnehmerschutz. Bei dieser Tätigkeit ist er selbständig. Der Bw kontrolliert die Baustellenleiter, indem er die Abrechnungen kontrolliert, ob sie auch rechtzeitig erfolgen. Gelegentlich kontrolliert er die Baustellen vor Ort, diese im Zuge von Hochbauarbeiten, für die der Bw zuständig ist. Im Betrieb gibt es zehn Baustellenleiter. Alle sind technisch ausgebildet. Im Juni ist Hochsaison und laufen schätzungsweise sicher 50 Baustellen gleichzeitig. Die Baustellenleiter sind Techniker. Die Baustellenleiter sind verantwortlich für die Schutzeinrichtungen, nämlich die Gerüstung, konkret auch für die Ausrechnung der Statik und für Anweisungen hinsichtlich der Herstellung der Gerüste. Der Leiter der Zimmerei ist Herr x. Er ist Zimmerermeister. Er erstellt die Angebote und teilt die Bauleiter für die Baustellen ein. Herr x ist als Leiter der Zimmerei direkt dem Bw unterstellt. Er ist seit 2004 in der Firma und seit 2006 Leiter des Bereiches Zimmerei. Für diesen Bereich ist er auch gewerberechtlicher Geschäftsführer. Der Zimmermeister hat die Arbeitnehmer und auch den Vorarbeiter x unterwiesen und ihm auch gesagt, dass er ein Gerüst aufstellen müsse, nämlich ein Fassadengerüst mit entsprechender Blende. Die Anweisung war, dass ein Fassadengerüst so zu montieren sei, dass die Geländerstützen seitlich vorbei gehen und das Gerüst somit auch für die Dacharbeiten geeignet ist. Nach Ansicht des Zimmereimeisters sei das Aufsetzen des Bauzaunes auf das Fassadengerüst in Ordnung, wenn es 1 m über die Traufe hinausreicht. Im Bereich der Toreinfahrt sollten Dachschutzblenden verwendet werden, weil ein anfangs vorhandenes Gerüst auf Grund von erforderlichen Fahrten entfernt werden musste. Der Zimmermeister gab an, am Kontrolltag vormittags auf der Baustelle gewesen zu sein und es sei das notwendige Schutzmaterial auch auf der Baustelle vorhanden gewesen und habe er dem Vorarbeiter auch gesagt, wo es liegt und wo er es montieren soll. Konkret hätten die vorhandenen Bauzäune als Verlängerung auf das Gerüst aufgesetzt werden sollen. Eine ausdrückliche Anordnung an den Vorarbeiter, dass erst gearbeitet werden darf, wenn das Gerüst ordnungsgemäß installiert ist, gab der Zimmermeister nicht. In der Regel kommt der Zimmermeister ein- bis zweimal pro Woche auf die Baustelle.

x war zum Kontrollzeitpunkt erst seit kurzem als Baustellenleiter eingesetzt und war dies seine erste große Baustelle als Baustellenleiter. Er hat deshalb die Baustelle nicht allein betreut, sondern gemeinsam mit Herrn x. Er hat die Arbeiter vor Beginn der Baustelle hinsichtlich Schutzausrüstungen unterwiesen. Auch hat er ihnen erklärt, welches Gerüst aufgestellt werden muss. Dies wurde auch kontrolliert, allerdings nicht zum Tatzeitpunkt. Der Baustellenleiter war ca. ein- bis zweimal pro Woche auf der Baustelle, am Tattag, 18.6.2009, war er nicht auf der Baustelle. Er wusste zwar, dass auf der Nordseite Arbeiten durchgeführt werden, er wusste aber nicht mehr, wann er das letzte Mal vor dem 18.6.2009 auf der Baustelle war und ob er das Gerüst gesehen hat. Er hat den Arbeitnehmern erklärt, dass das Gerüst höher hinaufgezogen sein muss und wie sie es aufstellen müssen. Ob das Gerüst gemäß seinen Anweisungen aufgestellt wurde, hat er nicht kontrolliert. Auch wurde der Vorarbeiter unterwiesen, dass im Bereich des Tores Dachschutzblenden angebracht werden müssen. In der Regel hält sich der Vorarbeiter auch an die Anweisungen. Der Zimmermeister x ist unmittelbar Vorgesetzter des Baustellenleiters. Ob er die Baustelle kontrolliert hat, weiß der Baustellenleiter nicht.

Der Vorarbeiter x ist seit ca. 20 bis 25 Jahren bei der Firma x beschäftigt und er ist gelernter Zimmerer. Er hat laufend Schulungen und Unterweisungen von den Technikern und der Sicherheitsfachkraft erhalten. Vor Beginn der Baustelle gibt es auch eine konkrete Unterweisung durch den Techniker. Auf der konkreten Baustelle gab es eine Anweisung durch den Baustellenleiter und auch durch Herrn x. Dabei wurde besprochen, dass ein Gerüst verwendet werden soll und es bereits auf der Baustelle vorhanden ist. Es war aber zu niedrig. Von Herrn x wurde dem Vorarbeiter auch die Anweisung gegeben, dass das Gerüst erhöht werden muss, also eine Etage auf das Gerüst aufgesetzt werden muss, und es mindestens 1 m über die Traufe hinaus schauen muss. Dies wurde aber vom Vorarbeiter nicht ausgeführt. Sowohl der Baustellenleiter als auch der Zimmereimeister waren auf der Baustelle, als auf der gegenständlichen Seite gearbeitet wurde. Der Beschuldigte war vor dem 18.6.2009 auf der Baustelle, während der Arbeiten auf dieser Seite allerdings nicht.

 

Am 18.6.2009 haben drei Arbeitnehmer der Firma x & Co GmbH, darunter der Vorarbeiter x, auf der Baustelle beim landwirtschaftlichen Anwesen in x, x, Dacharbeiten auf der Nordseite des Anwesens durchgeführt. Es wurde die Dachlattung ausgeführt. Die Dachneigung betrug ca. 40°, die Absturzhöhe von der Traufe ca. 5,5 m. Es wurde schon länger auf der Baustelle gearbeitet, nämlich wo zum Tatzeitpunkt das Dach bereits fertig gedeckt war (Neubau), wurde auch der Dachstuhl gemacht. Zuerst wurde am Neubau gearbeitet, später wurde der Altbau hergerichtet. Die ganze Zeit über wurde mit dem vorhandenen Gerüst gearbeitet. Dachschutzblenden waren zum Kontrollzeitpunkt nicht in Verwendung und auch nicht auf der Baustelle. Bei den konkreten Arbeiten an der Nordseite lag eine mangelhafte Gerüstung vor, es war nämlich im Bereich der Toreinfahrt kein Gerüst vorhanden und seitlich davon nur ein Stahlrohrgerüst, welches nicht ausreichend war, weil es nicht genügend hoch war. Weiters fehlte auch ein Sicherungsnetz. Man konnte so zwischen den Stahlstangen durchrutschen. Auf der Baustelle war ein Bauzaun vorhanden. Elemente für ein Dachfanggerüst wurden vom Arbeitsinspektor nicht vorgefunden. Zum Tatzeitpunkt wurde bereits zwei Tage auf der Nordseite des Anwesens gearbeitet. Nach der Kontrolle wurde das Gerüst verbessert, es wurde ein Gerüst mit Fangnetz aufgestellt. Im Bereich des Tores wurden nach der Kontrolle Schutzgitter verwendet.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die Zeugen erschienen glaubwürdig und verwickelten sich nicht in Widersprüche. Es konnte der Sachverhalt auch anhand der Aktenlage, insbesondere anhand der vorliegenden Fotos nachvollzogen werden. Es konnte daher der festgestellte Sachverhalt als erwiesen der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Auf Grund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 18.6.2009 an der Nordseite drei Arbeitnehmer der x & Co GmbH Dacharbeiten, nämlich die Ausführung der Dachlattung vorgenommen haben. Entgegen den Anweisungen durch den Baustellenleiter und Zimmermeister waren keine ordnungsgemäß ausgeführten Schutzeinrichtungen wie Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden vorhanden. Das vorhandene Gerüst war nicht als Dachfanggerüst mit Schutzgitter ausgestaltet. Auch war keine Schutzeinrichtung bei der Toreinfahrt gegeben. Die Dachneigung betrug ca. 40°, die Absturzhöhe von der Traufe ca. 5,5 m. Die Arbeitnehmer waren auch nicht angeseilt. Dachschutzblenden waren auf der Baustelle auch nicht vorhanden.

 

Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Baustellenleiter und der Vorarbeiter jedes Jahr in Sicherheitsbestimmungen geschult und unterwiesen werden und die Vorschriften auch in schriftlicher Form überreicht bekommen. Es reicht auch nicht aus, dass zu Beginn der Baustelle eine Anweisung an die Arbeitnehmer seitens des Baustellenleiters und Zimmermeisters ergeht. Insbesondere reicht auch nicht die alleinige Anweisung aus, dass der Polier ein entsprechendes Dachfanggerüst aufzustellen hätte. Vielmehr wäre es auch erforderlich gewesen, dass dann die Einhaltung der Anweisungen, also auch die konkrete Ausführung des Dachfanggerüstes kontrolliert wird. Das Beweisverfahren hat aber eindeutig ergeben, dass weder der Baustellenleiter noch der Zimmermeister das verwendete Gerüst je nach Fortschritt der Dacharbeiten und bei Umstellung des Gerüstes kontrolliert hätte. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass die Anweisung hinsichtlich Dachschutzblenden bei der Toreinfahrt nicht kontrolliert wurde. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass es gar keine Anweisung gegeben hat, dass vor Ausführung der entsprechenden Sicherungsmaßnahmen keine Dacharbeiten durchgeführt werden dürfen. Vielmehr hat die Zeugeneinvernahme gezeigt, dass trotz seiner Anweisung ohne die Errichtung des erforderlichen Schutzgerüstes bzw. Dachfanggerüstes die Arbeiten fortgesetzt wurden und dies nicht kontrolliert wurde. Es wurde daher vom Bw nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, welche Maßnahmen er konkret getroffen hat, dass die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften bzw. die Einhaltung der Anweisungen mit gutem Grund erwartet werden kann. Stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen sowie die Durchführung von Schulungen allein reichen aber für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht aus. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur mehrmals darauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317). Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Vorarbeiter – auf eigenen Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Dass konkret keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, ist unerheblich, weil die Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsstrafrechtlich strafbar ist und schon deshalb kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH vom 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127-9/). Vielmehr ist es dem Bw nicht gelungen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in diesem Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

Es war daher auch vom Verschulden, nämlich zumindest von sorgfaltswidrigem, das heißt fahrlässigem Verhalten des Bw auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die geschätzten persönlichen Verhältnisse dem Bw vorgeworfen, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro und keine Sorgepflichten. Die belangte Behörde verwies auf ein Straferkenntnis vom 10.11.2009, mit welchem für eine gleichartige Übertretung eine Strafe verhängt wurde. Sie begründete die Geldstrafe damit, dass lediglich 7 % des Strafrahmens ausgeschöpft wurden.

Hinsichtlich der nunmehr bereits rechtskräftig verhängten Vorstrafe ist hingegen auszuführen, dass zum Tatzeitpunkt diese Bestrafung noch nicht rechtskräftig war und daher nicht als einschlägige Vorstrafe straferschwerend von der belangten Behörde verwendet werden durfte. Es war daher nicht von einem Wiederholungsfall auszugehen. Allerdings ist bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, dass die konkreten Dacharbeiten schon einige Zeit ausgeführt wurden und immer dieses Gerüst verwendet wurde. Es hat daher eine ordnungsgemäße Schutzeinrichtung nie stattgefunden. Auch war zu berücksichtigen, dass drei Arbeitnehmer konkret gefährdet wurden. Die Absturzhöhe war mit 5,5 m beträchtlich und es war auch die Dachneigung erhöht, sodass ein höheres Gefährdungspotenzial vorhanden war. Schließlich war auch bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, dass entsprechende Elemente auf der Baustelle nicht vorhanden waren. Es war daher auch die Uneinsichtigkeit des Bw entsprechend zu berücksichtigen. Auch wenn vom niedrigeren Strafrahmen bis 7.250 Euro auszugehen war, ist die konkret verhängte Geldstrafe im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt und angesichts der doch erheblichen Gefährdung von drei Arbeitnehmern gerechtfertigt. Auch ist sie im Hinblick auf die überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse des Bw und im Hinblick darauf, dass keine Sorgepflichten vorliegen, nicht überhöht. Es kann daher seitens des Oö. Verwaltungssenates nicht erkannt werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Es war daher auch die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

Wenn auch seitens des Bw die Unbescholtenheit zum Tatzeitpunkt angeführt wird, so ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Überwiegen der Milderungsgründe bei Vorliegen des einzigen Milderungsgrundes der Unbescholtenheit nicht vorlag. Es war daher nicht von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch nicht von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG Gebrauch zu machen. Dass trotzt Vollendung der Tat kein Schaden herbeigeführt worden ist, stellt im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0149, keinen Milderungsgrund gemäß § 34 Abs.1 Z13 StGB dar, weil bei einem Ungehorsamsdelikt dieser Milderungsgrund nicht in Betracht kommt.

 

Hingegen konnte das Vorbringen des Bw, dass der Vorarbeiter anweisungswidrig gehandelt hätte und eigenmächtig vorgegangen sei, nicht schuldmildernd wirken und daher auch keine Herabsetzung der Strafe bewirken. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verschulden und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird hingewiesen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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