Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100705/21/Fra/Ka

Linz, 03.11.1992

VwSen - 100705/21/Fra/Ka Linz, am 3. November 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 3. Kammer (Vorsitz: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzerin: Mag. Bissenberger) über die Berufung des A L, E, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A R, P, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 1. Juni 1992, VerkR-1262/1991, betreffend Übertretung der StVO 1960, nach der am 7. Oktober 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z.1 und 2 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages sowohl zum erstinstanzlichen als auch zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Straferkenntnis vom 1. Juni 1992, VerkR-1262/1991, über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b i.V.m. § 5 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Tage) verhängt, weil er am 30. November 1991 gegen 2.00 Uhr den PKW auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Gemeindegebiet von E, vom Haus E, S, kommend bis zum Parkplatz/Abstellplatz vor der Diskothek "C" (E, B) und am 30. November 1991 gegen 5.22 Uhr/5.23 Uhr den PKW auf der A im Gemeindegebiet von E, vom ursprünglichen Abstellort des PKW's vor dem Gasthaus "T" bis zum Ende des Parkplatzes des angeführten Gasthauses (Wegstrecke ca. 15 m bis 20 m), gelenkt hat, wobei er in der Folge im Zuge der Kontrolle am Ende des Parkplatzes des Gasthauses "T" (E, A) um 5.25 Uhr gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Durchführung der Atemluftprobe verweigerte, obwohl vermutet werden konnte, daß er vorher (gegen 2.00 Uhr und gegen 5.22 Uhr/5.23 Uhr) den PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat (starker Alkoholgeruch, schwankender Gang, lallende Aussprache, gerötete Augenbindehäute). Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der Strafe verpflichtet.

I.2. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß Grundlage für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren die Anzeige des GPK E vom 2. Dezember 1991 bzw. das aufgrund dieser Anzeige durchgeführte Ermittlungsverfahren bildete. Ergänzend wird festgehalten, daß als Lenkzeit nicht der in der Anzeige des GPK festgehaltene Tatzeitpunkt "30. November 1991, 5.20 Uhr" herangezogen worden sei, sondern die im Ermittlungsverfahren hervorgekommenen Lenkzeiten: "30. November 1991, 2.00 Uhr; 30. November 1992 5.22 Uhr/5.23 Uhr." Der Zeuge S habe konkret angegeben, daß der Beschuldigte gegen 5.20 Uhr/30.11.1991 auf der A in E vor dem Gasthaus T (A) neben dem PKW stehend angetroffen worden sei. Der Meldungsleger habe in der Anzeige festgehalten, daß der Beschuldigte schwankend an der Fahrerseite des PKW's gestanden sei. Weiters habe der Meldungsleger angegeben, daß der Berufungswerber, da der PKW auf der A vor dem T sehr ungünstig gestanden sei und die Amtshandlung nicht gefahrlos durchgeführt hätte werden können, angewiesen wurde, den PKW in der ca. 20 m entfernten Sackgasse abzustellen. Der Beschuldigte blieb nicht unmittelbar nach der Einmündung der Sackgasse stehen, sondern sei noch ca. 20 m weitergefahren. Nachdem er aus dem Fahrzeug ausgestiegen war, sei er dem Meldungsleger schwankend entgegengekommen. Es sei sodann hinter dem PKW die Amtshandlung fortgesetzt worden, wobei beim Beschuldigten deutliche Alkoholisierungssymptome festgestellt worden seien. Er wurde daher in der Folge zur Durchführung der Atemluftprobe klar und deutlich aufgefordert. Die Aufforderung hat der Beschuldigte jedoch mit den Worten "ich blase nicht" verweigert. Aufgrund der Tatsache, daß er den PKW zu den vorangeführten Zeiten tatsächlich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Gemeindegebiet von E gelenkt hatte, sei nicht weiter zu prüfen gewesen, ob er nun auch vorher - also um 5.20 Uhr - den PKW gelenkt habe. Dabei sei unwesentlich, auf welcher Wegstrecke - ob nunmehr 20 m oder 40 m - der PKW gelenkt worden sei. Darüberhinaus habe er auch um 2.00 Uhr des angeführten Tages den gegenständlichen PKW gelenkt. Dieser Umstand sei vom Beschuldigten selbst zugegeben worden. Aufgrund der Ausführungen und Aussagen des Meldungslegers stehe für die belangte Behörde fest, daß jene Alkoholisierungsmerkmale, welche eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne der StVO 1960 vermuten ließen, erst im Zuge der Amtshandlung, nachdem der Beschuldigte den PKW vom ursprünglichen Abstellort entfernt hatte, festgestellt worden seien und sich erst zu diesem Zeitpunkt für die Straßenaufsichtsorgane "der Verdacht" ergeben habe, daß der Beschuldigte offensichtlich alkoholisiert sei. Der Hinweis in der Anzeige vom 2. Dezember 1991, wonach "er einen stark alkoholisierten Eindruck erweckte" könne sich nur auf den Zeitpunkt der nachher erfolgten Amtshandlung beziehen, und sei dieser Umstand auch vom Zeugen Spießberger bestätigt worden. Der Beschuldigte habe auch angegeben, daß er "damals nicht alkoholisiert war und in der Zeit vom 29. November 1991, 20.00 Uhr, bis 30. November 1991, 4.30 Uhr, zwei Flaschen Bier getrunken habe." Am 6. Februar 1992 habe der Beschuldigte behauptet, "damals keinen Alkoholgeruch gehabt zu haben". Es entspreche jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, daß nach dem Genuß von Alkohol - im gegenständlichen Fall zwei Flaschen Bier Alkoholgeruch vorhanden sei. Der Meldungsleger sei berechtigt gewesen, den Beschuldigten zur Atemluftprobe aufzufordern. Es werde daher diesem dahingehend Glauben geschenkt, daß er die Alkoholisierungsmerkmale "Alkoholgeruch, schwankender Gang, lallende Aussprache, gerötete Augenbindehäute" im Zuge der Amtshandlung, nachdem der Beschuldigte das Fahrzeug vom ursprünglichen Abstellort entfernt hatte, festgestellt hat. Ausgehend von der Lenkzeit um 2.00 Uhr habe der Beschuldigte vor Fahrtantritt bzw. offensichtlich auch nach Beendigung der Fahrt um 2.00 Uhr - seinen eigenen Angaben zufolge bis 4.30 Uhr - Alkohol konsumiert. Es dürfe jedoch eine Atemluftprobe auch dann nicht verweigert werden, wenn nach dem Lenken des Fahrzeuges neuerlich Alkohol konsumiert, also ein Nachtrunk getätigt werde. Das Zugeständnis, kurz vor Fahrtantritt bzw. innerhalb von drei Stunden vor dem Lenken eines Fahrzeuges Alkohol konsumiert zu haben, rechtfertige für sich allein die Aufforderung zur Atemluftprobe. Das Straßenaufsichtsorgan durfte sohin aufgrund der Angaben des Beschuldigten selbst berechtigterweise vermuten, daß er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat. Das Vorhandensein eines Alkoholgeruches aus dem Mund legte somit die Vermutung einer Alkoholisierung nahe. Entscheidend sei, daß ein Einschreiten des Straßenaufsichtsorganes eine Aufforderung zur Atemluftprobe auf zumindest einen für die Alkoholisierung typischen Rechtfertigungsgrund zu stützen vermag. Eine Verpflichtung zur Vornahme der Atemluftprobe bestehe so lange, als noch verwertbare Ergebnisse davon zu erwarten seien. Im gegenständlichen Fall - ausgehend von der Lenkzeit 2.00 Uhr - liege eine Zeitdifferenz zwischen Lenkzeit und dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Durchführung der Atemluftprobe von 3 Stunden und 25 Minuten vor. Aufgrund der vom Beschuldigten selbst zugegebenen Alkoholmenge, welche er im Zeitraum zwischen 29.11.1991, 20 Uhr, und 30.11.1991, 4.30 Uhr, konsumiert habe, sei davon auszugehen, daß noch ein verwertbares Ergebnis zu erwarten war, da er bis gegen 4.30 Uhr, wie er selbst zugegeben habe, Alkohol konsumiert habe. Der hier erlaubte Nachtrunk befreie ihn nicht von der Verpflichtung zur Durchführung der Atemluftprobe. Mit dem Hinweis auf einen Nachtrunk und eine damit nur mehr bedingte Verwertbarkeit des Ergebnisses der Atemluftprobe könne eine Verweigerung nicht entschuldigt werden. Somit sei der Beschuldigte unter den gegebenen Umständen - ausgehend von den Lenkzeiten 2.00 Uhr, 5.22 Uhr/5.23 Uhr des 30.11.1991 - verpflichtet gewesen, sich nach Aufforderung durch ein Straßenaufsichtsorgan der Atemluftprobe zu unterziehen. Den Beweisanträgen auf Einvernahme der vom Beschuldigten namhaft gemachten Zeugen sei deshalb nicht zu entsprechen gewesen, weil nicht zu überprüfen war, ob er auch am 30.11.1991 gegen 5.20 Uhr einen PKW gelenkt hat. Es sei denkunmöglich, daß die vom Beschuldigten namhaft gemachten Zeugen die vom Beschuldigten selbst zugegebene Trinkmenge widerlegen könnten.

I.3. Gegen das o.a. Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. Die belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen. Sie hat das Rechtsmittel samt Verfahrensakt, jedoch ohne Gegenäußerung, dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, der dadurch im Grunde des § 51 Abs.1 VStG zuständig wurde. Er entscheidet, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, gemäß § 51c VStG durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer.

I.4. Beweis wurde erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Oktober 1992 sowie durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.4.1. Zur Lenkzeit 5.20 Uhr:

Obwohl gewichtige Indizien dafür vorlagen, daß der Beschuldigte vor der Amtshandlung des Meldungslegers, Abteilungsinspektor S, den PKW gelenkt hat, ist die Erstbehörde zur Auffassung gelangt, nicht diese Lenkzeit, sondern die Lenkzeit: 30.11.1991, 5.22 Uhr/5.23 Uhr und 30.11.1991 2.00 Uhr als entscheidungsrelevant heranzuziehen. Die Lenkzeit 30.11.1991, 5.20 Uhr, konnte daher auch nicht zur Sache des Berufungsverfahrens werden.

I.4.2. Zur Lenkzeit 30.11.1991, 5.22 Uhr/5.23 Uhr:

Sowohl aufgrund der Aktenunterlagen als auch aufgrund der Aussagen des vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als Zeugen vernommenen Meldungslegers, Abteilungsinspektor S, war Anlaß der Aufforderung zum Alkotest die Annahme des Meldungslegers, daß der Beschuldigte zuvor, nämlich um 5.20 Uhr des 30.11.1991, den in Rede stehenden PKW gelenkt hat. Nachdem der Meldungsleger beim Beschuldigten Alkoholgeruch aus dem Munde festgestellt hatte, forderte er ihn auf, er solle seinen PKW wegstellen, da dieser am Ort der Wahrnehmung verkehrsbehindernd abgestellt war. Das Wegstellen eines Kraftfahrzeuges geschah um 5.22 Uhr/5.23 Uhr des 30.11.1991. Entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht der unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der Aussagen des Zeugen davon aus, daß dieser das Alkoholisierungsmerkmal "Geruch der Atemluft nach Alkohol" bereits beim ersten Antreffen auf der A beim Beschuldigten wahrgenommen hat, und nicht erst, nachdem der Beschuldigte den PKW bereits vom ursprünglichen Abstellort weggestellt hatte. Dieses Wegstellen kann schon deshalb dem Beschuldigten nicht als strafbares Verhalten zur Last gelegt werden, da dieser gemäß § 97 Abs.4 StVO 1960 verpflichtet war, der Aufforderung des Meldungslegers, das Fahrzeug wegzustellen, nachzukommen.

I.4.3. Zur Lenkzeit 30.11.1991, 2.00 Uhr:

Die Befragung des Meldungslegers Abt.Insp. S vor dem unabhängigen Verwaltungssenat hat zweifelsfrei ergeben, daß dieser keine Kenntnis davon hatte, daß der Beschuldigte am Tattag um 2.00 Uhr ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Dieses Beweisergebnis lag auch schon der Erstbehörde vor. Es kann nun aus folgenden Gründen die oben genannte Amtshandlung im Zusammenhang mit der Lenkzeit 2.00 Uhr nicht den von der Erstbehörde angenommenen Tatbestand verwirklichen: Die Erstbehörde hat ausgeführt, daß Voraussetzung für das Entstehen der Verpflichtung, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, einerseits das Lenken oder in Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges oder der Versuch dazu ist, und andererseits die Vermutung, daß dies in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand geschehen ist. Die Aufforderung zur Vornahme der Atemluftprobe müsse nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Lenken erfolgen. Die Tatsache des Lenkens eines Fahrzeuges müsse vom Straßenaufsichtsorgan nicht selbst wahrgenommen worden sein. Diese Ausführungen sind rechtlich zutreffend. Der Erstbehörde ist jedoch insoferne ein Subsumtionsfehler unterlaufen, als sie davon ausging, daß das hier tatbildliche Lenken eines Fahrzeuges auch ein Lenken sein könne, welches nicht Anlaß zur Aufforderung zum Alkotest war. Unbestritten ist, daß Anlaß für die gegenständliche Amtshandlung des Meldungslegers die Vermutung war, daß der Beschuldigte unmittelbar zuvor (um 5.20 Uhr des 30.11.1991) ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Davon, daß der Beschuldigte vor diesem Zeitpunkt ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, hatte der Meldungsleger nicht einmal eine Vermutung, geschweige denn Kenntnis.

Aus den oben genannten Gründen war daher der Berufung stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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