Linz, 14.02.2011
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 19. Jänner 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des X X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Mai 2010, Zl. 0050355/2009, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist dahingehend zu korrigieren, dass die Tatzeit mit 22.12.2008 endet.
II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 100 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 16, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.
Zu II.: §§ 64 ff VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung berufene Person der Firma X Gebäudereinigung GmbH mit dem Sitz in X, X, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass von dieser Firma der türkische Staatsbürger X X von 16.9.2008 bis 14.10.2009 beschäftigt worden sei, ohne dass die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.
In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf den Strafantrag des Finanzamtes Innsbruck vom 5.11.2009, die Rechtfertigung des Bw vom 3.12.2009 sowie auf je eine weitere Stellungnahme des Anzeigenlegers und des Bw.
Da der im Spruch angeführte Ausländer zu dem im Spruch angeführten Zeitraum ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen beschäftigt worden sei, sei der Tatbestand der dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt.
Der Bw habe keinen Schuldentlastungsbeweis erbringen können. Sein Vorbringen, dass aus Versehen falsche Daten ins Computersystem eingegeben worden seien und es deshalb zur gegenständlichen Übertretung gekommen sei, wirke nicht schuldbefreiend, da beispielsweise bei Einrichtung eines sogenannten Vier-Augen-Prinzips sich dieser Fehler vermeiden hätte lassen. Es sei daher Fahrlässigkeit vorgelegen.
Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung des Bw wird festgehalten, dass kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 28 Abs.3 AuslBG bestellt worden sei.
2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:
auf Abänderung des angefochtenen Bescheides nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung dahingehend, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschuldigten eingestellt wird."
3. Aus dem Akt ist ersichtlich:
Dem Akt liegt der Strafantrag des Finanzamtes Innsbruck vom 5.11.2009 bei.
Im Strafantrag wird zum Sachverhalt angegeben, dass aufgrund einer Mitteilung des AMS Innsbruck an das Finanzamt Innsbruck festgestellt worden sei, dass der gegenständliche Ausländer in der Zeit vom 1.11.2006 bis 14.10.2009 durch das gegenständliche Unternehmen beschäftigt worden sei. Die Beschäftigungsbewilligung des gegenständlichen Ausländers sei am 15.9.2008 abgelaufen. Somit sei er vom 16.9.2008 bis 14.10.2009 illegal beschäftigt gewesen. Die Anmeldung zur Sozialversicherung sei als Milderungsgrund zu berücksichtigen.
Nach Aufforderung zur Rechtfertigung äußerte sich der Bw mit Schriftsatz vom 3.12.2009 wie folgt:
Der Rechtfertigung beigelegt sind folgende Urkunden:
Bescheid des AMS vom 15.11.2005, Bescheid des AMS vom 6.9.2006, Bescheid des AMS vom 16.11.2007, Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zum Stichtag 10.9.2009, Bildschirmausdruck vom 1.11.2009, Bildschirmausdruck vom 1.11.2009, Schreiben der Firma X vom 16.10.2009, Mail der Firma X vom 16.10.2009, Heiratsurkunde X X vom X, Aufenthaltstitel Nr. X X X und Aufenthaltstitel Nr. X X X.
Dem Akt liegen ferner ein Schreiben der Firma X an das AMS Innsbruck vom 16.10.2009 und eine Stellungnahme des Finanzamtes Linz vom 5.1.2010 bei.
4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte X X zeugenschaftlich dar, das Computersystem verfüge über eine Warneinrichtung für den Fall des Ablaufs einer Beschäftigungsbewilligung. Ein darüber hinausgehendes Kontrollsystem habe es nicht gegeben. Nach einem weiteren ähnlichen Vorfall sei das Vier-Augen-Prinzip eingerichtet worden. Das Warnsystem habe aufgrund eines Eingabefehlers nicht zum Tragen kommen können. Der von der Zeugin begangene Fehler sei dadurch zustande gekommen, dass beim gegenständlichen Ausländer die zweite Seite des Aufenthaltstitels, auf dem vermerkt sei, ob der Ausländer freien Zugang zum Arbeitsmarkt hat, gefehlt habe. Die Zeugin habe nicht gewusst, dass es nicht genüge, wenn bloß eine Seite des Aufenthaltstitels vorliege und sei daher davon ausgegangen, dass der Ausländer freien Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt habe. Dies auch deshalb, weil der Aufenthaltstitel des Ausländers ein solcher als Studierender gewesen sei. Außerdem seien in der Praxis Aufenthaltstitel und Arbeitsberechtigung von der Befristung her zusammengefallen. Der gegenständliche Ausländer habe überdies gegenüber der Zeugin dadurch seine Arbeitsberechtigung kundgetan, dass er als Bereichsleiter selbst für die Stellung von Beschäftigungsbewilligungsanträgen zuständig gewesen sei. Darüber hinaus habe der gegenständliche Ausländer "schon Monate vor" seiner tatsächlichen Hochzeit im Dezember 2008 gesagt, er habe eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, weshalb sich die Vorlage seiner Papiere verzögert habe.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
Gegenständlich steht der Tatvorwurf in objektiver Hinsicht außer Streit. Strittig ist lediglich das Verschulden des Bw. Das dem Bw zuzurechnende Fehlverhalten der Mitarbeiterin X X ist in tatsächlicher Hinsicht der Entscheidung in der Form zugrunde zu legen, wie es von dieser in der öffentlichen mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargestellt wurde (mangelhafte Überprüfung der arbeitsmarktrechtlichen Papiere aufgrund von Fehleinschätzungen der faktischen und rechtlichen Situation). Auch hinsichtlich des Kontrollsystems ist von der Aussage dieser Zeugin auszugehen.
Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Zur bestrittenen Erfüllung der subjektiven Tatseite ist zunächst auszuführen, dass Übertretungen des § 28 Abs.1 AuslBG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ungehorsamsdelikte im Sinn des § 5 Abs.1 VStG sind, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (vgl. VwGH vom 22. Februar 2006, Zl. 2002/09/0207, vom 1. Juli 2010, Zl. 2007/09/0348). Das verantwortliche Organ ist strafbar, wenn es nicht genügend Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. In einem solchen Fall besteht gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Es wäre daher Sache des Bw glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft (vgl. VwGH vom 19. Oktober 2005, Zl. 2004/09/0064 und die darin zitierte Judikatur). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend (vgl. VwGH vom 19. Oktober 2001, Zl. 2000/02/0228). In dem vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG hätte der Bw daher darzulegen gehabt, dass in dem Unternehmen, für welches er die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung trägt, ein Kontrollsystem eingerichtet ist, das mit gutem Grund erwarten lässt, dass es die tatsächliche Einhaltung der Ausländerbeschäftigungsvorschriften sicherstellt (vgl. VwGH vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/09/0357). Ein solches lückenloses Kontrollsystem konnte vom Bw jedoch nicht glaubwürdig dargestellt werden. Im Gegenteil: Nach unwidersprochener Aussage der Zeugin X X war überhaupt kein System eingerichtet, das ihre Tätigkeit kontrolliert hätte. Aus dem Fehlen eines Kontrollsystems ist auch zu erklären, dass die gegenständliche unberechtigte Beschäftigung über einen relativ langen Zeitraum hin nicht aufgedeckt wurde. Um das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems unter Beweis zu stellen hätte der Bw im Einzelnen anzugeben gehabt, auf welche Art, in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen er Kontrollen durchführt (vgl. VwGH vom 13. Oktober 1988, Zl. 88/08/0201). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reichen nicht einmal stichprobenartige Kontrollen der den Mitarbeitern erteilten Anordnungen und Weisungen zur Darlegung eines ausreichenden Kontrollsystems (vgl. VwGH vom 25. April 2008, Zl. 2008/02/0045 mit Vorjudikatur). Die zwischenzeitige Einrichtung des Vier-Augen-Prinzips zeigt, dass dieses nicht, wie vom Bw im erstinstanzlichen Verfahren vermerkt, "grotesk" ist, wobei überdies zu vermerken ist, dass das Funktionieren des Vier-Augen-Prinzips seinerseits Kontrollen zugänglich ist.
Der Bw hat zwar das Vorliegen eines Kontrollsystems behauptet, konnte jedoch nicht erkennbar darlegen, wie dieses Kontrollsystem im einzelnen hätte funktionieren sollen. Solange der Bw nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können (vgl. VwGH vom 15. Oktober 2009, Zl. 2008/09/0102). Es stellt keine überzogenen Anforderungen an einen Unternehmer dar, wenn gerade zu Zeiten der Einschulung neuer Mitarbeiter erhöhte begleitende Kontrollen durchgeführt werden, da in diesen Zeiten ein höheres Fehlerkalkül in Betracht gezogen werden muss. In den Rahmen der objektiven Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer einer GmbH fällt auch das Treffen adäquater Maßnahmen zur Überprüfung der Tätigkeit der Mitarbeiter im Betrieb (vgl. VwGH vom 15. Dezember 2004, Zl. 2002/09/0098). Dem Bw ist daher fahrlässige Tatbegehung anzulasten.
6. Die belangte Behörde hat unter Anwendung des § 20 VStG die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe bereits zur Hälfe reduziert, da sie die Anmeldung der Ausländerin zur Sozialversicherung, das teilweise Geständnis des Bw sowie dessen Unbescholtenheit als mildernd wertete. Hinzu kommt die ebenfalls als mildernd zu wertende lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens.
Entgegen den Berufungsausführungen ist eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG mangels Vorliegen der kumulativen Voraussetzungen nicht geboten.
Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Der Umstand, der im gegenständlichen Fall zu einer verbotenen Ausländerbeschäftigung geführt hat, liegt im typischen Fehlerbereich, der durch zumutbare und leicht zu verwirklichende Maßnahmen ausgeschaltet oder zumindest verringert hätte werden können, weshalb den Bw als strafrechtlich Verantwortlichen der X Gebäudereinigung GmbH kein geringfügiges Verschulden im Sinn des § 21 Abs.1 VStG an dem objektiv verwirklichten Tatbestand der bewilligungslosen Beschäftigung der ausländischen Arbeitnehmerin trifft. Wenn ein geeignetes Maßnahmen- und Kontrollsystem nicht eingerichtet wurde, kann nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einem geringfügigen Verschulden nicht mehr gesprochen werden (vgl. u.a. VwGH vom 5. September 2002, Zl. 98/02/0220).
Im Hinblick auf die relativ lange Dauer der unberechtigten Beschäftigung kann auch nicht von unbedeutenden Tatfolgen ausgegangen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder