Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240759/2/BP/Ga

Linz, 07.09.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 6. April 2010,  GZ. SanRB96-66-2008, wegen einer Übertretung des  Ärztegesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das das im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Strafausmaß auf eine Geldstrafe von 500 Euro und der Beitrag zu den Verfahrenskosten I. Instanz auf 50 Euro herabgesetzt werden; im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. 

 

II.           Die Berufungswerberin hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allge­meines Ver­wal­tungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 65f. VStG.


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom
6. April 2010, GZ.: SanRB96-66-2008, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt, weil sie als Ärztin nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, den von ihr ab März 2008 bis 4. September 2008 in ärztliche Behandlung übernommenen Suchtgift-Kranken, Herrn X, gewissenhaft zu betreuen. Der Betreuungsmangel bestand darin, dass sie nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaften und Erfahrung - und auch nicht unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards – das Wohl des genannten Kranken gewahrt, sondern folgende Handlungen gesetzt habe:

1. Obwohl sie keine österreichische oder gleichwertige ausländische Ausbildung für den Umgang mit Substitutionskranken oder überhaupt Suchtkranken an sich besessen habe, habe sie mit dem Genannten eine "Überbrückungstherapie" mit dem Präparat Somnubene über mehrere Monate, nämlich von März 2008 bis
4. September 2008 durchgeführt. Eine derart lange "Überbrückung" sei vor dem Hintergrund, dass der Genannte – wie der Bw bekannt gewesen sei – eine vorhergehende Substitutionstherapie wegen – aus seiner Sicht – zu schwacher Wirkung des Substitutionsmedikaments abgebrochen habe, und vor der realitätsnahen Betrachtung, dass ihm ein weiterer Substitutionstermin nicht erst – wie von ihm behauptet – im November 2008 zugewiesen worden wäre, aus medizinischer Sicht im obigen Sinne nicht angebracht gewesen.

2. Die Bw habe ihre mangelnden theoretischen und praktischen Kenntnisse im Umgang mit Suchtkranken nicht durch Einholung fach- oder amtsärztlicher Beratung wettgemacht und auch keine Versuche dahingehend unternommen. Mögliche und zumutbare Auskunftstellen hätten beispielsweise die örtlich zuständigen AmtsärztInnen oder die Drogenambulanz der Oö. Landesnervenklinik sein können.

3. Die Bw habe dem Genannten das Medikament "Somnubene" entgegen dessen Beipacktext und entgegen dem Stand der ärztlichen Kunst in diesem Bereich

a) über viel zu lange Zeit (6 Monate, das sei das Sechsfache der im Beipacktext angegebenen Maximaldauer von 4 Wochen),

b) in einer viel zu hohen Dosierung (10 mg pro Tag, das sei das Fünffache der im Beipacktext angegebenen Maximaldosis von 2 mg pro Tag),

c) ohne Dosisreduktion (verordnete Dosierung von 10 mg pro Tag sei über den gesamten Behandlungszeitraum von 6 Monaten nicht reduziert worden) und

d) ohne die erforderliche Überwachung (etwa durch Anordnung von Einnahme-Kontrollen) verschrieben und ihm so den Missbrauch ermöglicht.

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 109 Abs. 3 und § 49 Abs. 1 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF. BGBl. I Nr. 57/2008, genannt.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen erachtet die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben.

 

Hinsichtlich der Strafbemessung geht die belangte Behörde nicht davon aus, dass die Bw eine den gesetzlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung aufweist und wertet die bisherige Unbescholtenheit als Milderungsgrund. 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche – rechtzeitige – Berufung vom 22. April 2010.

 

Nach umfassender Begründung beantragt die Bw den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die verhängte Strafe angemessen herabzusetzen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 2. August 2010, beim Oö. Verwaltungssenat am
18. August eingelangt, legte die belangte Behörde den bezug­habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat vor.

 

2.2. Mit E-Mail vom 7. September 2010 schränkte die Bw ihre Berufung dahingehend ein, dass nunmehr lediglich die Höhe der verhängten Strafe bekämpft wird.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Nachdem sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und keine Partei die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragte, konnte von deren Durchführung gemäß
§ 51e Abs. 3 VStG abgesehen werden.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von den unter den Punkten 1.1. und 2.2. dieses Erkenntnisses angeführten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geld­strafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

 

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 109 Abs. 3 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 57/2008, begeht, wer den in § 3 Abs. 1 oder 3, § 12 Abs. 3, § 12a Abs. 4, § 27 Abs. 2 oder Abs. 7 zweiter Satz, § 29 Abs. 1, § 31 Abs. 3, § 32 Abs. 3, § 35 Abs. 7, § 36, § 37 Abs. 1 letzter Satz oder 2, § 43 Abs. 2, 3, 4 oder 6, § 44, § 45 Abs. 3 oder 4, § 46, § 47 Abs. 1, § 48, § 49, § 50 Abs. 1 oder 3, § 50a, § 50b, § 51, § 51 Abs. 2, § 53 Abs. 1 bis 3, § 54 Abs. 1, § 55, § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1, § 63, § 89 oder § 194 erster Satz enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung bildet und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar.

 

Gemäß § 49 Abs. 1 leg. cit. ist ein Arzt verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

 

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Arzt seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.

 

3.2. Nachdem die Bw ihre Berufung nachträglich dahingehend einschränkte, dass sie sich lediglich gegen die Höhe der verhängten Strafe richtet, ist von der Rechtskraft des im erstinstanzlichen Straferkenntnis ausgeführten Schuldausspruchs auszugehen. Eine diesbezügliche Überprüfung war dem Oö. Verwaltungssenat sohin verwehrt. Dies gilt jedoch nicht für die Beurteilung der Strafbemessung.

 

3.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sicht gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung (vgl. ua. VwGH vom 28. November 1966, 1846/65), die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. ua. VwGH vom 13. Dezember 19971, Slg. 8134 A). § 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafzumessung sind, egal ob sie durch Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46 VStG) erfolgt. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände. Neben den explizit genannten wie z.B. das Verschulden oder die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse findet sich hinsichtlich der Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe ein Verweis auf die § 32 bis 35 StGB.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können. Je mehr ein Täter Pflichten durch seine Handlung verletzt hat, je reiflicher er seine Tat überlegt hat, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat, ist gemäß Abs. 3 leg cit. relevant. Besondere Milderungsgründe liegen ua. im Fall eines reumütigen Geständnisses, eines bisherigen ordentlichen Lebneswandels bzw. bisheriger Unbescholtenheit, achtenswerter Beweggründe, bloßer Unbesonnenheit, einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung  oder, wenn die Tat unter einem Umstand, der einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommt, begangen wurde, vor (vgl. § 34 StGB).

 

3.4. Im vorliegenden Fall wertete die belangte Behörde die Tatsachen der bisherigen Unbescholtenheit der Bw und das Nicht-Vorliegen einer rechtlich geschützten Werten ablehnend oder gleichgültig gegenüberstehenden Einstellung als Milderungsgründe; dies völlig zu Recht.

 

Unter diesen Voraussetzungen scheint die im angefochtenen Straferkenntnis vorgenommene Strafzumessung insbesondere hinsichtlich des maximalen Strafrahmens von 2.180 Euro jedenfalls als zu hoch. In Anbetracht der nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig begangenen Tat kann mit der im Spruch dieses Erkenntnisses herabgesetzten Strafe das Auslangen gefunden werden, um die Bw hinkünftig von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten.

 

In diesem Sinne war auch der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde adäquat zu reduzieren. Die Festlegung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde im bekämpften Bescheid nicht nach dem – gemäß ständiger Rechtssprechung der Höchstgerichte – gebotenen - Verhältnis zwischen Maximalstrafrahmen im Bezug auf 2 Wochen und der verhängten Geldstrafe errechnet, weshalb die Ersatzfreiheitsstrafe, die nach dieser Berechnung bei der nunmehr reduzierten Geldstrafe noch 77 Stunden betragen haben würde, mit 72 Stunden (im angefochtenen Bescheid) bestätigt wird. 

 

3.5. Eine Anwendung des § 21 VStG und damit verbunden das Absehen von der Strafe scheidet allein schon mangels geringem Verschuldens aus.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Ergebnis war der Bw gem. § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

 

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